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Auf einmal Sündenbock

Dennis Schröder ist in den Playoffs für viele zum Sündenbock der Hawks geworden
© getty

Dennis Schröders Ansehen erlebte in der Saison einen rapiden Anstieg. In der Postseason hat sich dies jedoch geändert: Einige US-Experten machen ihn sogar zum Hauptverantwortlichen für die Probleme der Atlanta Hawks. Auch die Zahlen sprechen eine klare Sprache. In Spiel 3 reagierte Coach Mike Budenholzer und degradierte den Deutschen zum Zuschauer.

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Nur dreieinhalb Minuten ließ Budenholzer seinen jungen Point Guard in Spiel 3 der Playoffs spielen, nachdem er zuvor in jeder Playoff-Partie mindestens 11 Minuten absolviert hatte. Stattdessen bekam Shelvin Mack, der über weite Strecken der Postseason kaum mal den Trainingsanzug ablegen durfte, eine Bewährungschance.

Eine kuriose Entscheidung, fanden einige. Schließlich hatte Schröder in seinen Playoff-Einsätzen bisher ordentliche 9,3 Punkte und 3,9 Assists aufgelegt, nahezu identisch mit den Werten seiner hochgelobten Regular Season (10,0 und 4,1). Eine Entscheidung, die Coach Bud schon viel früher hätte treffen müssen, fanden andere.

Die Grunde dafür sind vielfältig und haben eher wenig mit seinen individuellen Statistiken zu tun - zumindest nicht mit den traditionellen. Vielmehr haben einige US-Experten ihn als den Grund für die "unterwältigenden" Playoffs der Hawks ausgemacht, weil seine Advanced Stats ein gelinde gesagt erschreckendes Bild zeichnen.

Katastrophales Net-Rating

In den drei Spielen der Conference Finals verzeichnen die Hawks ein Offensiv-Rating von 102,5, das gepaart mit einem Defensiv-Rating von 98,8 zu einem positiven Net-Rating von 3,7 führt, wenn Schröder auf der Bank sitzt. Vereinfacht gesagt haben die Hawks die 115 Minuten "gewonnen", die der 21-Jährige auf der Bank verbracht hat.

Das kann man über die 34 Minuten, die er auf dem Court verbrachte, nicht gerade sagen. Das Offensiv-Rating krachte auf 87,5 herunter, das Defensiv-Rating stieg auf 129,9 heran - gut für die katastrophale Differenz von -42,4, den mit Abstand höchsten Wert bei den Hawks.

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Auch in Runde eins gegen die Brooklyn Nets betrug sein Net-Rating bereits -34,6, nur in Runde zwei gegen die Washington Wizards war sein Einfluss "positiv" (+6,8). Einige Experten forderten dennoch schon vor den Conference Finals, dass Budenholzer seine Rolle verkleinern sollte.

Schröder wird zum "Korver-Stopper"

Der prominenteste Kritiker dürfte ganz klar Tom Haberstroh sein. Der ESPN-Insider suchte vor kurzem nach den Gründen für die Probleme von Kyle Korver, der vor seiner Knöchelverletzung aus Spiel 2 schwache Playoffs gespielt hatte und nicht ansatzweise sein Niveau der Regular Season replizieren konnte. In seinem Artikel zum Thema bezeichnete er Schröder als "Korver-Stopper".

Demnach sei es nicht die gegnerische Defense, die Korver "vom Scharfschützen zum D-League-Spieler" mache, sondern sein Mitspieler. Tatsächlich traf Korver mit Schröder auf dem Court nur 27,3 Prozent aus dem Feld und 26,7 von der Dreierlinie (gegenüber 42,9 und 38,6 ohne ihn).

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Es mag polemisch wirken, das allein an Schröder festzumachen, zumal zu jeder gegebenen Zeit ja auch noch drei andere Spieler auf dem Court stehen. Einige Probleme in der Kooperation zwischen beiden wurden dennoch offensichtlich. Sie beziehen sich auch nicht nur auf das Zusammenspiel mit Korver, sondern den generellen Auftritt von Schröder in seiner ersten echten Postseason.

