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"Magic Johnson ist der falsche Traum"

Marin Sedlacek (l.) hat großen Anteil an den Karrieren von Nowitzki, Schröder und Parker
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SPOX: 2010 wechselten Sie als International Scout zu den Philadelphia 76ers. Wie lief es dort?

Sedlacek: In Memphis habe ich es nie so schwierig gefunden, wie es in den ersten drei Jahren in Philadelphia der Fall war. Es ging darum, Vorurteile abzubauen und argumentativ die Leute abzuholen, warum internationale Spieler eine Franchise bereichern können. Mein größter Erfolg ist es, die Organisation davon überzeugt zu haben, 2014 an 12. Stelle Dario Saric zu draften.

SPOX: Saric, 21 Jahre alt und ein spielstarker Power Forward, ging nicht sofort in die NBA, sondern unterschrieb bei Anadolu Efes einen Vertrag und spielte eine teils überragende, teils unscheinbare Saison. Nächstes Jahr wird der Kroate sehr wahrscheinlich beim türkischen Topklub bleiben. Wie bewerten Sie seine NBA-Aussichten?

Sedlacek: Ich mag ihn. Ich mag seine Persönlichkeit, sein Talent, seine konzentrierte Vorbereitung auf ein Spiel, seinen Way of Life, seine freundlich Art und seinen Hunger, sich Tag für Tag verbessern zu wollen. Ich hoffe, dass er irgendwann Teil der 76ers-Organisation sein wird. In der abgelaufenen Saison gelang ihm bei Anadolu Efes der nächste Schritt und er deutete an, dass er der MVP der Euroleague sein kann. Er wurde nicht zufällig im November zum MVP gewählt. Doch das war nur ein Monat und er muss bestätigen, dass er diese Leistungen konstant über ein Jahr bringen kann.

SPOX: Die 76ers wären schon jetzt europäisch geprägter, wenn Nikola Vucevic 2012 nicht zu den Orlando Magic getradet worden wäre, weil der damalige Coach Doug Collins keinen Wert auf ihn legte. Mittlerweile gehört der Montenegriner zu den besten zehn Centern der NBA. Ist diese Entwicklung besonders bitter, bedenkt man, dass Philadelphia 2013 mit Nerlens Noel und 2014 mit Joel Embiid für zwei Big Men hohe Draft-Picks nutzte und sich beide jeweils schwer verletzten?

Sedlacek: Mein Herz hat geblutet, als der Trade feststand. Damals hatten die 76ers andere Prioritäten und mit dem damals deutlich kleineren Einfluss konnte ich nichts ausrichten. Es gibt nun mal NBA-Coaches, die eher Veteranen aus den USA als einem jungen Europäer vertrauen, obwohl Nikola ja in den USA auf die High School und ans College ging. Wir haben ihn gedraftet, ihn entwickelt und ihm Minuten gegeben. Aber dann kam es, wie es manchmal so kommt in der NBA. Eine Meinungsverschiedenheit zwischen einem Coach und einem Spieler, die Beziehung geht kaputt, der Coach will den Spieler nicht mehr, es kommt zu Trade. Trotzdem tut es mir immer noch leid, wie es ablief.

SPOX: Die 76ers sind seitdem deutlich internationaler ausgerichtet. Neben dem türkischen Reboundspezialisten Furkan Aldemir, der letzte Saison in der Rotation stand, und dem Recht an Saric haben die 76ers 2014 den heutigen Bayern-Spieler Vasilije Micic an Platz 52 gedraftet. Wie sehen Sie seine Perspektiven?

Sedlacek: Ich kenne ihn, seit er zehn Jahre alt ist. Seine Eltern und ich sind eng befreundet. Dennoch muss ich leider sagen, dass er sehr weit von der NBA entfernt ist. Und das aus drei Gründen. Erstens: Er muss an seinem Körper arbeiten und über eine längere Zeit fit bleiben. Das Problem ist, dass er im Alter zwischen 16 und 18 Jahren in die Höhe gewachsen ist und sich die Muskeln und Bänder nicht in dem Maße mitentwickelt haben. Dieses Defizit konnte nie behoben werden, weil er so viele Spiele und so viele Trainingseinheiten unter hoher Intensität zu absolvieren hatte. So kamen die Verletzungen: erst das Knie, dann die Schulter und der Ellenbogen. Erst wenn er über eine signifikante Zeitspanne ohne größere und kleinere Verletzungen spielt, können wir richtig evaluieren, ob er bereit für die NBA ist. Denn in den USA ist die Belastung für den Körper noch größer. Es gibt mehr Spiele, die Reisen sind länger und die Gegenspieler physisch eine schwierigere Aufgabe. Man darf nicht vergessen: Auf den großen Positionen sind die körperlichen Unterschiede zwischen Spielern aus Europa und den USA nicht so groß, auf den kleinen Positionen sind sie hingegen gewaltig.

SPOX: Und die weiteren Gründe?

Sedlacek: Zweitens: Micic muss seine Defense dramatisch verbessern. Und drittens als logische Folge: Er muss entscheiden, auf welcher Position er spielt. Will er ein Point Guard oder ein Shooting Guard sein?

