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Mehr Handwerk statt Gefühlsduselei

Die Verantwortung ruht besonders auf den Schultern von LeBron James und Stephen Curry
© getty

Nachdem die Cleveland Cavaliers in den Finals gegen die Golden State Warriors den 1-1 Ausgleich erkämpft haben, gibt Spiel 3 in der Nacht zum Mittwoch die weitere Richtung der Serie vor. Die Systeme könnten unterschiedlicher kaum sein, doch beide Teams müssen Details verändern. Entscheidend sind der Mut, Fehler zu machen, und das Vertrauen in die eigene Stärke.

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"Ich bezweifle, dass das noch einmal passieren wird." Steph Curry bemühte sich, nach der Pleite in Spiel 2 der Finals um eine nicht allzu enttäuschte Miene, doch es fiel ihm schwer. Sein Selbstbewusstsein hatte sichtlich gelitten.

"Das" - damit meinte der MVP sein Shooting-Desaster, das mitverantwortlich für die knappen Niederlage gegen die Cavs war. Lediglich 5 seiner 23 Wurfversuche fanden ihr Ziel, die negativen Höhepunkte bildeten ein Airball in der Overtime und der Finals-Rekord von 13 vergebenen Dreiern. Und das in Oakland, in Currys Wohnzimmer.

"Ich muss besser spielen, bessere Würfe generieren und meinen Rhythmus finden." Auch, wenn dieser Satz von Curry eher wie eine Standard-Phrase klingt, so nennt er doch das Hauptproblem der Warriors beim Namen: den Rhythmus. Ihre einzige echte Schwachstelle.

Den Playoffs nicht gewachsen?

Schon im Zweitrunden-Matchup gegen die Grizzlies war der Flow des Spiels die Achillesferse der Dubs und die ersten Stimmen wurden laut, die Warriors wären dem langsamen und harten Halfcourt Game der Playoffs nicht gewachsen. Zu abhängig wären sie von ihrem Feeling - wie ein Künstler von seiner Muse, der versucht, es mit einem mit den bloßen Händen ums Überleben kämpfenden Giganten aufzunehmen. Dass es schwierig ist, in solch einem Duell, mit Gefühl und Rhythmus zu Werke zu gehen, ist offensichtlich.

Hinzu kommt, dass sich die fehlende Postseason-Erfahrung von Golden State bisher weniger im befreiten Aufspielen, als viel mehr in schüchterner Zurückhaltung manifestiert. Doch es gab eine kurze Phase, in der all die Probleme in der Offense vergessen waren.

In den letzten 193 Sekunden der regulären Spielzeit von Game 2 wirkten die Warriors wie das Team, das mit 67 Siegen durch die Saison geflogen war. Das Team, das immer gefährlich war und das zweistellige Rückstände in kürzester Zeit pulverisieren konnte. Diese 3 Minuten und 13 Sekunden muss sich Golden State zum Vorbild nehmen, um in Spiel 3 den Heimvorteil zurückzuholen.

Das Gefühl erkämpfen

Das Team von Steve Kerr muss um den Flow fighten, sich gegen die gute D der Cavs ins Spiel hineinarbeiten. So wie es Klay Thompson vorgemacht hat, der sich trotz seiner Foulprobleme nicht aus dem Takt bringen ließ und fokussiert blieb.

Cleveland diktiert bisher das Tempo der Serie und raubt den Warriors damit nicht nur ihre beste Waffe, sondern auch ihre Identität und ihre Selbstbewusstsein. Gerade in Ohio muss die Flucht nach vorn das Rezept sein, um die zu entschwinden drohende Favoritenrolle zu behaupten.

Für die Warriors bedeutet das vor allem: Tempo machen. Klar, jeder Turnover ist kostbar, aber ohne Risiko kein Ertrag. Das Wort "Pace" sollte in der Pregame Besprechung eine tragende Rolle einnehmen, vielleicht wird es Steve Kerr sogar jedem Spieler auf die Hand schreiben. Denn sich noch einmal das Konzept des Gegners aufdrücken zu lassen, wäre Gift für die empfindliche und angegriffene Seele der Warriors.

Die Serie im Überblick!

Vorteil Cavs?

Psychologisch sind die Cavs nach dem Auswärtserfolg und den anstehenden Spielen in Ohio leicht im Vorteil. Zudem wurde der Sieg ohne den verletzten Kyrie Irving eingefahren. Dass sich das Team von David Blatt dabei auf ein Konzept aus der Steinzeit verließ, spielt keine Rolle. Wer braucht schon Gefühl, wenn es auch mit roher Gewalt und einigen genialen Handgriffen des besten Gestalters funktioniert?

Wie der Ausgleich zustande gekommen ist, spielt dabei sogar eher den Cavs in die Karten: 128 vergebene Würfe und 36 Turnover sind nur zwei Beispiele für die Qualität der Partie. Der Sieg war zwar hässlich, aber gerade dadurch wertvoll für LeBron und Co.

Rebounding im Fokus

Wenn Cleveland in den diesjährigen Playoffs das Duell unter den Brettern gewonnen hat, gab es noch keine einzige Niederlage (13-0). Das sind die Früchte der unermüdlichen Arbeit von Tristan Thompson, Timofey Mozgov und auch LeBron James, der bisher in der Serie 12 Rebounds pro Spiel auflegt.

Auf der Gegenseite soll es das Kollektiv richten, doch die Warriors brauchen in den nächsten Spielen auch mehr Einsatz von Center Andrew Bogut. Es ist zu wenig, den Korb zu beschützen und sich anschließend von Thompson den Rebound klauen zu lassen. Boguts starke Help-Defense in allen Ehren, aber im direkten Duell mit Mozgov sieht der Australier in der Serie bisher kein Land.

