NBA

Die Kündigung in der Schublade

Von Philipp Dornhegge
Frank Vogel und die Indiana Pacers hadern seit einigen Monaten mit ihrer Form
© getty

Die Indiana Pacers sind in diesem Jahr zum Siegen verdammt. Das bekommt aktuell vor allem der Head Coach zu spüren: Laut Medienberichten geht es um Frank Vogels Job. Ein Weiterkommen gegen die Atlanta Hawks ist die Minimalanforderung - wäre aber wohl nicht genug, um den 40-Jährigen zu retten.

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Kaum zu glauben, aber ganz offenbar doch wahr: Die Indiana Pacers stellen ihren Trainer in Frage. Nach dieser Saison - der drittbesten der Franchise-Geschichte seit dem Anschluss an die NBA -, nachdem man zum Topteam der Eastern Conference avancierte.

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Trainerkollegen fragen sich angeblich seit Monaten: Was ist da los in Indianapolis? Im März hatte sich Larry Bird, Präsident der Indiana Pacers, erstmals unzufrieden über sein Team geäußert und damit Spekulationen in den NBA Front Offices entfacht, wie sicher Head Coach Frank Vogel in seinem Sattel sitzt: "Oft gehen wir nicht aggressiv auf den Gegner, sondern lehnen uns zurück und warten ab, wie sich das Spiel entwickelt. Wir sind zu lässig, und das war schon während des starken Saisonstarts der Fall", so Bird damals gegenüber dem "Indianapolis Star". "Ich will damit Frank unterstützen, der mit seiner positiven Art so viel Erfolg hatte. Aber ich möchte ihn gleichzeitig in die Pflicht nehmen, seinen Spielern mehr Druck zu machen, wenn sie ihren Job nicht machen."

Absturz seit März 2014

Schon damals hätte man den Kommentar positiv wie negativ auslegen können, nur schien Kritik an einem Trainer, dessen Team sich in den ersten dreieinhalb Jahren seiner Amtszeit stets verbessert hat und an der Topbilanz der Eastern Conference schnupperte, zu diesem Zeitpunkt völlig unangebracht. Wenige Wochen später sieht das bereits anders aus.

Die Pacers sind mit einer 10-12-Bilanz seit dem 4. März in die Playoffs gestolpert und haben sich nur deshalb Platz eins im Osten gesichert, weil der Vorsprung auf die Miami Heat gerade eben groß genug war und der Meister im gleichen Zeitraum auch nicht besser drauf war (11-14). Auf dem Weg in die Postseason übte Roy Hibbert Kritik an den Mitspielern, spielt seither selbst unterirdisch. Lance Stephenson geriet auf der Bank mit George Hill aneinander, Paul George schienen private Nebenkriegsschauplätze zu beschäftigen.

Vor Spiel eins gegen die Atlanta Hawks soll sich Stephenson mit Neuzugang Evan Turner geprügelt haben. Der Vorwurf, den sich Vogel im Zusammenhang mit diesen Ereignissen gefallen lassen muss: Er habe seine Mannschaft nicht im Griff, sei in seiner Ansprache zu nett und positiv.

Shaw-Abgang als Problemherd?

Chris Broussard von "ESPN" berichtet, dass Insider seit einiger Zeit immer wieder darauf hinweisen, dass der Abgang von Ex-Assistant-Coach Brian Shaw - Shaw ist seit Saisonbeginn Head Coach der Denver Nuggets - ein herber Verlust gewesen sei. Er sei der perfekte Gegenpol zu Vogel gewesen und habe bereitwillig immer wieder den bösen Buben gespielt, wenn es darum ging, das Team wachzurütteln.

Beim sensationellen Saisonstart, der die Pacers schnell zu einem der Topfavoriten auf den Titel werden ließ, war davon freilich nichts zu spüren. Doch jetzt, wo der Gegenwind stärker wird, fehlt Indiana offenbar die harte Hand Shaws.

Vogel selbst hatte erst im Lauf der Vorsaison eine Vertragsverlängerung bis zum Sommer 2015 erhalten, läuft inzwischen aber Gefahr, es bis dahin gar nicht zu schaffen. Bird stellte vor dem Start der Playoffs zwar klar, dass er "zu 100 Prozent hinter Frank Vogel" stehe. Dennoch dürfte sich für den diesjährigen All-Star Game Head Coach des Ostens die Auftaktniederlage gegen die Hawks nicht positiv ausgewirkt haben.

