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Warten auf Mr. 81 Points

Von Philipp Dornhegge
Im Januar 2006 erzielte Kobe Bryant gegen die Toronto Raptors 81 Punkte
© getty

Mit einem überraschenden Auswärtssieg hatten die Raptors vor einigen Wochen Kobe Bryants Comeback-Party gestört. Jetzt kommt es in Toronto zum Rematch (So. ab 19 Uhr im LIVE-STREAM). Das ist die Chance für die L.A. Lakers zur Revanche. Oder spielen die Kanadier mittlerweile in einer anderen Liga? Kyle Lowry und DeMar DeRozan gelten als All-Star-Kandidaten.

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Ausgangslage:

Ohne Frage hat der Sieg im Klassiker gut getan. Die Celtics zu schlagen ist für die Lakers und ihre Fans immer enorm wichtig. Doch dieser eine Erfolg kann nicht darüber hinwegtäuschen, dass die Kalifornier aktuell so schlecht sind wie seit Jahrzehnten nicht mehr.

Die Lakers waren in den letzten Wochen Kanonenfutter für eine ganze Reihe von Topteams, verloren aber auch gegen Utah, Philadelphia, Milwaukee und Cleveland.

Seit dem 21. Dezember kassierte man in zwölf von 14 Spielen eine Pleite, nur im Rematch mit Utah und nun gegen Boston reichte es zu einem Sieg. Kobe Bryants Comeback war emotional, die erneute Verletzung kurz vor Weihnachten ein weiterer Tiefschlag für eine Truppe, die wahrlich genug mit Verletzungen zu kämpfen hat.

Die Misere auf der Point-Guard-Position (Steve Nash, Steve Blake und Jordan Farmar fallen aktuell aus) hatte aber auch einen positiven Effekt: Kendall Marshall wurde zunächst als Notnagel verpflichtet, leitet das Spiel seiner Mannschaft aber überraschend stark. Ob der mit einer guten Übersicht ausgestattete Linkshänder allerdings Kyle Lowry im Zaum halten kann, ist fraglich.

Marshall ist einfach zu fußlahm, um den pfeilschnellen Spielmacher der Raptors sowohl offensiv als auch defensiv ernsthaft zu gefährden. Lowry steht mit seinem aktuellen Formhoch für eine grundsätzliche Kursänderung seiner Mannschaft.

Zum Zeitpunkt des Hinspiels gegen die Lakers am 8. Dezember lag die Bilanz bei 6-12, Toronto war damit eine der vielen Enttäuschungen der Eastern Conference und gewann zum damaligen Zeitpunkt doch überraschend im Staples Center (die Lakers lagen bei 10-9). Gleichzeitig ging dabei das erwähnte Comeback von Lakers-Ikone Kobe Bryant in die Hose.

Der Auftritt bei den Lakers fiel mit dem Trade von Rudy Gay nach Sacramento zusammen, seit diesem Zeitpunkt passt's in Toronto. Die Bilanz liegt seither bei 14-6, zuletzt gewann das Team von Coach Dwane Casey neun von zwölf Partien.

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Die Stars der Teams:

Wie schnell sich die Wahrnehmung eines Spielers doch ändern kann! Vor wenigen Monaten war DeMar DeRozan noch ein Highflyer ohne nennenswerte Defense, dafür mit einem wackligen Wurf und dem Hang zur One-Man-Show. Seit dem Gay-Trade ist davon nichts mehr zu spüren.

Der Flügelspieler der Raptors ist momentan die unumstrittene erste Option (auch wenn Lowry der Leader auf dem Court ist) und scheint durch diese Sicherheit neues Vertrauen geschöpft zu haben. Vertrauen in sich, Vertrauen aber auch in die Mannschaftskollegen und den Trainerstab. DeRozan muss niemandem mehr beweisen, dass er scoren kann, sondern sucht und findet immer besser freistehende Spieler.

Weil Toronto ohne Gay deutlich mehr Pick'n'Rolls spielt und sich mehr ohne Ball bewegt, bringen die Kanadier die gegnerische Defense viel besser ins Rotieren und kreieren so mehr offene Würfe und Lücken, um in die Zone zu schneiden. DeRozan hat seine Werte ohne Gay auf 21 Punkte, 5,3 Rebounds und 4,6 Assists geschraubt. Hat er damit Chancen auf eine All-Star-Nominierung?

