NBA

Ein Jahr voller Fragezeichen

Von Jan Dafeld
Kobe Bryant zog sich vor sechs Monaten einen Riss der Achillessehne zu
© getty

Kobe Bryant? Verletzt. Dwight Howard? In Houston. Steve Nash? Fitnesszustand fraglich. Die Los Angeles Lakers stehen vor einem Jahr voller Ungewissheiten. Vom Playoff-Einzug bis hin zum hohen Draft Pick scheint für das Team von Mike D'Antoni alles möglich zu sein. Was kann Kobe Bryant mit seinen Lakers noch erreichen? Und welche Rolle spielt Elias Harris?

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Lakers-Fans haben die Bilder des 12. April 2013 noch genau vor Augen. In einer hart umkämpften und intensiven Partie stemmt sich Kobe Bryant nahezu alleine gegen die Niederlage seiner Lakers im Duell mit den Golden State Warriors. Fünf Minuten vor dem Ende bringt er sein Team durch einen Dreier auf drei Punkte heran, eine Minute später trifft er erneut für drei - Ausgleich!

Kurz darauf aber der Schock: Beim Versuch an Harrison Barnes vorbeizuziehen geht Bryant zu Boden. Direkt wandert seine Hand an die Ferse. Unter Tränen erzielt er von der Freiwurflinie seine Punkte 33 und 34, dann humpelt er vom Feld. Ein Achillessehnenriss beendet Bryants Saison vorzeitig. Es ist schlussendlich der negative Höhepunkt einer der enttäuschendsten Saisons in der Geschichte der Los Angeles Lakers.

Erwartungen nicht erfüllt

Nach den Verpflichtungen von Dwight Howard und Steve Nash vor der Saison 2012/2013 waren die Erwartungen an das Team schier grenzenlos. Die Starting Five sollte mit ihren 33 All-Star-Game-Nominierungen die beste der NBA sein, das Team wurde als Nachfolger der Showtime Lakers und als Miami Heat des Westens gefeiert - doch die Realität sah anders aus.

Nash schlug sich immer wieder mit kleineren und größeren Verletzungen herum, Metta World Peace wirkte nur noch wie ein Schatten Ron Artests und Howard machten sowohl Rücken- und Schulterprobleme, als auch kleinere Grabenkämpfe mit Bryant immer wieder zu schaffen. Die Lakers beendeten die Saison auf einem enttäuschenden siebten Rang der Western Conference und mussten sich ohne den Star des Teams in der ersten Playoff-Runde San Antonio mit 4:0 geschlagen geben.

Keine großen Neuzugänge

Die Voraussetzungen in diesem Jahr sind gänzlich andere. Hinter Qualität und Fitness vieler Spieler stehen dicke Fragezeichen und Experten diskutieren mittlerweile nicht mehr ob, sondern wieso die Lakers in diesem Jahr die Playoffs verpassen werden.

In Los Angeles entschied man sich in diesem Sommer aufgrund des geringen Gehaltsspielraums (richtigerweise) dagegen, auf Biegen und Brechen wieder einen Kader zusammenstellen zu wollen, der um die vorderen Plätze der Western Conference mitspielen kann.

So beschränkte sich General Manager Mitch Kupchak darauf, Neuzugänge in diesem Jahr fast ausschließlich mit günstigen Einjahresverträgen auszustatten, um den Lakers in der nächsten Off-Season die größtmögliche Flexibilität erhalten zu können.

Neuer Frontcourt schafft neue Optionen

Die frei gewordenen Starterplätze dürften in Los Angeles in diesem Jahr Chris Kaman und Nick Young einnehmen. Besonders auf Kaman wird eine wichtige Rolle zukommen, folgt er er doch auf Dwight Howard, den vielleicht besten Center der NBA.

