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Vom German Wunderkind zu Dirkules

Von Tilman Rakers
Dirk Nowitzki spielt seit 1999 ununterbrochen für die Dallas Mavericks
© getty

2011 konnte sich Dirk Nowitzki endlich den großen Traum vom Titel in der National Basketball Association erfüllen. SPOX durchforstet für Euch die NBA-Statistikbücher, um aufzuzeigen, wie "Dirkules" hierzu im Stande war und kommt zum Schluss: Dirk Nowitzki ist der effizienteste unter den Topscorern der Playoffgeschichte.

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Als Dirk Nowitzki als neunter Spieler des NBA Draft 1998 von den Milwaukee Bucks für die Dallas Mavericks ausgewählt wurde, rechnete wohl kaum jemand mit einem Karriereverlauf, wie ihn Nowitzki seit seinem NBA-Debüt am 5. Februar 1999 gegen die Seattle SuperSonics hinlegte. Offenbar nicht mal die Dallas Mavericks - obwohl deren damaliger Coach und General Manager Don Nelson in Nowitzki einen Rookie-of-the-Year-Kandidaten sah.

Zwar hofft jeder General Manager, mit einem Lottery Pick einen zukünftigen Franchise Player ausfindig zu machen, doch wären sich die Mavs sicher gewesen, in Nowitzki einen solchen entdeckt zu haben, wären sie sicherlich nicht das Risiko eingegangen, ihren sechsten Pick an die Milwaukee Bucks gegen deren Draftpositionen neun und 19 zu tauschen - im Nachhinein eine der besten Wetten, die jemals bei einem Draft in der NBA abgeschlossen wurden.

Schließlich war Dallas' anvisierter Spieler Nowitzki tatsächlich noch an Nummer neun auszuwählen. Den zweiten First-Round Pick der Bucks nutzte Nelson in Verbindung mit dem eigenen 1999er First Round Pick zudem, um durch einen weiteren Trade an diesem Tag Point Guard Steve Nash von den Phoenix Suns nach Dallas zu lotsen.

Dirk überholt Havlicek

15 Jahre später wird Nowitzki in einem Atemzug mit den größten Spielern genannt, die die NBA je gesehen hat. In der Nacht von Dienstag auf Mittwoch zog Nowitzki in der Bestenliste der Scorer zunächst mit dem Zwölftplatzierten John Havlicek gleich, ehe er Hondo in der Partie darauf mit einem seiner besten Spiele dieser Saison endgültig hinter sich ließ. Beim 108:101-Auswärtssieg der Mavericks bei den Utah Jazz traf Nowitzki zwölf seiner 14 Feldwurfversuche für 31 Punkte (4 von 4 Dreier, 3 von 3 Freiwürfe) und erhöhte seine Karrierepunktzahl von 26395 auf 26426.

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Hält Nowitzki in den verbleibenden 16 Spielen dieser regulären Saison seinen derzeitigen Punktedurchschnitt von 21,5 Punkten pro Spiel, könnte er noch in dieser Saison die vor ihm liegenden Dominique Wilkins und Oscar Robertson überholen und die Top Ten knacken. Spielt er noch, wie erwartet, nach dieser Saison mindestens zwei, drei Jahre weiter, winkt sogar ein Sprung bis auf Platz sechs, wo derzeit Shaquille O'Neal mit 28596 Punkten in Reichweite liegt.

Nowitzki gleichwohl werden solche Zahlen frühestens nach dem Ablauf seiner aktiven Karriere interessieren, geht es doch für ihn und die Dallas Mavericks weiterhin nur ums gewinnen, um den Einzug in die Playoffs - den 13. in seiner 16. Spielzeit. Nach dem Sieg von Mittwochnacht liegen die Mavs mit einer Bilanz von 39 zu 27 zwei Spiele vor den Phoenix Suns (36-28) und haben nach einem schweren Auswärtsspiel bei den Oklahoma City Thunder am Sonntag die Chance, sich in acht Heimspielen in Folge einen entscheidenden Vorteil gegenüber den Suns zu verschaffen und die vor ihnen liegenden Teams im Kampf um eine bessere Ausgangssituation für die Playoffs unter Druck zu setzen.