Bei den Lakers könnte ein Kobe Bryant über solche Zahlen in Bestform wohl nur müde lächeln. Aber die Black Mamba ist weiterhin außer Gefecht, weshalb der aktuelle Star des Teams Pau Gasol ist. Der Spanier wird auch in diesem Jahr viel kritisiert und musste zahlreiche Tradegerüchte verkraften.

Doch Gasols Zahlen lassen nicht erkennen, warum er so dermaßen in Ungnade gefallen ist. Der Big Man mag oft lustlos wirken, doch 16,2 Punkte (Career-Low 46 Prozent Trefferquote), 9,8 Rebounds und 3,5 Assists und 1,4 Blocks sind mehr als solide Durchschnittswerte. Gasol ist auch mit 33 Jahren ein Schlüsselspieler, und das obwohl er sich in Mike D'Antonis System nicht wohl fühlt und die wenigsten Minuten seiner Karriere spielt (31,1 pro Spiel).

Kein Spieler außer Bryant und Kendall Marshall hat ein so feines Auge wie Gasol, aus dem Low Post kann er Angriffe inszenieren wie kaum ein zweiter Spieler. Im letzten Spiel, beim Sieg über den Erzrivalen Boston Celtics, demonstrierte Pau Gasol mit 24 Punkten, 13 Rebounds und 6 Assists eine bärenstarke Form, die sich schon durch den ganzen Januar zieht.

In acht Spielen im neuen Jahr (sechs Niederlagen) kommt Gasol auf 20,3 Punkte (51,2 Prozent Field Goals), 11,8 Rebounds, 5 Assists und 1,6 Blocks. Überragend.

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Das Schlüsselduell:

Terrence Ross gegen Nick Young. Wollen die Lakers eine Chance haben, hängt viel von Nick Young ab. Neben Pau Gasol ist der Swingman der verlässlichste Scorer der Gäste, sorgte zuletzt aber für Ärger, als er in Phoenix Goran Dragic schlug und dann seine Mitspieler beschimpfte, weil sie ihn nicht unterstützten. Young wurde für ein Spiel gesperrt und verpasste damit den Sieg gegen Boston.

Gegen Toronto werden die Lakers nicht ohne Young auskommen. Allerdings wird er es nicht leicht haben gegen die stark verbesserte Defense der Kanadier, die die Atlantic Division aktuell souverän anführen und mit Terrence Ross einem Spieler zunehmend Spielzeit geben, der in der letzten Saison eigentlich nur mit dem Sieg beim Slam Dunk Contest aufgefallen war.

Doch das Talent des Youngsters ist unbestritten, und es beschränkt sich nicht nur auf eine starke Athletik und einen butterweichen Wurf. Ross ist auch ein guter Verteidiger, der schnelle Beine, taktische Disziplin und gute Antizipation zu einem Gesamtpaket geschnürt hat, mit dem er Youngs Kreise einengen kann.

Da die Raptors mit DeRozan, Lowry und Big Man Jonas Valanciunas gute Scoring-Optionen haben, kann sich Ross umso mehr auf die Defense konzentrieren.

Geschichte:

Man muss nicht lange überlegen, bis einem ein denkwürdiges Spiel zwischen den Raptors und Lakers einfällt. Am 22. Januar 2006 schien es zunächst auf ein ganz gewöhnliches Spiel im Staples Center hinauszulaufen.

Die Raptors stellten einmal mehr eine miserable Mannschaft und trugen eine deutlich negative Bilanz vor sich her (14-26), die Lakers waren mit ihrer berüchtigten Startaufstellung aus Kobe Bryant, Lamar Odom, Kwame Brown, Chris Mihm und Smush Parker unterwegs.

Man durfte ein lahmes Spiel erwarten, stattdessen wurde es eins der meisterwähnten der NBA-Geschichte. Und das hing nur mit einem Mann zusammen: Kobe Bryant. Denn das Duell mit Toronto war dieses Spiel, in dem der Megastar 81 Punkte erzielte und damit die zweitmeisten, die je in einem NBA-Spiel aufs Scoreboard gezaubert wurden (nur Wilt Chamberlain war mit 100 Punkten ein Mal besser).

