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Das Monster, das keiner wollte

Von David Digili
Nikola Vucevic wurde 2011 von den Philaldelphia 76ers an 16. Stelle gedraftet
© getty

Nikola Vucevic landete im Zuge des Dwight-Howard-Wechsels 2012 bei den Orlando Magic. Der 23-jährige Center ist mittlerweile zum Eckpfeiler des jungen Teams geworden, sammelt Double-Doubles - und macht die Magic spät zum heimlichen Gewinner des Monster-Trades.

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Es war nicht nett, auch nicht freundlich und schon gar nicht ruhig. Was genau Nikola Vucevic aber zu Orlando-Magic-Coach Jacque Vaughn vor dem Heimspiel gegen die Los Angeles Clippers an diesem 6. November sagte, wurde nicht öffentlich. "Ich will es mal so sagen: Es war klar, dass er spielen und den Ball in seinen Händen haben wollte" beschrieb Vaughn die Situation, die sich kurz vor Beginn der Partie zutrug.

30 Punkte und 21 Rebounds des Montenegriners später stand die Überraschung, das 98:90 über den Favoriten. "Er war heute ein echtes Monster", staunte Teamkollege Arron Afflalo danach, und auch Vaughn war beeindruckt: "Das war eine Premiere in unserem Verhältnis, und ich freue mich über Niks Feuer. Es ist toll, das mitzuerleben."

"Mit nichts abspeisen lassen"

Wie sich die Zeiten doch ändern können. Noch im Sommer 2012 sah alles ganz anders aus. Der "Dwightmare" war gerade in seinen letzten Zügen, am Ende wurde es ein Trade zwischen gleich vier Teams: Dwight Howard bekam seinen ersehnten Wechsel weg aus Orlando und ging zu den Lakers, die schickten Andrew Bynum wiederum zu den Philadelphia 76ers, die ihren Franchise Player Andre Iguodala nach Denver verfrachteten.

Und die Magic? Die verloren ihren Center, dazu noch Backup Earl Clark und Guard Chris Duhon an die Kalifornier, dazu Jason Richardson an Philly. Bekamen dafür gleich eine Handvoll Spieler, für die niemand wirklich Verwendung zu haben schien: Afflalo, Al Harrington, Moe Harkless, Josh McRoberts und Christian Eyenga, verschiedene Future-Draft-Picks - und eben Nikola Vucevic, damals gerade 21 Jahre alt. Nach einer mäßigen Rookie-Saison für die 76ers ohne viel Einsatzzeit und damit auch ohne aufregende Stats.

Gerade einmal 5,5 Punkte und 4,8 Rebounds im Schnitt standen auf dem Stat-Sheet für Vucevic - 15,9 Minuten pro Spiel unter Coach Doug Collins ließen nicht mehr zu. "Die Magic haben sich ja mit so gut wie nichts abspeisen lassen" ging damals ein Raunen durch Orlando-Fankreise. Viele hätten selbst Andrew Bynum lieber im weiß-blauen Jersey gesehen als den jungen Montenegriner. Das Magic-Management aber wollte das Risiko mit dem verletzungsanfälligen Center nicht eingehen.

Orlando als Trade-Gewinner

Etwas mehr als eine Saison, einem weiteren Howard-Wechsel und weiteren Bynum-Trubel später steht fest: Trotz einer Spielzeit 2012/13 zum Vergessen, mit einer Bilanz von 20:62 Siegen - die Orlando Magic können, Stand heute, als die personellen Gewinner des damaligen Monster-Geschäfts gesehen werden, und Vucevic hat einen maßgeblichen Anteil daran.

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"Der Schlüssel zur Zukunft der Orlando Magic heißt: Geduld" titelte kürzlich ein Artikel auf der offiziellen Website der Magic - und allein schon diese Headline illustrierte das Potenzial, das in Disney World schlummert. Der Großteil des Teams wird in den nächsten zwei Jahren entweder zu Restricted oder gar Unrestricted Free Agents, das Magic-Frontoffice wird sich entscheiden müssen, ob sie Geld in die Hand nehmen, auf Neuzugänge setzen oder eine Mischung finden.

Afflalo (Spieleroption 2015) spielt ein Career-Year, wird schon als All-Star gehandelt, Rookie Victor Oladipo (Teamoption 2015) zeigt, dass er zurecht ein Top-Pick beim Draft war, dazu der erfahrene Passgeber Jameer Nelson (FA 2015) und Ergänzungen wie Glen Davis (FA 2015), Andrew Nicholson (TO 2015) oder Tobias Harris (RFA 2015). Was aktuell noch eher in den unteren Rängen der Eastern Conference zu finden ist, kann aber für Optimismus im Blick auf die kommenden Jahre sorgen. Eckpfeiler des Teams aber ist dieser Nikola Vucevic.

