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Nur nichts überstürzen

Achtung, Tony: Russell Westbrook hat es auf den Ball abgesehen
© getty

Die ersten beiden Partien der Western Conference Finals dominierten die San Antonio Spurs. Nach dem 105:92-Erfolg (BOXSCORE) der Oklahoma City Thunder am Dienstag ist die Serie ausgeglichen und das Momentum ganz klar auf Seiten von Russell Westbrook und Kevin Durant. Spiel 5 könnte die Vorentscheidung bringen - und Grund zum Optimismus gibt es für beide Teams.

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Game 2. 112:77. 2-0. Die Spurs schießen die Thunder ab. San Antonio ist eine zu gut geölte Maschine. Tim Duncan ist unverwüstlich, Tony Parker zu clever, Manu Ginobili zu ginobilig. Gregg Popovich ist der beste Coach überhaupt. Scott Brooks überfordert, Westbrook vogelwild, Ibaka verletzt, Durant im Stich gelassen.

2012 wird sich nicht wiederholen. Unmöglich.

48 Stunden später. 105:92. 2-2. OKC gleicht aus. Die Thunder sind zu jung, zu schnell, zu athletisch. Westbrook ist eine Ein-Mann-Dampfwalze, Kevin Durant der MVP, Ibaka der X-Faktor. Brooks hat reagiert. Die Spurs sind alt, müde und können auswärts einfach nicht beim Herausforderer gewinnen.

2012 kann sich doch nicht wiederholen!? Unmöglich!

Irre Playoffs

Ernsthaft: Viel Glück dabei, in diesen Playoffs kühlen Kopf zu bewahren und nicht vorschnell zu reagieren. Die anhaltende Pacers-Misere zu Beginn, nein, da ist Hibbert, sind die Heat in Gefahr, nein, doch nicht, oder? Die Auftritte der Mavericks und Grizzlies - Favoritensterben? MVP aka. Mr. Unzuverlässig. Damian Lillard und LaMarcus Aldridge erobern die Welt - ups. Chris Paul ist besser als Westbrook, nein halt, Westbrook ist besser, nein, doch Parker, nein, Westbrook. Wer kommt da noch mit?

Nach einer unfassbaren Explosion von Westbrook, gepaart mit der üblichen Durant-Brillanz, stehen die Spurs plötzlich mit dem Rücken zur Wand. In der Nacht auf Freitag wartet ein Must-Win-Game im AT&T Center, denn wenn man den Trend mit den eigenen Fans im Rücken nicht schnellstens umkehrt, ist der Titeltraum wohl vorbei.

Aber halt! Prognosen nur auf eigene Gefahr. Wie "sagte" einst Kevin Garnett: Anything is possible! Also kurz durchatmen. Es gibt gute Gründe für die Spurs, trotz dieser Klatsche optimistisch in die kommende best-of-three-Serie zu gehen. Und es gibt gute Gründe für die Thunder, auf zwei weitere Siege zu hoffen. Hier sind sie.

Warum die Thunder Spiel 5 gewinnen werden

Manchmal erinnert Westbrook an einen LeBron James, der zu lange im Trockner war und etwas eingelaufen ist. Ein bisschen kleiner eben - aber sonst das gleiche Paket. Einfach unfassbar, was der Point Guard gegen das beste Team der Regular Season ablieferte. 40 Punkte, 10 Assists, 5 Rebounds, 5 Steals, nur 3 Turnover. Die erste 40-10-5-5-Performance in der Postseason seit einem gewissen Michael Jeffrey Jordan vor 25 Jahren. Vielleicht Russ' beste Performance überhaupt. In der Offense mit kontrollierten Dreiern und Pull-ups, mehreren Highlight-Layups und Dunks in Traffic, dazu eiskalt von der Linie. "Manchmal geht er einfach ab", staunte ein resignierter Ginobili. "Er hat solche Spiele drauf. Wenn er viele Jumper trifft, dann wird es echt schwer."

Wenn Westbrook sein inneres Feuer mit kühlem Kopf einsetzen kann, dann wird der Court für ihn zum Spielplatz - und selbst ein Superstar wie Parker vom Schaukelpferd geschubst. Nicht oft sieht man Panik in den Augen des französischen Maestros, aber an diesem Abend in Oklahoma City war es wieder soweit, wie aus dem Nichts kamen die schnellen Hände, die ihm selbst einfachste Aufgaben so richtig schwer machten. Und dabei spielte Parker zu Beginn gar nicht mal schlecht (8 Punkte, 3 Assists im ersten Viertel).

"Mein Job ist es, sowohl offensiv als auch defensiv gut zu spielen. Wenn man eine Championship gewinnen will, dann gehört das dazu", erklärte RW0 nach der Partie. Sein kongenialer Partner, der von Westbrook gleich 6 Körbe aufgelegt bekam, fasste es passend zusammen: "Es hat Spaß gemacht zuzuschauen." Vor allem durch den Point Guard erspielten sich die Thunder massive Vorteile in Sachen Steals (12:4), Turnover (7:13) und Fastbreak-Punkte (21:0!).

Ibaka als Game-Changer

So gut war das Top-Duo von Scott Brooks, dass Serge Ibaka nur zur Randnotiz wurde. Zumindest, wenn man die Statistiken anschaut. 9 Punkte, 8 Rebounds, 3 Blocks. 35 Minuten, vielleicht etwas viel für seine lädierte Wade. Aber die spanische Sprungfeder hat die Dynamik auf dem Court vollkommen verändert. "Mit Serge im Lineup können wir Dinge tun, die mit anderen Spielern nicht möglich sind", lobte Brooks.