"Davon habe ich selbst nicht mal geträumt", sagte Bryant anschließend. "Es ist einfach passiert, ich kann es nicht erklären. Ich habe es ein bisschen forciert, weil ich gewinnen wollte. Und daraus ist ein ganz besonderer Abend für mich geworden."

Bryant machte an diesem Abend 27 Punkte im dritten und 28 Punkte im vierten Viertel und drehte einen Halbzeitrückstand im Alleingang. Nie war dieser Ausdruck treffender. Wenn man sich dann vor Augen führt, dass Kobe gut einen Monat zuvor schon mal 62 Punkte in drei Vierteln erzielte hatte...

Die fabelhafte Welt des Swaggy P

Rookies:

Die Raptors hatten im Draft 2013 keinen Draft Pick, hatten sich lediglich nach der Summer League mit Dwight Buycks verstärkt. Der 24-jährige Spielmacher hat bereits D-League- und Auslandserfahrung, gilt aber als Rookie, weil er mit den Raptors erstmals NBA-Spielzeit bekam.

Im Dezember stand Buycks noch einige Mal auf dem Court, konnte seine Chancen aber nicht nutzen. Sein bestes Spiel machte er am 10. Dezember gegen die Spurs, als er 10 Punkte, 5 Rebounds, 3 Assists und 3 Steals ansammelte. Seitdem bekam er jedoch nur noch eine Minute Spielzeit, seit dem Gay-Trade, der Greivis Vasquez nach Toronto brachte, ist Buycks außen vor.

Die Lakers hatten ebenfalls keinen First-Round Pick im Draft, konnten in der zweiten Runde aber Ryan Kelly ergattern. Der ehemalige Duke Blue Devil ist groß und kann werfen, damit erschöpfen sich seine hervorstechenden Qualitäten aber auch schon.

Zuletzt war der Youngster einer derjenigen, an die Nick Young seine Wutrede gerichtet hatte. Als sich Young mit den Suns "prügelte", standen Kelly und Marshall unbeteiligt daneben.

Anschließend nannte ihn der siebenmalige NBA-Champion Robert Horry einen schlechten Teamkollegen: "Kelly, Du hast direkt daneben gesessen, als die Morris-Zwillinge deinen Mitspieler angegangen sind, und hast nichts unternommen. Du sitzt da rum und schaust unbeteiligt zu."

Für Kelly ist der Vorfall nur ein weiterer Rückschlag in einer Rookie-Saison, die mit einer Verletzung begann, mit schwachen Leistungen und Buhrufen der eigenen Fans weiterging und immer wieder in die D-League führte. Gegen Boston gab der 22-Jährige mit seiner besten Leistung als Profi (20 Punkte) die richtige Antwort auf den Vorfall in Phoenix.

Stimmen:

Kyle Lowry (Raptors): "Ich fühle mich aktuell richtig gut. Ich bin glücklich, dass meine Mannschaft im Moment viel gewinnt. Siege sind das einzige, was zählt."

Dwane Casey (Trainer Raptors): "Ich bin ganz bestimmt noch nicht satt, und die Spieler sind es auch nicht. Es gibt immer noch viele Bereiche, in denen wir anfällig sind. Einige Leute wollen uns ja inzwischen zu den Gejagten machen, aber das kann nicht sein. Wir sind immer noch die Jäger, wir sind die Underdogs."

Mike D'Antoni (Trainer Lakers): "Ein Sieg sollte uns nicht in Euphorie verfallen lassen. Das war ein Spiel, jetzt wollen wir mal sehen, ob wir das wiederholen können. Wir müssen uns weiter verbessern."

Prognose:

Angesichts der aktuellen Formkurven, die weit auseinander gehen, muss man mit einer weiteren Niederlage der Lakers rechnen. Die Kalifornier bekommen einfach keine Konstanz in ihre Leistungen, sind in der Defense erschreckend anfällig und in der Offense aufgrund der vielen Ausfälle zu leicht auszurechnen.

Toronto dagegen hat eine neue Identität angenommen, gewöhnt sich gerade ans Gewinnen und hat genug Spieler im Kader, die den Lakers Probleme bereiten können.

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