NBA

Der Motor stottert

Von Ole Frerks
Josh Smith (l.) und Greg Monroe haben noch nicht die richtige Abstimmung gefunden
© getty

Die neuen Teile in Motown passen noch nicht zusammen, die Pistons sind mit einer 2-5-Bilanz gestartet. Während der jüngsten Pleite gegen die Warriors setzte Trainer Mo Cheeks nun ein Zeichen an seine Truppe, indem er Star-Neuzugang Josh Smith lange auf der Bank schmoren ließ. Was genau läuft eigentlich schief bei den Pistons?

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"Als ich herkam, wusste ich, dass der Kader neu bestückt wird. Nicht, um mehr als 29 Spiele zu gewinnen, sondern um die Playoffs zu erreichen, und ich denke Joe (Dumars) hat einen guten Job gemacht. Wir haben hier die Spieler, um die Playoffs zu erreichen. Ich will in die Playoffs und dort etwas bewirken, nicht nur reinkommen."

Maurice Cheeks, der neue Coach der Detroit Pistons und der vierte innerhalb von fünf Jahren, formulierte vor der Saison sein Saisonziel auf diese Weise. Die Neuverpflichtungen ließen auch keinen Zweifel: Detroit will in dieser Saison gewinnen. Endlich mal wieder. Seit 2009 hatte man die Playoffs regelmäßig verpasst und das war Tom Gores, seit 2011 Besitzer der Franchise, logischerweise ein Dorn im Auge.

Joe Dumars ging also All-In und holte die beiden umstrittenen, aber definitiv talentierten Josh Smith und Brandon Jennings ins Team, als Veteran stieß der alternde Chauncey Billups zum Team, insgesamt kamen gleich acht neue Spieler. Zweifel gab es schon im Sommer, sie wurden damals allerdings allesamt weggewischt. "Das macht uns keine Sorgen", antwortete Dumars auf die Frage, wie Smith, Andre Drummond und Greg Monroe koexistieren sollten.

Dumars verwies darauf, dass das Team in Sachen Talent besser gemacht werden sollte und dass man schon herausfinden würde, wie man aus den Einzelteilen ein funktionierendes Team machen kann. Der schwache Saisonstart zeigt nun allerdings, dass die Lösung noch gefunden werden muss.

Fragen ohne Antwort

"Ich war von unserem Einsatz enttäuscht, keine Frage", kommentierte Cheeks angesäuert nach der jüngsten 113:95-Klatsche gegen die Golden State Warriors. Es war bereits die vierte Niederlage in Folge, die Bilanz steht jetzt bei zwei Siegen und fünf Pleiten. Insbesondere mit Smith schien der Coach unzufrieden: Nach dem ersten Viertel ließ er ihn kaum noch Minuten spielen.

Kritik am Einsatzwillen ist in dieser Phase der Saison ein Armutszeugnis für ein eigentlich so ambitioniertes Team. Dass es am Anfang ein wenig dauert, um eine gescheite Teamchemie und Abstimmung mit den neuen Kollegen aufzubauen, ist logisch und nachvollziehbar; damit sind die Pistons in der Liga auch nicht alleine. Die Probleme scheinen jedoch grundlegenderer Natur zu sein.

Vor der Saison kam vor allem die Frage auf, wie die Offense mit drei großen Jungs wie Smith, Drummond und Monroe funktionieren sollte, da keiner von ihnen Gefahr aus der Distanz ausstrahlt und auch die Guards - abgesehen von Billups - nicht für ihre Wurfstärke berühmt sind. Die größten Probleme der jungen Saison treten allerdings am anderen Ende des Feldes auf.

104,3 Punkte lassen die Pistons bisher pro Spiel zu, nur die Lakers, Clippers, Wizards und Sixers sind schlechter. Ihre Gegner treffen 49,3 Prozent aus dem Feld - der schlechteste Wert der Liga. Ursprünglich war mal die Idee, dass ein dreiköpfiges Blockmonster namens SmiDrumRoe die Zone zum Sperrgebiet erklären würde. Die Realität sieht bisher anders aus.

Smith: Noch nicht angekommen

In den 140 Minuten, die die großen Drei bisher zusammen auf dem Feld verbracht haben, ließen die Pistons bei 100 Ballbesitzen grauenhafte 113,8 Punkte zu und verloren den Kampf um die Rebounds. Wie kann das mit einer derart großen Aufstellung passieren?