Mavs vor den Lakers

Bei einem statistischen Blick auf seine bisherige Karriere wird eine Zahl aber vielleicht auch bereits jetzt auf Nowitzkis Interesse stoßen, lässt sich daran doch direkt ablesen, dass er zusammen mit Spielern wie Tim Duncan, Shaquille O'Neal, Kobe Bryant, Kevin Garnett, Dwyane Wade oder LeBron James die Ära nach Michael Jordans zweitem Rücktritt vom Basketball 1998 dominiert hat: Seit Nowitzkis erstem Auftritt gegen die Seattle SuperSonics mit Deutschlands erstem NBA-Star Detlef Schrempf haben die Dallas Mavericks in der regulären Saison 795 Spiele gewonnen und mit der Bilanz von 795 Siegen zu 453 Niederlagen in diesem Zeitraum die zweitbeste Bilanz aller NBA Teams nach den San Antonio Spurs (880-453) - noch vor den Los Angeles Lakers (783-463).

Eine Bilanz, auf die Nowitzki und die Mavs mit Stolz zurückblicken können. Eine Bilanz aber auch, die ohne den Titel von 2011 einen Makel gehabt hätte. Ohne den Run zur Championship mit dem 4:2-Finalsieg gegen die Miami Heat, durch den Nowitzki endgültig zu einem der angesehensten deutschen Sportler aller Zeiten wurde, hätte sich der Ruf gehalten, dass die Mavericks und Nowitzki zwar in der regulären Saison Spitzenbasketball zeigen können, aber in den Playoffs versagen.

Ein Muster an Konstanz

Ein Ruf, der zeigt, wie eng Heldentum und Versagersein im Sport beieinander liegen. Ein Ruf allerdings auch, der für genaue Beobachter seiner Karriere nicht falscher hätte sein können. Denn Nowitzki war nicht nur in Spielen der regulären Saison ein Musterbeispiel an Konstanz, sondern auch in den Playoffs. Seine größte Stärke ist ohne Zweifel der Wurf und seine Fähigkeit enorm effizient zu scoren, weshalb auch beim Blick auf Nowitzkis Statistiken wie bereits zuvor im Vergleich von LeBron James und Kevin Durant die True Shooting Percentage eine zentrale Rolle einnimmt.

Nach Anpassungsschwierigkeiten in seiner ersten Saison, die sich auch in seiner schwächsten True Shooting Percentage von 49,1 Prozent widerspiegelt, hat Nowitzki in der regulären Saison True Shooting Percentages zwischen 56,1 Prozent (2003/2004) und 61,2 Prozent (2010/2011) aufzuweisen. Seine nun 26426 Punkte oder 22,5 Punkte pro Spiel hat Nowitzki mit einer durchschnittlichen True Shooting Percentage von 58,2 Prozent erzielt. Von den elf Spielern der Bestenliste, die derzeit noch vor ihm liegen, haben nur Kareem Abdul-Jabbar (59,2 Prozent) und Shaquille O'Neal (58,6 Prozent) ihre Punkte im Durchschnitt mit höherer Effizienz erzielt.

Effektiver als Michael Jordan

In den Playoffs kommt Nowitzki in seinen bisher 128 Auftritten bei 25,9 Punkten im Schnitt auf eine leicht höhere True Shooting Percentage von 58,4 Prozent und ist damit sogar der einzige Spieler der Ligageschichte, der mehr als 25 Punkte im Schnitt über eine solche Spieleanzahl mit einer True Shooting Percentage von über 58 Prozent erzielen konnte. Ein Michael Jordan (33,4 Punkte im Schnitt) kommt in seinen 179 Partien auf eine True Shooting Percentage von 56,8 Prozent, Hakeem Olajuwon (145 Spiele, 25,9 PPG) auf 56,9 Prozent und LeBron James (138 Spiele, 28,1 PPG) auf 56,7 Prozent.

Der einzige Spieler, der in mehr als zehn Playoffspielen einen Punkteschnitt von über 25 Punkten pro Spiel mit einer höheren Effizienz erzielt hat, ist Kevin Durant. KD weist in seinen bisher 54 Playoffspielen für 28,6 Punkte pro Spiel eine True Shooting Percentage von 58,8 Prozent auf. Damit scheint er unter den aktiven Spielern am ehesten in der Lage, Nowitzki als - wenn man es so nennen möchte - effizientesten Scorer der Playoffgeschichte ablösen zu können, sollte er in den nächsten Jahren ähnliche konstant wie der Deutsche scoren.