Schach an der Seitenlinie

Die Antwort von Steve Kerr lautete in Spiel 2 häufig Small Ball mit Green auf der Fünf - eines der Beispiele, wie die Rookie Coaches taktieren. Im Seitenlinien-Schach machen beide bisher eine gute Figur, wenn sie auch von der Kategorie Popovich weit entfernt sind.

Auf das problematische Mismatch von Dellavedova gegen Thompson im ersten Viertel von Spiel 2 fand Blatt in der Zuordnung Dellavedova/Curry eine starke Antwort, während er das ständige Switchen von Barnes, Iguodala und Green gegen James mit bevorzugten Pick-and-Roll-Aktionen konterte, die Curry als Verteidiger des Blockstellers involvierten.

Nun war wieder Kerr am Zug und verordnete Curry als Defensivstrategie das Hard Hegde, um einerseits den Switch zu umgehen und andererseits LeBrons Penetration zum Korb einzuschränken. Kurzum: Bisher reagieren beide auf Umstände und Situationen angemessen, aber es ist auch eine Frage der Einstellung, auf die eigenen Stärken zu bauen und der Aggressor zu sein, anstatt nur zu reagieren.

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Mehr Mut zu Fehlern

Wer traut sich, in Spiel 3 eine unkonventionelle Entscheidung zu treffen? Wer traut sich, einen Fehler zu machen? Warum nicht einmal den bisher starken Mozgov gegen das Small Ball Lineup der Warriors auf dem Feld lassen und dafür den offensiv schwächelnden Tristan Thompson runternehmen? Oder beide auf dem Parkett behalten und Kerr zum Erfinden einer neuen Lösung zwingen?

In diesem Fall würden die Cavs zudem eher Green einen Wurf ermöglichen als Curry oder Klay Thompson. Und bei der durchwachsenen Serie, die das Arbeitstier der Warriors offensiv bisher abliefert (6/20 FG, 0/4 Dreier), wäre das vielleicht sogar die bessere Option.

Heroball 2.0

Die Wahrscheinlichkeit, dass die Dubs erneut so schlecht treffen, wie in Spiel 2, ist gering. Aber darauf müssen die Cavs hoffen, ein anderes Konzept als LeBrons Balldominanz hat man in Cleveland nicht. Also muss eben daran gefeilt werden. Denn auch bei Iso-James waren in den ersten beiden Spielen einige Details verbesserungswürdig.

Zum einen dauert es noch viel zu lange, bis der Ball zu LeBron in den Post gelangt. Das beginnt schon beim Ballvortrag. Bisher überquert Point Forward James die Mittellinie häufig nach sechs oder sieben Sekunden, was auch seinem hohen Laufpensum geschuldet ist. Dennoch vergeudet Cleveland hier rund zwei wertvolle Sekunden, die am Ende der Shotclock ein ums andere Mal fehlten.

Zweiter Ansatzpunkt ist der Aufwand für den King. Warum laufen die Cavs drei Screens abseits vom Ball, wenn sowieso allen 10 Akteuren klar ist, dass der Ball zu LeBron in den Post geht? Dann doch lieber zwei gute Blöcke für James stellen, die ihm intensives Positionsgerangel ersparen und ihn sogar noch einen Meter näher an den Korb bringen. So könnte James mit einem Dribbling am Verteidiger vorbeigehen und die Hilfe hätte weniger Zeit zum Reagieren. Gelungen ist LeBron das in Spiel 2 nur ein einziges Mal.

Die dunkle Bedrohung

Und dann sind da ja noch die Mitspieler, J.R. Smith zum Beispiel. Abgesehen von seinen dummen Fouls fiel der extrovertierte Shooting Guard dadurch auf, dass er bei Clevelands letzter Possession nicht einmal Richtung Korb schaute und zumindest einen Hauch von Bedrohung suggerierte.

Natürlich wusste jeder in der Oracle Arena, dass James den möglichen Gamewinner nicht in die Hände eines Mitspielers legen würde, aber der Supporting Cast ist in der Pflicht, wurfbereit zu lauern, um den eigenen Verteidiger doch noch eine halbe Sekunde länger zu binden. Am Ende ist es vielleicht dieser Wimpernschlag, der der Hilfe fehlt, um rechtzeitig am Korb zu sein und der über Sieg oder Niederlage in Spiel 3 entscheidet.

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Kann LeBron zuviel machen?

Auch, wenn es wenig an der Ausführung von LeBrons 1on1-Aktionen zu kritisieren gibt, muss er sich dennoch Fragen nach fehlendem Vertrauen gefallen lassen. In der Cruchtime der beiden ersten Spiele warf er 15 Mal selbst, nur einmal gelang ihm ein Assist. Es war ein Anspiel aus dem Pick and Roll für einen Dreier von Iman Shumpert - dem einzigen Korberfolg in der Verlängerung von Game 2.

Sicherlich gehört zu einem Assist auch immer der Mitspieler, der seinen Wurf trifft, aber schlechter als die Versuche, die LeBron am Ende der Spiele nimmt, sind die Wurfpositionen seiner Teamkameraden auch nicht.

Von den 15 Clutch-Würfen, die James in Richtung Ring schickte, fanden nur zwei den Weg durch die Reuse. Keine Frage: Gegen eine kollabierende Defense ist das schwerer als sonst, aber das eine oder andere Fünkchen Vertrauen würde James nicht schaden. Er muss zwar viel leisten, er muss sehr viel leisten, er muss enorm viel leisten - aber eben nicht immer alles. Und genau das sollte er sich in Spiel 3 in Erinnerung rufen.

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