NBA

David Stern: 30 Jahre als Commissioner - Das Gesicht der NBA tritt ab

Von Ole Frerks / Max Marbeiter
30 Jahre lang prägte David Stern die NBA. Am 1. Februar tritt sein Nachfolger an
© getty
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Kontroversen: Die Lakers hätten kaum glücklicher sein können. Das Front Office hatte es tatsächlich geschafft, dem damals besten Shooting Guard der Liga den besten Point Guard der Liga an die Seite zu stellen. Kobe Bryant plus Chris Paul - mal wieder schien Lila und Gelb auf bestem Wege in Richtung Dynastie zu sein.

Bis, ja bis die Liga einschritt. 2012 war die NBA nämlich faktisch Eigentümer der New Orleans Hornets. Jener Hornets, die Chris Paul an die Lakers verloren hätten. David Stern informierte die drei in den Trade involvierten Teams (Lakers, Hornets und die Houston Rockets), dass der Deal "aus basketballerischen Gründen" nicht durchgeführt werden dürfe und griff damit massiv ins Tagesgeschäft ein.

So sehr, dass Lakers-GM Mitch Kupchak dem Commissioner bis heute nicht wirklich verziehen hat: Stern habe viel für die Liga getan, deshalb werde er ihn auch vermissen - die "einzige Ausnahme ist dieser eine Moment." Doch auch abseits der Lakers stand Stern im Nachhall ebenso stark in der Kritik, wie aufgrund der Geschehnisse rund um den Umzug der Seattle Sonics Richtung Oklahoma City.

Alles begann mit dem Verkauf des Teams 2006. Eine Investorengruppe aus Oklahoma City erwarb die Sonics von Starbucks-Gründer Howard Schultz und setzte damit ein beinahe zweijähriges Schauspiel aus Unwahrheiten, falschen Beteuerungen und Streitereien in Gang.

Clay Bennett, Vorsitzender der Investorengruppe, versicherte, alles dafür tun zu wollen, die Sonics im Nordwesten der USA zu halten. Natürlich. Am Ende bekam OKC die Thunder, Seattle ging leer aus. Stern muss sich bis heute Kritik für seine Rolle während des Prozesses gefallen lassen. Zumal alte Wunden aufrissen, als die Kings doch in Sacramento blieben und nicht, wie von vielen erwartet, nach Seattle zogen.

Noch während die Verhandlungen über den Umzug der Sonics liefen, musste sich der Commissioner gleich dem nächsten Brandherd widmen. Im Juli 2007 wurde bekannt, dass Schiedsrichter Tim Donaghy auf von ihm selbst geleitete Spiele gewettet hatte. Dazu habe er Insider-Informationen weitergegeben, die Bekannte zum Wetten nutzten, und im Gegenzug Geld erhielten.

Das große Exklusiv-Interview mit Stern: "Es ist schlimm: Ich bereue nichts"

Der Kongressabgeordnete Bobby Rush sah damals bereits "den schlimmsten Skandal in der amerikanischen Sportgeschichte" auf die NBA zurollen. Der ganz große Schaden für die Liga konnte jedoch abgewendet werden. Donaghy bekannte sich schuldig und wurde zu einer Haftstrafe verurteilt.

Auch David Stern zog Konsequenzen: Schiedsrichter werden seit 2007 erst am Morgen des Spiels und nicht bereits 90 Stunden vor dem Tipoff bekanntgegeben, um Insider-Informationen über die Offiziellen ihren Wert zu nehmen. Zudem werden seither vermehrt Background-Checks durchgeführt.

Seine letzten Kontroverse sah sich der Commissioner schließlich im Juni 2012 ausgesetzt. Damals hatte Radiomoderator Jim Rome David Stern zum Interview geladen und seinen Gast mit der Nachfrage nach einer möglichen Bevorzugung der New Orleans Hornets bei der Draft-Lottery aus der Fassung gebracht.

Stern antworte zunächst mit einem bestimmten "Nein. Eine Schande, dass sie das überhaupt fragen." Als Rome erneut nachhakte, verlor der Commissioner jedoch die Contenance. "Haben sie denn aufgehört, ihre Frau zu schlagen", fragte Stern schnippisch zurück und trat damit eine Lawine der Entrüstung los.

Dresscode: Allen Iverson stand sinnbildlich für vieles, was der Liga missfiel. "The Answer" war laut, unangepasst - und in den Augen der Oberen schlecht gekleidet. Anfang der 2000er hielt die Baggy und das Bling Bling Einzug in die Hallen der NBA. Ein Trend, dem David Stern entschieden entgegentrat.