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Vor dem Finalsieg 2011 waren vielen Fans dennoch insbesondere die Finalniederlage 2006 gegen die Miami Heat und das 2007er Erstrundenaus als an Nummer eins gesetztes Team gegen die Nummer acht Golden State Warriors in Erinnerung geblieben. Rückschläge, die nicht wenige die Mavs und Nowitzki in Frage stellen ließen.

2011 als Wendepunkt?

Entsprechend wenig verwunderlich sprachen viele Beobachter in den 2011er Playoffs von einem völlig veränderten Nowitzki, der nun plötzlich alles richtig machte, was er zuvor angeblich verbockt hatte. Dabei hatte Nowitzki außer den Enttäuschungen gegen die Heat und Warriors vor dem 2011er Finalsieg gerade einmal eine weitere Playoffserie mit einer - für seine Verhältnisse - weit unterdurchschnittlichen Leistung gespielt: 2004/2005 kam Nowitzki mit der Verteidigung der damals von Defensivguru Jeff Van Gundy trainierten Houston Rockets nur schwer zurecht und konnte seine 21,3 Punkte pro Spiel in dieser Serie nur mit einer True Shooting Percentage von 47,6 Prozent erzielen.

Dennoch zogen die Mavericks dank eines 4:3 in die nächste Runde ein. Auf dem Weg in die Finals 2006 spielte Nowitzki in den Conference Semifinals gegen die San Antonio Spurs die vielleicht kompletteste Serie seiner Karriere, als er neben seinen 27,1 Punkten pro Spiel bei einer True Shooting Percentage von 65,4 Prozent auch 13,3 Rebounds pro Partie herunterpflückte und das entscheidende Spiel sieben mit einem krachenden Dunk, bei dem er gefoult wurde, und folgendem Bonuswurf in die Verlängerung schickte, die Dallas mit 15:7 für sich entschied.

Einen vergleichbar effizienten Scoring-Lauf inklusive Finals, wie ihn Nowitzki in den 2006er Playoffs hatte (27 Punkte pro Spiel, 59,6 Prozent True Shooting Percentage), legten vor ihm in der Playoffgeschichte nur Kareem Abdul-Jabbar 1974 für die Milwaukee Bucks (32,2 PPG, 58,3 Prozent), Larry Bird 1984 für die Boston Celtics (27,5 PPG, 60,7 Prozent), Michael Jordan 1991 für die Chicago Bulls (31,1 PPG, 60 Prozent) und gleichzeitig 2006 Dwyane Wade für die Miami Heat (28,4 PPG, 58,4 Prozent) hin. Und seither? Dirk Nowitzki 2011 (27,7 PPG, 60,9 Prozent) und Kevin Durant 2012 (28,5 PPG, 63,2 Prozent).

Johnson bringt Veränderung

Natürlich stimmt die Beobachtung, dass sich Nowitzkis Spielweise verändert hat, dennoch, denn als akribischer Arbeiter feilte die Nummer 41 während ihrer gesamten Karriere immer weiter an ihrem Spiel. Ein erster sichtbarer Einschnitt kam 2004/2005 mit dem Trainerwechsel von Don Nelson zu Avery Johnson, der 1999 zum Meisterteam der San Antonio Spurs um den jungen Tim Duncan und David Robinson gehört hatte.

Johnson entwickelte die Mavs, die unter Nelson und mit dem Trio Dirk Nowitzki, Steve Nash und Michael Finley zuvor für enormen Tempobasketball bekannt waren, immer mehr zu einem langsamer spielenden Half-Court-Team. Für Nowitzki bedeutete dies, dass er immer mehr aufgepostet wurde, beziehungsweise sich in Isolationssituationen auf Höhe der verlängerten Freiwurflinie wiederfand und deutlich weniger Dreier nahm.

Dreieranteil deutlich gesunken

So ging sein Anteil an Würfen von jenseits des Perimeter in den vergangenen Jahren entgegen dem allgemeinen Trend von 31,3 Prozent (2000/2001) bis auf einen zwischenzeitlichen Tiefstwert von 8,1 Prozent (2008/2009, als bereits Rick Carlisle von Johnson den Trainerposten übernommen hatte) zurück. Nowitzki entwickelte eine Fülle von Moves um sich einen eigenen Wurf zu kreieren - am bekanntesten ist natürlich der im Grunde nicht zu verteidigende, einbeinige Fadeaway.