"Es war frustierend"

Beim näheren Blick auf den Center wird klar: Bessere Voraussetzungen hätte es gar nicht geben können. Vucevic kommt aus einer Sportlerfamilie. Vater Borislav war selbst Nationalspieler für das damalige Jugoslawien, ebenso Mutter Ljiljana. Er wurde im schweizerischen Morges geboren, wuchs zeitweise in Belgien auf, wo der Papa gerade aktiv war. Später ging es aber zurück nach Montenegro, wo er 2007 zum besten jungen Spieler gewählt wurde.

Im Oktober jenes Jahres schrieb er sich an der Stoneridge Prep in Kalifornien ein, für sein letztes High-School-Jahr. Der damals 17-Jährige sprach nur wenige Wörter Englisch, er verständigte sich zunächst fast ausschließlich auf französisch, das zu seinem Glück auch dort viele Schüler beherrschten - und Coach Babacar Sy, ein alter Weggefährte seines Vaters. Der Neuling konnte sofort als Teamkapitän überzeugen, mit 18 Punkten und zwölf Rebounds im Schnitt.

Nach einem verhaltenen Freshman-Jahr an der University of Southern California folgte der Durchbruch am College im zweiten Jahr. Für die Trojans stellte er mit 18 Punkten und 8 Rebounds bereits im ersten Spiel seiner Sophomore-Saison neue Bestmarken auf. Werte, die ihn als Starter etablierten und zum Most Improved Player der Pac-10 machten. 2011, nach einer erneut verbesserten Junior-Saison mit 17,1 Punkten und 10,3 Rebounds pro Spiel, meldete sich der talentierte Youngster zum Draft.

Die Philadelphia 76ers entschieden sich für Vucevic an 16.Stelle - doch in der "City of Brotherly Love" bekam er anschließend kein Bein auf den Boden. Dabei hatte er noch während der Lockout-Zeit in Europa für KK Buducnost in Montenegro gespielt, zeigte mit 16,9 Zählern und 8,7 Rebounds starke Ansätze. "Es war frustierend", sagte Vucevic kürzlich im Rückblick auf sein Rookie-Jahr. "Als der Trade nach Orlando zustande kam, dachte ich: Das ist endlich die Gelegenheit für mich, mehr Einsatzzeit zu bekommen und mich zu beweisen." Er sollte Recht behalten.

Ausbaufähiges Spiel

Schon im letzten Jahr waren es 13,1 Punkte und 11,9 Rebounds im Schnitt, Platz zwei ligaweit hinter Howard. Dazu übertraf er bei der knappen 110:112-Overtime-Niederlage am 31. Dezember gegen Miami Shaqs Franchise-Rekord für Rebounds in einem Spiel, pflückte mit 29 Boards noch einen mehr als der "Big Fella" im November 1993.

"Shaq ist einer der besten Spieler aller Zeiten, auf dem Court hat er dominiert wie kein anderer. Dass ich jetzt seinen Rekord noch übertreffen konnte, ist eine Ehre für mich." Nicht umsonst war er lange im Rennen um den Titel des Most Improved Player.

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Aktuell legt der 2,13-Meter-Mann noch vielseitigere Zahlen auf als in seinem letzten Durchbruch-Jahr: 13,9 Zähler, 11,5 Boards und 2,2 Assists pro Partie, er ist Lichtblick und Zukunftshoffnung zugleich. Das Team baut auf seine Konstanz und Zuverlässigkeit, aktuell sind es 13 Double-Doubles in dieser Saison, nur neun Spieler waren bisher besser. Ist seine Arbeit beim Rebound zwar schon überragend, so ist auch klar: Es gibt noch viel Luft nach oben.

Gerade beim Post-up-play muss er sich noch verbessern, oft fehlte ihm noch das Durchsetzungsvermögen gegen physische Gegenspieler, er muss den eigenen Korb besser verteidigen. Offensiv erzielte der Mann mit der Nummer neun auf dem Trikot dazu bisher einen Großteil seiner Punkte aus unmittelbarer Korbnähe, wo er variabel mit beiden Händen abschließen kann, obwohl er durchaus auch aus der Distanz ein gutes Händchen hätte.

Nelson: "Nik verdient Vertrauen"

Coach Vaughn bestätigte schon, dass der 23-Jährige noch im Lernprozess ist. "Klar hat er noch eine Menge Arbeit vor sich, das weiß er selbst auch. Bei Double Teams macht er schon deutliche Fortschritte, kann die Situationen besser lesen und besser entscheiden, ob er dann den Pass spielen sollte oder selbst den Korb attackiert." Auch das Zusammenspiel mit Teamkapitän Nelson funktionierte bisher immer besser: "Nik möchte den Ball haben - welcher Big Man will das denn nicht? Er verdient das Vertrauen", lobte ihn der Veteran bereits.

Vucevic selbst reagierte bisher nüchtern auf die Lobeshymnen. "In Orlando fragten mich die Leute sofort, ob ich Dwight Howard ersetzen könne - das habe ich aber nie so gesehen. Dwight ist einer der besten Spieler der Magic-Geschichte, ich könnte ihn niemals so einfach ersetzen. Ich gebe einfach mein Bestes, und bisher klappt es." Wie sich die Zeiten doch ändern können.

Der Kader der Orlando Magic

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