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Die nicht so glorreichen Sieben

Das Team der Cavs besteht derzeit nur aus Arbeitstieren und Bankdrückern
© getty

Das geringe Vertrauen von David Blatt in seine Veteranen sorgt für Unmut in der Kabine der Cleveland Cavaliers. Nach der deutlichen Pleite in Spiel 4 der Finals gegen die Golden State Warriors könnte den Cavs eine Veränderung gut tun, aber gar nicht unbedingt aus spielerischer Sicht.

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"LeBron, du gehst wieder rein." Gerade einmal 109 Sekunden konnte es sich David Blatt erlauben, seinen Superstar in der zweiten Hälfte von Spiel 4 vom Feld zu nehmen. Die Warriors bauten ihren Vorsprung während James' Abstinenz auf dem Parkett weiter aus.

Von Entlastung für den King war weit und breit keine Spur. Weder von den Rollenspielern wie Iman Shumpert, J.R. Smith oder Matthew Dellavedova, die allesamt einen schwachen Abend erlebten, noch von den Veteranen, die auf der Bank schmorten und nicht eingreifen durften. Wie schon in Spiel 1, 2 und 3.

Auch eine Stunde nach der Partie zeigte sich ein völlig unterschiedliches Bild. Die kleine Sieben-Mann-Rotation, die das Vertrauen von Coach Blatt genießt und massig Minuten abreißen musste, war ausnahmslos fix und fertig. LeBron wurde am Kopf genäht, Delly befand sich in der Eistonne und bei Shumpert war unter all den Kühlpacks kaum noch die Schulter zu sehen.

Und dann gab es da noch das andere Grüppchen. Den restlichen Teil vom Team, der beschäftigungslos blieb, nach dem Spiel nicht einmal eine Dusche brauchte und sich schon längst auf dem Heimweg befand. Shawn Marion, Mike Miller, Kendrick Perkins und Joe Harris beispielsweise.

Ist Blatt verantwortlich?

"Es ist die Entscheidung des Coaches, ob er die Bankspieler stärker einbinden will", sagte LeBron: "In den gesamten Playoffs haben wir nicht viele Jungs eingesetzt. Aber ich denke, es würde den Spielern, die viele Minuten abreißen, durchaus helfen."

Nicht, dass sich das nicht während des Spiels schon bemerkbar gemacht hätte. Sowohl James als auch Dellavedova wurden in den Auszeiten ständig behandelt. Das größte Problem: Krämpfe. Aber Blatt reagierte nicht - beide bekamen nur extrem kurze Verschnaufpausen. Er wollte, dass seine sieben Auserwählten die Partie gewinnen. Doch Game 4 war anders. Es war schneller. Und anstrengender.

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"Müssen noch mehr leisten"

"Es war das dritte Spiel innerhalb von fünf Tagen, inklusive des Flugs von der Westküste nach Cleveland", so Blatt: "Das hatte definitiv einen Einfluss auf uns. Wir sind noch weniger Männer als wir ohnehin schon waren, aber das ist keine Ausrede. Wir haben es bisher nicht als solche benutzt und werden jetzt auch nicht damit anfangen. Wir müssen einfach alle noch mehr leisten."

Aber ist das noch der richtige Ansatz? Vielleicht müsste sich Blatt stattdessen mit dem Gedanken anfreunden, es Steve Kerr gleichzutun und sein Lineup zu ändern. Oder zumindest seine Rotation.

Sicherlich haben Mike Miller und Shawn Marion nicht mehr die Qualität eines fitten Shumpert, Smith oder Dellavedova - geschweige denn eines LeBron selbst. Aber vom Status "fit" sind die nominellen Starter derzeit weit entfernt.

Shumperts linker Arm ist sichtlich in Mitleidenschaft gezogen und im Moment eher eine Attrappe als brauchbar, Dellavedovas Körper kann mit seinem starken mentalen Einsatzwillen einfach nicht mithalten. Ihre schwache Leistung in Spiel 4 ist unter anderem eine Folge der Überanstrengung. Und James? Selbst der King kann nicht 48 Minuten lang das Spiel machen.

Die Causa Smith

Ein bisschen anders verhält es sich bei J.R. Smith: Er ist einer der wenigen nicht angeschlagenen Akteure bei den Cavs. Und doch trifft der einzige echte Bank-Scorer in den Finals weniger als 30 Prozent seiner Würfe aus dem Feld.

"Ich setze meine Mitspieler nicht unter Druck", sagte LBJ angesprochen auf Smiths Misere: "Man hält an ihnen fest. Wir alle haben manchmal zu kämpfen und ich gebe niemanden auf. Er war für uns in der Saison unglaublich wichtig und ohne ihn wären wir nicht hier."

Dennoch ist es an der Zeit zu überlegen, ob nicht den Bankspielern in solch einer speziellen Situation eine größere Rolle zugemutet werden muss. Warum nicht einen Versuch wagen? Die Warriors werden wohl nicht so schnell von der gefundenen Erfolgsstrategie abweichen - immerhin weiß Blatt also, was auf ihn zukommt.

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Unmut in der Kabine

Auch die Veteranen selbst äußern hinter vorgehaltener Hand bereits ihren Unmut über Blatts Festhalten an den in Spiel 4 nicht so glorreichen Sieben. Laut ESPN mehren sich die Gerüchte aus dem Umfeld der Cavs, dass sich die Stimmung im Locker Room einem kritischen Punkt nähert. Allein schon deshalb wäre es wichtig, den alten Haudegen Miller und Marion eine Chance zu geben, einen Beitrag zu leisten.

Es ist nachvollziehbar, dass Blatt das Smallball-Experiment der Dubs mit den zuvor funktionierenden Mitteln zur Strecke bringen wollte, doch nach der deutlichen Pleite ist die Zeit für eine Veränderung gekommen. Es müssen ja nicht gleich 15 Minuten für Marion oder Miller sein.

Das eine besondere Play

Wahrscheinlich würde sich ein Plus an Spielzeit für die Bank gar nicht unbedingt positiv auf das Net Rating auswirken, doch der psychologische Faktor ist nicht zu unterschätzen. Eine gute Aktion wie Millers Save in Game 3 kann das gesamte Team pushen.

In Spiel 6 vor eigenem Publikum könnten die Bankdrücker sogar noch wertvoller sein, denn den Zuschauern in Ohio genügt ein Dreier von Miller, ein Block von Marion oder ein Offensivrebound von Perkins, um komplett auszurasten.

Wenn es Golden State gelingt, den Rhythmus und das Tempo von Spiel 4 mit zurück in die Bay Area zu nehmen, wird es in jedem Fall schwer für Cleveland. Die Abkehr von den sieben Helden der ersten drei Spiele ist dann vermutlich Blatts beste Option. Und zugleich auch die einzige.

Die Finals im Überblick

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