NBA

Der Workout-Psychopath

Von Ole Frerks
Ray Allen hält den NBA-Rekord für die meisten getroffenen Dreipunktwürfe
© getty

Während Superstar Dwyane Wade immer häufiger Pausen braucht, ist sein Backup Ray Allen mit 38 Jahren fitter denn je. Die Gründe dafür sind die Ernährung eines Steinzeitmenschen und eine Arbeitseinstellung, die Teamkollegen liebevoll als "krankhaft" bezeichnen.

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Eigentlich wäre der Sommer für Ray Allen ja der perfekte Zeitpunkt gewesen, die Sneaker an den Nagel zu hängen. Der zu dem Zeitpunkt 37-Jährige hatte gerade seinen zweiten Titel gewonnen, nicht zuletzt dank einem Wurf, den "ESPN"-Experte Bill Simmons als "besten der Playoff-Geschichte" bezeichnet.

Die Geschichte ist hinlänglich bekannt: Spiel sechs war eigentlich verloren, San Antonio war eigentlich Meister, die Larry O'Brien Trophy stand am Spielfeldrand parat. Da bekam "Jesus" den Ball, machte geistesgegenwärtig die Schritte zurück und traf den Dreier mitten ins Herz von San Antonio.

Das Spiel ging in der Overtime an Miami, auch das siebte Spiel entschieden die Heat für sich. Nach der Championship 2008 mit den Boston Celtics war es der zweite Titel in Allens Karriere. Einen besseren Moment, um abzutreten, kann es für den besten NBA-Dreierschützen aller Zeiten eigentlich nicht geben. Eigentlich.

Essen wie ein Steinzeitmensch

"Er ist der disziplinierteste Typ, mit dem ich je gespielt habe", sagt Shane Battier, wohlgemerkt im Training Camp vor der aktuellen Saison. "Man könnte sagen, dass er ein Psychopath ist, wenn es um sein Training geht."

Allen, der seit etlichen Jahren für seine nahezu manische Arbeitseinstellung bekannt ist, hat auch diesen Sommer auf seine Art verbracht: Tausende von Sprungwürfen, Fitnesstraining und Abnehmen. Seine Ernährung stellte er dabei auf die Paleo-Diät, auch bekannt als "Steinzeiternährung", um.

Dabei werden Milchprodukte, Getreide, Zucker, Alkohol und Fertiggerichte vollständig vermieden. Als Getränke sind nur Wasser und Tee aus Kräuteraufgüssen erlaubt. "Die ersten drei oder vier Tage war es schwer, weil ich Kopfschmerzen bekam und mein Körper sich daran gewöhnen musste", sagt Allen. Die Qual hat sich allerdings gelohnt.

Allen hat sich "neu erfunden"

Allen bringt derzeit etwa 98 kg auf die Waage - so leicht war er zuletzt vor über 17 Jahren, als er noch in Connecticut am College spielte. Dass er in NBA-Jahr 18 immer noch so rigoros arbeitet, sorgt für Staunen bei seinen Teamkollegen; er hat hingegen eine ganz pragmatische Erklärung dafür.

"Natürlich sind wir Meister geworden, aber wir werden dieses Jahr nicht aus dem Grund wieder Meister. Du wirst dieses Jahr Meister, weil du dich vorbereitest wie ein Meister. Du arbeitest als Team an all deinen Schwächen", sagte Allen dem "Miami Herald".

Bei sich selbst hatte Allen die mangelnde Schnelligkeit als Schwäche ausgemacht und daher fünf Kilo abgenommen. Im Training Camp zeigten sich die positiven Effekte seiner Diät, als Heat-Coach Erik Spoelstra seinen Veteranen für dessen höheres Tempo lobte: Allen habe sich im Sommer "neu erfunden", so Spoelstra.

Backup par Excellence

In der regulären Saison ist Allen dementsprechend gut aus den Startlöchern gekommen. Zwar verlief der Saisonstart für die Heat holprig, Allen jedoch legte in den ersten drei Spielen ansprechende Werte von 14 Punkten, 3,7 Rebounds und 3,3 Assists pro Spiel auf - bei Fabelquoten von 53,8% aus dem Feld und 47,1% von der Dreierlinie.

Betrachtet man die derzeitige Lage um Dwyane Wade, der aufgrund von Knieproblemen immer mal wieder pausieren wird, könnte in dieser Saison noch einiges an Verantwortung (und Minuten) für seinen Backup abfallen. Gut, dass der mit mittlerweile 38 Jahren immer noch zu den fittesten Profis der Liga zählt.

"Er ist ein Phänomen", sagt Chris Bosh über ihn. "Ein älteres Phänomen mit der Art und Weise, wie er sich fit hält, aussieht und das Spiel angeht. Er ist besser als viele 27-Jährige."

Immer noch hungrig

Allen hat über die Jahre immer wieder gehört, dass seine Zeit bald vorbei ist, und daraus die erforderliche Motivation gezogen, um immer wieder wie ein Besessener an seinem Körper und seinem Wurf zu arbeiten.

Ironischerweise hat ihm auch der jetzt schon legendäre Dreier in Spiel sechs keine Ruhe verschafft: "Ich warte die ganze Zeit darauf, dass jemand den Wurf als Glückswurf bezeichnet. Jeder, der mich kennt, weiß, dass es kein Glück war. Jeder, der mich kennt, sagt: 'Yep, so etwas macht er eben.'"

Nach 17 Jahren, 1230 Spielen, 23.846 Punkten (Platz 21) und 2865 getroffenen Dreiern (NBA-Rekord) hat Allen immer noch das Gefühl, dass er etwas zu beweisen hat. Da können sich die Heat wohl glücklich schätzen.

Ray Allen im Steckbrief