Die große Herausforderung für die Lakers wird dabei nicht einfach nur sein, Howard zu ersetzen, sondern seinen Nachfolger so zum Einsatz zu bringen, dass er erfolgreich an der Seite von Pau Gasol spielen kann. Eine Aufgabe, die Cheftrainer Mike D'Antoni in der Vorsaison in über fünf Monaten mit Howard nicht lösen konnte.

Auch wenn Kaman individuell sicher nicht mit dem siebenmaligen All-Star mithalten kann, sollte er die Lakers offensiv flexibler machen und dem bevorzugten Spielstil von Offensiv-Liebhaber D'Antoni entgegen kommen. So erklärte der 62-Jährige: "Ich liebe es normalerweise nicht, zwei traditionelle Big Men zusammen spielen zu lassen. Aber Chris und Pau haben eine gute Chemie und sind beide technisch stark."

Verteidigung bereitet Kopfzerbrechen

Eine Formation mit zwei Frontcourt-Spielern, die beide effektiv vom High Post agieren können, eröffnet Los Angeles neue Möglichkeiten, nachdem Howards Dominanz auf dem Spielfeld im letzten Jahr mit jedem Schritt, den er sich vom Korb entfernte, weiter abnahm. "Ich wusste, dass Pau gut mit dem Ball umgehen kann, aber ich denke Chris war heute überragend", zeigte sich auch Nash in der Preseason beeindruckt von seinem neuen Mitspieler. "Ich würde sagen, er hat meine Erwartungen übertroffen."

Defensiv brachen die Lakers in der vergangenen Saison allerdings regelmäßig ein, wenn Howard auf die Bank rückte und ließen fünf Punkte mehr pro hundert Angriffen zu, als mit ihm auf dem Feld. Mit den defensivschwachen Kaman und Young als Nachfolger dürfte sich dieser Trend wohl erneut bestätigen. Eine Wiederholung des (bereits nur durchschnittlichen) achtzehnten Rangs im Defensive Efficiency Ranking könnte schon als Erfolg verbucht werden.

Bryants Rückkehr nicht terminiert

Doch auch offensiv blicken die Lakers einigen ungelösten Fragen entgegen. In erster Linie, da Bryant, den Saisonstart verpassen wird. Wann die schwarze Mamba aufs Feld zurückkehren kann, ist derzeit noch völlig offen. "Ich halte mir alle Optionen offen", erklärte Bryant vor dem Start der Preseason. "Ich weiß nicht, warum die Medien so scharf auf irgendwelche Zeitpläne sind. Wenn ich bereit bin, dann bin ich bereit."

Ob Kobe bereits im November zurückkehrt, an Weihnachten oder sogar erst nach dem All-Star-Game ist nicht absehbar. Bryant will aber noch stärker als zuvor zurückkommen und gibt sich gewohnt kämpferisch: "Wenn du mich mit einem Bären kämpfen siehst, dann bete für den Bären", schrieb er kurz nach seiner Verletzung auf seiner Facebook-Seite.

Nashs Verfassung noch fraglich

Doch selbst wenn er Recht behält und sich die Hoffnungen aller Lakers-Fans, sowie des Managements, erfüllen sollten und der 35-Jährige kurz nach Saisonbeginn zurückkehrt, gibt es weiterhin genug Probleme, die die Lakers lösen müssen.

Steve Nash verletzte sich in der vergangenen Saison am Bein. Er erlitt keine so schwere Verletzung wie sein Teamkollege, längerfristig könnte der Kanadier allerdings stärker darunter leiden, als die Nummer 24 der Lakers. Nash kämpft immer wieder mit Zerrungen und Verstauchungen, die von seiner ursprünglichen Verletzung herrührten.

Ob Nash nochmal vollkommen fit wird, ist nicht klar. "Ich muss, nach all den Verletzungen, die ich hatte, herausfinden, was für ein Spieler ich jetzt bin", erklärte der 39-Jährige. "Es waren zwölf schwere Monate voller Verletzungen. Ich bin ein wenig limitiert."

Wie wird Nash eingesetzt?