Stephenson: Stolperstein für Vogel?

Speziell an Stephenson scheiden sich bei den Pacers die Geister. Der gebürtige New Yorker scheint außerdem die zentrale Personalie für Vogels Schicksal zu sein. Denn Bird ist ein großer Fan des extrovertierten Guards, hatte ihn selbst entdeckt, nach Indiana geholt und protegiert.

Vogel erkennt Stephensons enorme Bedeutung für das Spiel der Pacers an, weil er eine der wenigen kreativen Kräfte ist, die die Offense in Schwung bringen können. Mit fünf Triple-Doubles war er in dieser Kategorie in der abgelaufenen Regular Season die ligaweite Nummer eins. Gleichzeitig muss Vogel aber auch mit den Eskapaden und Alleingängen des 23-Jährigen klar kommen.

Und die stoßen nicht nur dem Head Coach zunehmend sauer auf: Hibberts inzwischen berüchtigte "Some selfish dudes"-Tirade bezog sich offenbar explizit auf Stephenson, dazu kamen die genannten Streits mit Hill und Turner.

Zudem ist es Vogel bisher nicht gelungen, Turners durchaus vorhandene Qualitäten stärker für das Team zu nutzen beziehungsweise seine Schwächen zu kaschieren. Der Flügelspieler war aus Philadelphia gekommen und gilt als schwacher Defensivspieler und ballverliebter Offensivspieler. Nur phasenweise hat er in der Verteidigung den erforderlichen Einsatz gezeigt, zu selten macht Vogel von den unbestrittenen Fähigkeiten des 25-Jährigen als Spielgestalter Gebrauch.

Ernüchternde Bilanz in Atlanta

Dass Vogel bisher fast überhaupt nicht mit Andrew Bynum planen konnte, einem weiteren Spieler, der während der Saison zum Team stieß, ist indes nicht die Schuld des Trainers. Bynums Knie lassen auch einen Einsatz in der ersten Playoff-Runde nicht zu.

So muss Vogel mit dem altbekannten Personal gegen die giftigen Hawks bestehen, gegen die Indiana vor allem auswärts traditionell Probleme hat. Im Februar beendeten die Pacers eine Misere von zwölf Pleiten in der Philips Arena in Folge, die Gesamtbilanz steht bei 105 zu 94 Siegen für Atlanta (Regular Season + Playoffs).

Auswärts hat Indiana 60 von 86 Regular-Season-Spielen gegen die Hawks verloren, in den Playoffs sieht es mit sieben Niederlagen und vier Siegen auch nicht prickelnd aus. Um einem ständigen Mismatch gegen die distanzwurfstarken Gegner aus dem Weg zu gehen, haben mehrere US-Journalisten bereits gefordert, den formschwachen Hibbert auf die Bank zu setzen.

Diesen Schritt vermeidet Vogel bisher - und das aus gutem Grund: Die Psyche des Centers ist fragil, und nur ein mental fitter Hibbert kann Indiana im weiteren Verlauf der Playoffs helfen, gegen Mannschaften wie Miami zu bestehen. Insofern gibt Vogel ihm Chance um Chance und hofft auf Besserung.

Hill glaubt an Rückkehr zu alter Stärke

Von dem 27-Jährigen abgesehen befindet sich das Team allerdings zur rechten Zeit im Aufschwung. Beim überlebenswichtigen Sieg in Spiel zwei war wieder die gewohnte Pacers-Aggressivität in der Defense zu sehen. Starspieler George ging als gutes Beispiel voran, der zuletzt lethargische Hill wirkte wieder motiviert, die Bankspieler Luis Scola und C.J. Watson sind in vorzüglicher Form. "Wir konnten uns einen 0-2-Rückstand einfach nicht leisten", sagte David West.

War die gute Leistung also nur dem besonderen Druck geschuldet, muss man in Atlanta wieder schwache Pacers erwarten? Hill glaubt nicht daran: "Wir haben wieder wie die alten Pacers vom Saisonbeginn gespielt, waren aktiv in der Defense und haben in der Offense den Ball laufen lassen. Alle haben heute großartig gespielt."

Jetzt also stehen die Auswärtspartien an. Dort wird man sich ein Bild davon machen können, ob der jüngste Erfolg eine Initialzündung war - oder doch nur ein Strohfeuer. Im schlimmsten Fall könnten die Meisterschaftschancen der Pacers schon in Runde eins erlischen. Genau wie Vogels Hoffnung auf einen Verbleib in Indiana.

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