NBA

LeBrons nächstes Großprojekt?

Von Max Marbeiter
Harrison Barnes (r.) spielt derzeit seine dritte Saison bei den Golden State Warriors
© getty
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Auftritt: Steve Kerr. Wo Mark Jackson bei seinem Amtstritt das Hauptaugenmerk auf Golden States damals desaströse Defense gelegt hatte, stand auf der Agenda des neuen Trainers das Kreieren einer flüssigeren, effektiveren Offense. Weniger Isolations, dafür mehr Ballmovement, mehr Bewegung abseits des Spalding. Die Vorzüge aller sollten besser zur Geltung gebracht werden.

Sicherlich fußte Kerrs Idee also nicht einzig und allein auf der Hoffnung, Barnes' Stärken besser hervorzuheben, gelungen ist es dennoch. Golden States "neue" Offense passt einfach besser zum Swingman, die Konstellation auf dem Court ebenso. Durch die Rückkehr in die erste Fünf spielt Barnes seit dieser Saison wieder an der Seite von Curry, Thompson, Draymond Green und Andrew Bogut. So ist er bei weitem nicht mehr erste Option, nicht mehr im Fokus der Defense. Dafür kann Barnes seine Stärken in Transition, als Cutter oder Spot-Up-Shooter ausnutzen.

Allein deshalb war Kerrs Schritt, die Rollen des Offball-Spezialisten Barnes und des Ballhandlers Iguodala zu tauschen, so unglaublich wertvoll. Für das gesamte Team, aber auch für Barnes persönlich. Denn individuell hat sich der Swingman in nahezu allen Kategorien deutlich gesteigert, legt sowohl beim True Shooting (57,3 Prozent gegenüber 48,6 Prozent vergangene Saison), als auch der Rebound Rate (10,5 gegenüber 7,7) und beim Player Efficiency Rating (13,41 gegenüber 9,85) Karrierebestwerte auf.

Defensive Effizienz dank Barnes

Barnes scheint seine Rolle gefunden zu haben und übernimmt mittlerweile sogar Verantwortung, wenn es bei den Splash Brothers einmal nicht laufen möchte oder einer der beiden Shooting-Virtuosen frühzeitig Foulprobleme bekommt. So prägte er in Spiel 5 der Western Conference Finals mit 9 Punkten in Serie Golden States entscheidenden Lauf. Mit Barnes auf dem Court erzielen die Warriors auf 100 Possessions hochgerechnet 10,2 Punkte mehr als der Gegner, ohne den Forward beträgt das Net Rating nur noch 4,7 Zähler. Rein statistisch macht kein Dub einen größeren Unterschied aus.

Und schon bewegt man sich langsam, aber sich wieder in Richtung Kawhi Leonard. Schließlich ist Golden States Defense in den Playoffs einzig mit Draymond Green minimal effizienter als mit Barnes (Defensive Rating 96,3 gegenüber 96,4).

Stark genug für Z-Bo

Tatsächlich scheint es, als könne der Forward wirklich alle fünf Positionen verteidigen, wie es ihm Mark Jackson einst nach dem Draft bescheinigte. "Das macht Harrison einzigartig", sagt mittlerweile auch Steve Kerr. "Er ist - natürlich mit Hilfe - stark genug, einen wie Zach Randolph zu verteidigen. Er ist stark genug, einige der besten Power Forwards der Liga zeitweise einzudämmen. Und er ist schnell genug, um auf einen Point Guard zu switchen."

Das nächste Lob. Doch erneut sind Kerrs Worte mehr als nur bloßes Hochlebenlassen eines seiner Spieler. Barnes nahm sich in Runde zwei tatsächlich zeitweise Randolphs an - und machte seine Sache gut. Ganz allgemein hält er Power Forwards in dieser Saison bei einem Player Efficiency Rating von 13,8.

Und genau dieser Fakt dürfte für die Finals nicht uninteressant sein. Dort wird es Barnes nämlich nicht selten mit LeBron James zu tun bekommen. Faktisch zwar ebenfalls Small Forward, gemeinhin allerdings auch gern als Point Forward oder Power Guard bezeichnet. So nutzte der vierfache MVP in den Playoffs bislang nur zu gern seine Kraftvorteile, um beispielsweise DeMarre Carroll oder sogar Jimmy Butler in Richtung Zone zu schieben. Dort angekommen punktete James entweder selbst oder kreierte für seine Mitspieler.

Duel mit LeBron: Kawhi, die Zweite?

Nun ist sicherlich nicht auszuschließen, dass auch Barnes ab dem 4. Juni hin und wieder ein ähnliches Schicksal ereilt. Andererseits hält der Black Falcon die Quoten seiner Gegenspieler weniger als drei Meter vom Korb entfernt 5,4 Prozent unter dem Saisonschnitt, weiß sich in Ringnähe also durchaus zu behaupten.

Das bedeutet zwar nicht, dass Barnes LeBron wird stoppen können. Das kann niemand, wie James während seines Vergleichs mit Steph Curry so selbstbewusst wie treffend formulierte. Allerdings haben die Warriors einen, der sich dem vierfachen MVP entgegenstellen kann.

Nun besitzt Barnes sicherlich nicht die Exklusivrechte auf das Verteidigen von LeBron. Zwar dürfte Andre Iguodala angesichts der Kombination aus seinen Fähigkeiten, Passwege schnell zuzumachen, und Clevelands Liebe zum Drive-and-Kick eher selten ins Eins-gegen-Eins mit James gehen. Dafür besitzen die Warriors mit Draymond Green einen weiteren, ungemein vielseitigen Defender, dessen Wege sich definitiv mit denen des vierfachen MVP kreuzen werden. Auch Klay Thompson ist eine Option.

Primär wird es LeBron zunächst dennoch mit Harrison Barnes zutun bekommen. Mit einem athletischen, kräftigen Flügel. Mit einer Art Verteidiger, die ihm bereits während der vergangenen beiden Finalserien Probleme bereitete. Der Gegenspieler damals: Kawhi Leonard.

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