Selbst wenn die beiden ehemaligen MVPs es schaffen sollten in einer guten körperlichen Verfassung zusammen aufs Spielfeld zurückzukehren, bleibt die Frage bestehen, inwieweit sich Bryant und Nash auch ergänzen können.

Nash liebt das Pick-n-Roll. In seiner letzten Saison in Phoenix war er der effektivste Guard der NBA nach diesem Spielzug und auch in der vergangenen Saison generierte er über die Hälfte seiner Abschlüsse aus dieser Situation.

Bryant hingegen ist und bleibt ein Scorer. Am liebsten hält er den Ball bereits zu Beginn des Spielzugs in den eigenen Händen, rund 70 Prozent seiner Abschlüsse im Halbfeld erfolgten in der vergangenen Saison nach diesem Muster. Die Frage ist also, inwieweit es für die Lakers überhaupt eine Offensive geben kann, in der sie das Talent, das Nash noch hat, voll ausnutzen können.

Chancen für Harris

All die Fragezeichen im Kader der Los Angeles Lakers könnten dafür Elias Harris entgegenkommen. Der 24-Jährige ist nach seinen vier Jahren am College von Gonzaga primär auf der Suche nach einem Kaderplatz und genug Spielzeit in der NBA - nicht nach Teamerfolg.

Die Voraussetzungen dafür sind bei den Lakers eigentlich keine schlechten. Der Deutsche erhielt bereits vor der Preseason einen teilweise garantierten Vertrag, zudem ist die Konkurrenz auf den Forward-Positionen in L.A. zumindest zu Saisonbeginn, wo Nick Young höchstwahrscheinlich noch als Shooting Guard starten wird, nicht gerade angsteinflößend.

Schwache Preseason

Mit Young auf der Zwei und Jordan Hill auf der Fünf konkurrieren mit Harris Spieler um die Minuten, die in der NBA selbst noch keine wirkliche Duftmarke setzen konnten: Wes Johnson war in den vergangenen drei Jahren zwar stets ein fester Bestandteil der Rotationen in Minnesota und Phoenix, erreichte im Schnitt aber auch nur 7,7 Punkte und 2,8 Rebounds bei einer Wurfquote von 40 Prozent.

Ähnliches gilt für Xavier Henry, der wie Johnson nach einer guten College-Karriere nie die Erwartungen an die eigene Person erfüllen konnte. Ryan Kelly und Marcus Landry besitzen nicht mehr NBA-Erfahrung als Harris.

Einen bleibenden Eindruck konnte der Deutsche bei seinen Preseason-Auftritten bislang allerdings nicht hinterlassen und erreichte in seinen fünf Auftritten in lila-gelb gerade mal 2,6 Punkte und 2,4 Rebounds in 12 Minuten Spielzeit pro Partie.

Blick auf die nächste Saison

Trotz aller Beteuerungen des Managements und Erwartungen der Fans, dass die Lakers in jedem Fall um den Playoff-Einzug kämpfen wollen und das Team durchaus dieselbe Leistung wie im Vorjahr abrufen könne, wird die aktuelle Saison in Los Angeles wohl eher bereits ein Warten auf das nächste Jahr sein.

2014 stehen nur noch drei Spieler (wenn Nick Young von seiner Spieleroption Gebrauch macht) im Kader des Teams. Steve Nash könnte dank der "Stretch-Provision" zudem entlassen und damit das Teamgehalt in der nächsten Saison um weitere sechs Millionen Euro gedrückt werden. Dazu halten die Lakers im nächsten Sommer mal wieder die Rechte an ihrem eigenen First Round Draft Pick, der in der Lottery landen könnte.

Ein Neuaufbau des Teams um Kobe Bryant ist also durchaus möglich und steht kurz bevor. Die ersten Namen großer Free Agents im nächsten Sommer werden schon wieder in Tinseltown gehandelt. Dwight Howard mag Los Angeles verlassen haben. Die Sehnsucht nach Erfolgen ist aber immer noch da.

Der Kader der Lakers im Überblick