Es sind Probleme, die hausgemacht sind. Es sollte niemanden überraschen, dass Smith gegen viele Small Forwards Geschwindigkeitsdefizite hat, da er eigentlich auf der Vier zuhause ist. Bei ihm läuft bisher nicht viel zusammen, wie sich auch an der Degradierung gegen die Warriors zeigte. Seine Offensivzahlen sind verheerend: 41,7 Prozent aus dem Feld und 27,5 Prozent von der Dreierlinie - bei fast sechs Versuchen pro Spiel!

Seinen Big-Men-Kollegen ergeht es defensiv auch nicht viel besser. Monroe war noch nie als guter Verteidiger bekannt und hat weiterhin große Schwierigkeiten gegen das Pick'n'Roll. Der erst 20-jährige Drummond muss in Sachen Fußarbeit noch einiges dazulernen. Die Teamdefense ist bisher eine Baustelle.

Sorglos in der Offense

Vorne haben die Pistons ebenfalls Probleme: Mit dem Ball wird zu sorglos umgegangen, Jennings, Monroe und Smith verlieren die Kugel jeweils ungefähr drei Mal pro Partie. Jennings hat zudem offenbar schon wieder vergessen, dass er vor der Saison eine bessere Wurfauswahl gelobt hatte: Er schießt 39,1 Prozent aus dem Feld und trifft bei gut fünf Dreiern pro Partie nur jeden vierten Wurf.

Die Schussauswahl ist generell fragwürdig und unbalanciert. Von der Dreierlinie treffen die Pistons nur 27,4 Prozent, Luigi Datome und Kyle Singler bringen bisher auch nicht die erhoffte Entlastung. Billups trifft wenigstens ein Drittel seiner Dreier, ist aufgrund seiner völlig verschwundenen Schnelligkeit aber defensiv ein Sicherheitsrisiko.

Es fehlt also wie vor der Saison befürchtet an Spacing, gegnerische Verteidigungen können sich zusammenziehen und es Monroe und Drummond in der Zone schwer machen.

Individuelle Lichtblicke

Indes gibt es natürlich auch ein paar Lichtblicke. Drummond hat einen weiteren Schritt in seiner Entwicklung gemacht und legt ein Double-Double mit der besten Wurfquote der Liga auf (67 Prozent aus dem Feld). Seine historisch schlechte Freiwurfquote von 17 Prozent verdeutlicht allerdings, dass er seine Punkte weiter fast ausschließlich per Dunk oder unmittelbar in Korbnähe erzielt.

Greg Monroe spielt offensiv wie in den Jahren zuvor einen guten Part, hat sich sogar noch mal gesteigert und ist mit Karrierebestwerten bei Punkten (17,6), Rebounds (10,3), Block (1,0) und Steals (1,4) sowie guten Quoten (50 Prozent Field Goals, 74,4 Prozent Freiwürfe) vielleicht sogar reif für eine All-Star-Nominierung.

Rookie Kentavious Caldwell-Pope hat viel versprechende Ansätze gezeigt. Gegen Golden State durfte Datome auch mal länger aufs Parkett und zeigte zumindest ein gewisses Potenzial, auf dem die Pistons aufbauen können. Trotz mangelnder Athletik bringt er die nötige Toughness mit, um vielleicht sogar zum Publikumsliebling zu werden. Will Bynum ist von der Bank kommend bisher der effizienteste Akteur in der Offensive.

Viel Arbeit für Cheeks

Natürlich ist es noch viel zu früh in der Saison, um gleich den Teufel an die Wand zu malen. Der Start lässt dennoch die Alarmglocken schrillen, zumal Dumars beim Besitzer nicht mehr viel Kredit zu verspielen hat. Gores will jetzt gewinnen, sodass auch während der Saison personelle Moves nicht auszuschließen sind, wenn sich die Situation nicht bessert.

Cheeks ist mit der Degradierung von Smith gegen Golden State ein Risiko eingegangen. Ob sich sein Appell an den Willen seines Teams auszahlt, muss man abwarten, aber auch in punkto Rotation hat er noch einiges auszuarbeiten.

Vor allem muss er herausfinden, wie er seine vier vermeintlich talentiertesten Spieler (die Big Three plus Jennings) dazu bringt, produktiv zusammenzuspielen. Viel wird davon abhängen, wie schnell und wie gut Cheeks und Smith zueinander finden.

Pistons-Fans wollen "Deeeetrooooit Baaaasketball", wollen Defense, Einsatz und Teambasketball sehen. Die derzeitige Auflage des Teams ist den Beweis bisher schuldig geblieben, dass sie damit dienen kann.

Der Kader der Detroit Pistons

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