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"Es ist schlimm: Ich bereue nichts“

David Stern mit Michael Jordan, dem größten NBA-Star aller Zeiten
© getty

Ohne David Stern wäre Basketball nie zum globalen Phänomen geworden. Bevor der NBA-Boss am 1. Februar das Zepter an seinen Nachfolger Adam Silver weiterreicht, gibt der erfolgreichste Commissioner aller Zeiten bei SPOX ein letztes Exklusivinterview und gewährt überraschende Einblicke. Sein Highlight: "Die Kombination aus Beatles, New York Philharmonic und Bolschoi-Ballett".

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SPOX: Herr Stern, in Ihren letzten Monaten als NBA-Commissioner bekommen Sie Zuspruch wie nie. Bei Ihrem letzten Draft im Sommer 2013 wurden Sie am Ende sogar gefeiert und nicht wie sonst ausgepfiffen. Und Ihr Erzfeind Mark Cuban, Besitzer der Dallas Mavericks, sagt ohne Sarkasmus: "Ich liebe David." Wie gehen Sie damit um?

David Stern: Ich finde es fast schade. Natürlich ist es schön, nettes Feedback zu bekommen, aber in letzter Zeit wurde es wirklich langweilig. Ich habe es immer bevorzugt, andere Leute auf Trab zu halten und sie zu extremen Meinungen zu pushen - egal in welche Richtung. Deshalb ist es jetzt seltsam, dass alle so positiv gestimmt sind. Wobei: Ich war mir sicher, dass mich Mark und die Zuschauer beim Draft immer gemocht haben. Sie hatten nur eine seltsame Art, die Zuneigung zu zeigen. (lacht)

Das Gesicht der NBA tritt ab: Das bewirkte David Stern

SPOX: Sie treten nach exakt 30 Jahren an der NBA-Spitze ab. Was bereuen Sie?

Stern: Es ist schlimm: Ich bereue nichts. Ich kann mir vorstellen, dass es furchtbar klingt, doch Reue ist definitiv nichts, was ich kenne. Was allerdings nicht bedeuten soll, dass ich mit allem zufrieden wäre. Ich wünschte mir, dass es nie zu Lockouts gekommen wäre. Ich wünschte mir, dass wir nie einen Spieler wegen Drogendelikten hätten bestrafen müssen. Ich wünschte mir, dass wir Tim Donaghy (Wegen Manipulation verhafteter NBA-Schiedsrichter, Anm.d.Red.) früher erwischt hätten. Ich wünschte mir, dass wir nach der Einführung der Development League nicht alle acht Gründungsteams aus dem Südosten der USA umlokalisiert hätten, so dass es dort seitdem komplett verwaist ist, obwohl die Liga auf 17 Mannschaften anwuchs. Ich wünschte mir, dass in der WNBA mehr als zwölf Teams spielen würden. Und ich wünschte mir, dass ich früher erkannt hätte, wie viel Gutes man mit dem Basketball erreichen kann. Deswegen möchte ich mich zukünftig noch intensiver um unsere Programme wie "NBA Cares" oder "Basketball without Borders" kümmern.

SPOX: Sie sagten einst: "Ich erinnere mich mehr an die Krisen als an die Erfolge." Sind Sie ein Pessimist?

Stern: Pessimist ist vielleicht das falsche Wort. Diese - sagen wir - vorsichtige Grundhaltung entspricht meiner Einstellung: Wer still steht, geht rückwärts. Was gestern gut war, reicht morgen nicht. Nur wer sich hinterfragt und bereit ist, sich neu zu erfinden, wird auf Dauer erfolgreich sein. Daher versuche ich, nicht nur andere, sondern auch mich zu pushen. Und das geht nur, wenn man sich aller Misserfolge und Gefahren für die NBA bewusst ist.

SPOX: Stellverstretend dafür steht die Episode nach Ihrem ersten Draft 1984, als Hakeem Olajuwon an eins gezogen wurde.

Stern: Daran erinnere ich mich, als ob es gestern gewesen wäre. Nach dem Draft hatten wir eine Feier organisiert für Hakeem, seine wunderbare Mutter und seinen Bruder. Das Problem: Wir hatten einen Raum in einem sehr kleinen italienischen Restaurant reserviert, in dem die Decke so niedrig war, dass sich Hakeem andauernd bücken musste. Wie ich mich damals geschämt habe. Aber schon damals zeigte Hakeem, wie bescheiden er ist. Es ist einer der besten Menschen, die ich kenne. Umso mehr freute es mich, dass er als Überraschungsgast bei meinem letzten Draft im vergangenen Sommer auf die Bühne kam.

SPOX: Der Draft 1984 bedeutete eine Zäsur: Mit den Rookies Olajuwon, Michael Jordan, Charles Barkley und John Stockton läutete die NBA eine goldene Ära ein. Vom Draft-Jahrgang 2014 werden ähnliche Wundertaten erwartet. Dennoch sagen Sie: "Vielleicht ist die Lage der NBA so gut, wie sie sein soll. Vielleicht haben wir die natürliche Grenze des Wachstums erreicht. Vielleicht ist es nicht immer besser, größer und größer zu werden." Woher die Vorsicht?

Stern: Das Zitat wurde aus dem Kontext gerissen. Es ging um das Thema, ob die Liga noch mehr Teams benötigt beziehungsweise verkraftet. Sind 32 Teams automatisch besser als 30 Teams? Ich bezweifele es. Das ist natürlich eine Entscheidung, die mein Nachfolger Adam Silver und die NBA treffen müssen, doch ich warne davor. Es wird auf jeden Fall politische Kräfte geben, die Druck ausüben und eine Expansion fordern werden.

SPOX: Neben der Zufuhr von neuen Superstars im Draft 2014 könnte eine Expansion allerdings helfen, dass die NBA den Rückstand zur NFL und MLB aufholt?

Stern: Die Frage möchte ich zweigeteilt beantworten. Erste Antwort: Der NBA-Draft ist ein wichtiges Instrument, um die Attraktivität der Liga zu stärken, nur darf man von einem speziellen Jahrgang nie zu viel erwarten. Der Draft 2003 war ebenfalls großartig mit LeBron, Melo, Chris Bosh, Dwyane Wade. Später kamen nahtlos Kevin Durant, John Wall oder Kyrie Irving hinzu. Nur: Hat die NBA so die NFL überholt? Nein. Zweite Antwort: Egal, was passiert, ich glaube nicht, dass die NBA jemals zur Nummer-eins-Sportart in den USA werden wird. Die NFL ist dominant, sie wächst ebenfalls und erledigt einen fantastischen Job. In Europa und Südamerika werden wir wiederum den Fußball nie verdrängen können. Das ist vollkommen in Ordnung. Denn: Ich bin überzeugt, dass wir in allen Ländern der Welt mindestens die Nummer-zwei-Sportart sein können. Das sollte unser Ziel sein. Mal hinter NFL, mal hinter Fußball, mal hinter Badminton oder Rugby. Wenn uns das gelingt, müssen wir nirgendwo die Nummer eins sein und sind trotzdem einzigartig positioniert.

Teil II: Stern über 30 Jahre NBA-Wahnsinn und ein Treffen mit Uli Hoeneß

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