SPOX: Ist Micic kein klassischer Point Guard? Selbst Milos Teodosic sieht einiges von sich in ihm, wie er im SPOX-Interview sagt.

exklusiv Milos Teodosic im Interview: "Würden gegen NBA-Teams mithalten"

Sedlacek: Viele sehen in ihm einen Point Guard. Aus meiner Sicht ist er ein Shooting Point Guard. Das heißt: Er kann der Backup des Starting-Point-Guards sein, tendenziell sollte er jedoch mehr auf der Shooting-Guard-Position spielen. Mit seiner jetzigen Geschwindigkeit kann er in der NBA keinen Point Guard vor sich halten.

SPOX: In den letzten fünf Jahren gab es einige deutsche Spieler, die sich am Draft anmeldeten oder sich zumindest intensiv mit dem Gedanken beschäftigt haben, sich auf die Liste setzen zu lassen. Was halten Sie von Micic-Mitspieler Robin Benzing?

Sedlacek: Er besitzt die Größe eines Inside-Spielers, aber er denkt wie ein Outside-Spieler.

SPOX: Was an sich gut klingt, oder? So werden Point Forwards beschrieben.

Sedlacek: Nein, wenn es so ausgeprägt ist, funktioniert das nicht. Selbst bei Svetislav Pesic nicht, dem erfahrensten Coach in Deutschland.

SPOX: Was ist mit Bambergs Elias Harris, der vor vier, fünf Jahren neben Benzing und Tibor Pleiß zu den größten NBA-Hoffnungen des DBB zählte?

Sedlacek: Aus meiner Sicht wird er für die NBA nicht interessant.

SPOX: Bei Pleiß wundern sich viele, warum er immer noch nicht von einem NBA-Team verpflichtet wurde. Ist er nicht bereit?

Sedlacek: Ganz offensichtlich nicht. Er hat noch nicht bewiesen, dass er wirklich NBA-ready ist - wobei es nicht seine alleinige Schuld ist. Beim richtigen Klub hätte er es vielleicht schon längst vorgemacht. In Vitoria war zu sehen, wozu er imstande ist, wenn er viele Minuten bekommt. Barcelona hingegen betont sehr das Spiel von außen und die Guards und Flügelspieler dominieren. Daher müssen die großen Spieler vor allem rauspassen können. Das ist allerdings nicht Tibors Spiel. Wenn Barcelona kommendes Jahr anders zusammengestellt ist und der Ball häufiger ans Brett gebracht wird, könnte Tibor demonstrieren, was in ihm steckt.

SPOX: Nach Nowitzki und Schröder war Tim Ohlbrecht am nahesten an einer NBA-Karriere dran. Hat er eine Chance aufs Comeback?

Sedlacek: Ich sorge damit nicht für Zustimmung in Deutschland, trotzdem bin ich weiterhin der Meinung, dass er die falsche Position spielt. Er ist kein Center, er hätte der perfekte Small Forward sein können.

SPOX: Small Forward? Ohlbrecht? Wenn überhaupt, ist er ein Power Forward, oder nicht?

Sedlacek: Nein, nein, Small Forward. Ich habe damals mit seinen Coaches in Deutschland gesprochen und versucht, Ihnen das zu erklären. Wir konnten uns nicht einigen. Sein Release, also der Punkt, wenn er beim Sprungwurf hochsteigt und loslässt, war sehr niedrig, so dass er selten zum freien Schuss kam, wenn ein kleinerer Gegenspieler die Arme hochnahm. Wenn er an der Wurftechnik mit einem höheren Releasepunkt gearbeitet hätte, wären heute die Chancen auf die NBA deutlich größer. Denn von der Größe, Schnelligkeit und Athletik bringt er alles mit, selbst für NBA-Verhältnisse. Er ist ein Mismatch vorne und hinten kann er dank seiner körperlichen Voraussetzungen den Gegenspieler verteidigen. Aber wie gesagt: Das ist meine subjektive Meinung.

SPOX: Im Kampf um die EM-Nominierung wird es womöglich zum direkten Duell zwischen Ohlbrecht und Bambergs Daniel Theis kommen. Er verfolgt ebenfalls den NBA-Traum.

Sedlacek: Er ist genau das Gegenteil zu Ohlbrecht. Er besitzt einen guten Touch und wird in Zukunft noch häufiger von außen punkten. Was ihm fehlt, ist das Inside-Game. Sprich: Um den nächsten Schritt zu gehen, muss er im Lowpost mit dem Rücken zum Korb Lösungen entwickeln, um vielseitiger zu sein. Wenn ihm das gelingt, hat er eine sehr gute Chance auf die NBA.

SPOX: Nah dran scheint Maxi Kleber zu sein. Er nimmt an der Summer League teil und steigt etwas verspätetet in die EM-Vorbereitung des DBB-Teams ein. Verständlich?

Sedlacek: Natürlich kennen wir Maxi. Er ist ein sehr interessanter Name und er zeigt bei einem kleinen spanischen Klub Charakter und Konstanz. Sein Potenzial ist offensichtlich und wenn er sich bei der Summer League gut präsentiert und zum richtigen Zeitpunkt beim richtigen Team eine Chance erhält, ist alles möglich.

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Seite 3: Sedlacek über Probleme beim deutschen Nachwuchs

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