2005 führte die NBA schlussendlich einen Dresscode ein, der den Spielern klar vorgab, wie sie sich vor, während und nach Spielen sowie während offizieller Auftritte der Liga zu kleiden haben. Weite Hosen, Sportrikots, Mützen und Brillanten sind seither tabu. Business und konservativ lauten die Zauberwörter. Verstößt ein Spieler dagegen, muss er mit einer Strafe rechnen.

Fehlgeschlagene Regeländerungen: Drei Jahre lang durfte man sich als NBA-Profi wieder ans College zurückversetzt fühlen. Zwischen 1994 und 1997 hatte die Liga die Dreipunktlinie nämlich bis auf 6,7 Meter an den Ring herangerückt. Natürlich sollte in einer Liga, in der immer weniger Punkte fielen, das Scoring erleichtert und damit das Spektakel gefördert werden.

Doch das Experiment verlief nicht wie erhofft. Teams pflasterten die Weakside plötzlich mit ansonsten beinahe unbeteiligten Schützen zu. Die Attraktivität wurde so kaum gefördert, die Dreierlinie nach nur drei Jahren wieder auf 7,24 Meter verlegt.

Ein Schicksal, das auch den 2006 mit ordentlich Wirbel vorgestellten, neuen Spielball ereilte. Dank neuem Material und Design sollte er besseren Grip und ein konstanteres Flugverhalten bieten als sein lederner Vorgänger. Das Problem: Die Spieler wurden vor der Einführung nicht nach ihrer Meinung gefragt und konnten mit ihrem neuen Arbeitsgerät so gar nichts anfangen.

Käme er in Kontakt mit Schweiß, würde der Ball schnell rutschig und wäre kaum noch zu kontrollieren, hieß es. Shaquille O'Neal, wer auch sonst, fand noch deutlichere Worte: "Er fühlt sich wie einer dieser billigen Bälle an, die man im Spielwarenladen kauft", gab "The Big Aristoteles" zum Besten. Sogar eine Klage reichten die Spieler ein. So hatten auch David Stern und die Liga schnell ein Einsehen und gaben ihnen bereits im Dezember ihren geliebten Leder-Spalding zurück.

Expansion: In 30 Jahren tat sich einiges. So durfte David Stern während seiner Amtszeit nicht nur zahlreiche neue Spieler in der NBA begrüßen, er hieß auch gleich sieben Expansion-Franchises willkommen. Ob Miami Heat, Charlotte Hornets (beide 1988), Minnesota Timberwolves, Orlando Magic (beide 1989), Vancouver Grizzlies, Toronto Raptors (beide 1995) oder die Charlotte Bobcats (2004) - alle kamen sie unter Sterns Ägide in die Liga.

Eigentlich war auch gemutmaßt worden, der Commissioner wolle Seattle noch vor seinem Rücktritt ein Team zurückgeben, daraus dürfte allerdings nichts mehr werden. Zumal die NBA wohl auch nicht endlos erweitert werden kann. Stichwort: Klasse statt Masse.

Magic Johnson HIV-Diagnose: Am 7. November 1991 wurde die NBA in ihren Grundfesten erschüttert. Magic Johnson, einer der absoluten Superstars der Liga, unterrichtete die Welt während einer Pressekonferenz über seine HIV-Infektion und gab gleichzeitig seinen Rücktritt bekannt.

An Magics Seite: David Stern. Der Commissioner begleitete Johnson in dessen vielleicht schwerster Stunde und lobte ihn für sein Engagement zur AIDS-Aufklärung. "Magic hat die HIV-Debatte weltweit verändert, da es plötzlich einen weltweit beliebten Athleten erwischt hatte", so Stern. "Wir dachten alle, er würde bald sterben."

Doch auch heute, 20 Jahre später, ist Magic noch quicklebendig, führt seinen Kampf gegen AIDS fort und hatte sogar noch drei Auftritte auf der großen Basketballbühne. Den wohl denkwürdigsten beim All-Star Game in Orlando 1992: Obwohl er seit seinem Rücktritt kein einziges Spiel mehr absolviert hatte, wählten ihn die Fans in die Starting Five des Westens. Johnson dankte es mit 25 Punkten, 9 Assists und 5 Rebounds und erhielt schließlich die MVP-Trophäe aus den Händen von, natürlich, David Stern.

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