Dass der Power Forward in den Köpfen der Spurs ist, gab Pop in der Pressekonferenz zu. Sie suchen die Herausforderung gegen Ibaka - und vernachlässigen den eigenen Game Plan. Bei Corey Joseph funktionierte es einmal, aber das war's dann auch. "Statt freie Mitspieler zu bedienen, sind wir törichterweise zum Korb gezogen", schimpfte die Coaching-Legende. "Daraus wurden dann Blocks." Und: "Wir hatten 7 Turnover in der ersten Hälfte, aber in Wahrheit 14, wegen den 7 Blocks [eigentlich nur 6]. Gegen solche Athleten muss man einfach cleverer spielen."

Fakt ist: Die Dominanz der Spurs in der Zone ist vorbei - und es geht rapide bergab. 66 Punkte in Spiel 1, danach 54, dann 40, dann 36. Neben Ibaka blüht dann auch noch Kendrick Perkins auf (10 Rebounds, 2 Blocks in 22 Minuten).

Das Momentum liegt derzeit wieder bei den Thunder, 2012 liegt in der Luft. Also alter gegen neuer MVP im Finale? Mitnichten. Denn so wie das Pendel zuletzt zur einen Seite ausschlug, kann es auch wieder zurückschwingen. 750 Kilometer weiter südlich.

Warum die Spurs Spiel 5 gewinnen werden

Wer hätte gedacht, dass der Heimvorteil in dieser Serie eine so große Rolle spielen würde? Eben jener könnte die angeschlagenen Spurs in die Finals befördern - und das, obwohl Popovich schon seit Jahren die Minuten seiner Stars zählt, um sie für die Playoffs frisch zu halten. Hätten Duncan, Parker und Co. mehr Kilometer auf dem Tacho, wenn die Thunder drei oder vier Spiele zusätzlich gewonnen hätten und den Top-Seed angegriffen hätten? Wohl kaum.

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Ausreichend Pausen sind den Spurs heilig. Deshalb strich er in Spiel 4 auch schon 18 Minuten vor dem Ende die Flagge und läutete mit seiner Bank die Garbage Time ein. "Ich habe den Sinn nicht gesehen", erläuterte er. Geht es auch etwas genauer? "Donnerstag." Mit Blick auf Spiel 5 verschaffte er seiner Bank wertvolle Spielzeit und schonte gleichzeitig seine Altstars. Zum Vergleich: Ibaka spielte lange, Durant (41 Minuten) und Westbrook (45) sogar noch viel länger. Klar, sie sind jünger, aber irgendwann gehen solche Stints auch an jungen Hüpfern nicht mehr spurlos vorbei - und wenn es im siebten Spiel sein sollte.

Rollenspieler klar besser

Dass sich San Antonio trotzdem den Heimvorteil über die gesamten Playoffs sichern konnte, zeigt, dass es eben nicht nur auf die Stars ankommt. Denn während sich die Big Three ein Päuschen gönnen, funktioniert das Team dennoch weiter. Und da liegt der große Vorteil gegenüber OKC: Man kann sich eben nicht immer darauf verlassen, dass Westbrook den inneren MJ rauslässt und im Verbund mit KD über 70 Punkte auflegt, bei sehr guten Quoten. Das ging in den letzten Wochen schon oft genug schief.

Und dann? Sieht man von den drei Stars ab, machte kein Spieler der Thunder in Spiel 4 mehr als 7 Punkte. Acht Spieler verbuchten zusammen 25 Zähler, bei mäßigen Quoten aus dem Feld und von der Linie. In dieser Hinsicht haben die Spurs einfach einen großen Vorteil. Man muss kein Prophet sein, um zu wissen, dass Pop seine Taktik noch mehr auf Westbrook und Durant ausrichten wird. Und dann? Nicht vergessen darf man zudem, dass Reggie Jackson im ersten Viertel umknickte und danach kein Faktor mehr war (1/5 FG).

Popovich und Heimvorteil

Bei aller Liebe zu Russ und KD: Ob die beiden allein reichen werden, um ein Spiel in San Antonio zu entführen, darf bezweifelt werden - denn besser als am Dienstag können sie eigentlich nicht spielen. Bleibt Ibaka. Wie groß sein Anteil am Umschwung wirklich war, wird auch daran abzulesen sein, wie die Thunder ohne Heimvorteil agieren. Kann er die riesige Lücke schließen, die in den ersten beiden Spielen zu beobachten war?

Popovich deutete in der Pressekonferenz bereits an, wie man gegen Ibaka spielen muss. Er wird es seinen Spielern bis Donnerstag noch einmal einbläuen. Die eigene Arena wird ein Tollhaus sein, die eigenen Fans stehen der Menge in Oklahoma City in nichts nach. Die Stars sind erfahren und ausgeruht. Man hat den besseren Coach. Man hat die besseren Rollenspieler. Danny Green ist daheim ein Anderer.

Neun Spiele in Folge hat man bei den Thunder verloren, gegen alle anderen Teams steht die Auswärtsbilanz in den vergangenen zwei Jahren bei 62-33. Aber wenn alles nach Plan läuft, dann könnte man sich sogar die zehnte Niederlage erlauben.

Die Playoffs im Überblick