Erst Rick Carlisle fand allerdings die richtige Mischung zwischen Tempo- und Half-Court-Basketball, beziehungsweise hatte mit Jason Kidd, Jason Terry, Shawn Marion, Tyson Chandler oder J.J. Barea den passenden Supporting Cast für Nowitzki, um 2011 endlich den großen Traum des ersten Titels zu verwirklichen.

2011 nur leicht effizienter als 2006

Obwohl der Deutsche, der 2006 in den Finals seine Punkte mit einer True Shooting Percentage von 53 Prozent erzielt hatte, in den 2011er Finals mit einer True Shooting Percentage von 53,7 Prozent im Durchschnitt nur leicht effizienter als 2006 scorte, half ihm das Fine Tuning seines Spiels, um 2011 in den entscheidenden Situationen zu punkten. Geht es um einen einzigen Korb, der über Sieg oder Niederlage entscheidet, sind einfache Stats wie Field Goal Percentage und Dreierquote natürlich ein besserer Indikator, ob ein Spieler diesen einen Wurf verwandeln kann oder nicht.

2010/2011 war Nowitzki mit einer Feldwurfquote von 51,7 Prozent bereits in der regulären Saison, was diesen Bereich seines Spiels angeht, auf dem Höhepunkt seines Spiels und auch in den Playoffs hatte er mit 48,5 Prozent die dritthöchste Feldwurfquote seiner Playoffkarriere aufzuweisen. In Erinnerung geblieben sind natürlich insbesondere seine Körbe, mit denen er Spiel zwei und Spiel vier in den Finals gegen die Heat entschied respektive vorentschied. Der Layup nach einem Spinmove gegen Chris Bosh in Spiel zwei zum 95:93-Endstand und der Layup gegen Udonis Haslem in Spiel vier zum zwischenzeitlichen 84:81.

Rückkehr zu gewohnter Effektivität

In dieser Saison ist Nowitzki - obwohl er wieder mehr Dreier nimmt (24,9 Prozent seiner Wurfversuche aus dem Feld) - nach zwei durch Verletzungen und Lockout beeinflussten Saisons wieder auf einem ausgesprochen hohen Niveau angekommen. Seine Feldwurfquote ist mit derzeit 49,5 Prozent die dritthöchste seiner Karriere nach 2010/2011 und seiner MVP-Saison 2006/2007, als ihm das Kunststück gelang, nicht nur 50,2 Prozent seiner Feldwürfe, sondern auch 41,6 Prozent seiner Dreier und 90,4 Prozent seiner Freiwürfe zu verwandeln.

Von der Dreierlinie trifft Nowitzki in diesem Jahr 39,8 Prozent, von der Freiwurflinie 91,7 Prozent (Ligahöchstwert). Zusammen genommen führt dies dazu, dass er seine 21,5 Punkte pro Spiel in diesem Jahr erst zum dritten Mal nach 2006/2007 (60,5 Prozent) und 2010/2011 (61,2 Prozent) mit einer True Shooting Percentage von über 60 Prozent (60,2) erzielt. Sein Shot Chart zeigt übrigens, wie herausragend er mittlerweile auch von überall innerhalb der Dreipunktelinie punktet.

Hieraus abzuleiten, dass Nowitzki und den Mavs bereits in dieser Saison erneut ein langer Playoffrun gelingen könnte, wäre aber wohl verfrüht, da die Ausgangssituation als derzeit Achter noch sehr ungünstig ist. Ein einziges Team - die 1999er New York Knicks - hat es bisher geschafft, als Achtplatzierter einer Conference in die Finals einzuziehen. Nowitzki zeigt aber, dass er immer noch zu den Besten gehört.

Hält er seinen Punkteschnitt von 21,5 Punkten, wäre er übrigens erst der dritte Big Man nach Kareem Abdul-Jabbar und Karl Malone, der einen solch hohen Punkteschnitt im Alter von mindestens 35 über eine Saison erzielen konnte. Eine bessere Werbung für potenzielle Neuzugänge, mit denen Dallas vor Nowitzkis Karriereende vielleicht doch noch einen weiteren Run auf die Finals hinlegen könnte, kann es eigentlich kaum geben. Und wer weiß? Vielleicht wird es dann noch etwas mit dem großen Traum vom zweiten NBA-Titel für Deutschlands besten Basketballspieler aller Zeiten.

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