Die gute, alte Rondo-Defense

Wie immer haben Teams in den Playoffs mehr Zeit, um sich defensiv auf ihre Gegner vorzubereiten. Schwächen werden gründlicher studiert und jeder Coach überlegt sich Mittel, um diese bestmöglich auszunutzen. Letztes Jahr hätte das Schröder nicht betroffen - er galt noch nicht als Spieler, für den man planen müsste. Das hat sich in dieser Saison geändert, in der er (unter anderem von Haberstroh) als Kandidat für den Most Improved Player-Award gehandelt wurde.

Dummerweise ist Schröders größte Schwäche in der Offense ziemlich leicht auszumachen: Der Wurf kommt und geht, verlässlich ist anders. Daher wird er vor allem von den Wizards und Cavs häufig mit der "Rondo-Defense" bedacht. Will sagen: Sein Verteidiger sinkt weit ab und gibt ihm den Wurf, er soll nur nicht den Weg in die Zone finden. Bestrafen kann er das - genau wie Rondo - nur selten.

Bei seiner Reaktion auf diese Defense wird zudem seine Unerfahrenheit deutlich. Denn Schröder versucht es trotzdem immer wieder - niemand zieht häufiger als er (15,1 Drives pro 36 Minuten) - und verliert dabei gerne mal die Übersicht.

Wenn er es mit dem Kopf durch die Wand erzwingen will, sind häufig erzwungene, schlechte Würfe oder Turnover der Fall, seine Mitspieler findet er zu selten. Vor allem Korver, dem von Schröder in den Playoffs ganze 4 (!) Treffer serviert wurden.

"Viel zu oft den Ball in der Hand"

Die Offense der Hawks kam dementsprechend häufig zum Erliegen, wenn Schröder für Jeff Teague eingewechselt wurde. Dabei muss sich allerdings auch Budenholzer Fragen gefallen lassen. Zum Beispiel die, warum Schröder den Ball häufiger in den Händen hält als jeder andere Hawks-Spieler - von den noch aktiven Spielern in den Playoffs weisen nur LeBron James und Stephen Curry eine höhere Usage Rate auf als Schröder (30,2).

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"Schröder hat viel zu oft den Ball in der Hand. Er wird ein großartiger Spieler werden, aber Stand jetzt muss Teague über 40 Minuten der Ball-dominante Spieler sein", kommentierte Dan Wolken von USA Today das Dilemma der Hawks. "Jemand muss Schröder aufhalten, bevor es zu spät ist", meckerte Mike Prada von SBNation.

Es ist wie gesagt nicht fair, sämtliche Probleme des Teams an einem 21-jährigen Sophomore festzumachen. Budenholzer hätte sich früher eine Konterstrategie überlegen müssen, um auf die veränderte Defense gegnerischer Teams zu reagieren. Vielleicht mit mehr gemeinsamen Minuten für Schröder und Teague, auf jeden Fall aber mit weniger Usage.

Ein klares Ziel vor Augen

Vielleicht auch einfach mit weniger Spielzeit, wie es Budenholzer in den letzten beiden Partien (12 + 3 Minuten) machte. Mack ist als Schütze bei weitem nicht auf Korvers Niveau, freistehen lassen darf man ihn aber nicht, wie er in Spiel 3 gegen die Cavs untermauerte (3/7 3FG). Dadurch verdiente er sich die Minuten neben Teague, die sonst wohl Schröder bekommen hätte.

Schröder kann aus dieser vermeintlichen Degradierung nur lernen. Für junge Spieler ist es in den Playoffs nicht ungewöhnlich, plötzlich weniger Spielzeit zu bekommen - dem damals 21-jährigen Tony Parker wurde in den 2003er Finals auch mal Speedy Claxton vorgezogen. Parker nahm die Lektion an, der Rest ist Geschichte.

Schröder selbst hat immer betont, dass sein Hauptaugenmerk im Sommer darauf liegen wird, seinen Wurf zu verbessern. Korver hatte ihm angeboten, mit ihm daran zu arbeiten. Das ist für ihn der Schlüssel, um mit der Zeit von einer simplen Aufgabe zur unlösbaren Gleichung gegnerischer Coaches zu werden.

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