NBA

Franchise Player mit Fragezeichen

Von Jan Dafeld
Anthony Davis spielte eine phasenweise herausragende Preseason
© getty

New Orleans geht in seine erste NBA-Spielzeit unter dem neuen Spitznamen Pelicans. Erster Gegner sind in der Nacht von Mittwoch auf Donnerstag die Indiana Pacers (hier geht's zum User-Talk). Als ambitioniertes Saisonziel werden direkt die Playoffs ausgegeben. Die Hoffnungen der Franchise ruhen auf Anthony Davis. Das Potenzial des 20-Jährigen gilt als unbegrenzt - doch ist er schon jetzt bereit für seine Aufgabe?

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Seit dem 18. April 2013 laufen in New Orleans die Uhren anders. Eine neue Zeitrechnung hat begonnen. Die Ära der Hornets ist beendet. Nach elf Jahren, in denen die Franchise nur fünf Mal die Playoffs erreichen und eine einzige Serie für sich entscheiden konnte, entschied sich der neue Besitzer der Franchise, Tom Benson, zu diesem radikalen Schritt.

Seit dem Sommer, also ein Jahr nachdem Benson die Hornets von der NBA kaufte, ziert ein Pelikan und kein Stechinsekt mehr das Spielfeld in der New Orleans Arena, die Trikots sind dunkler und vor allem: Endlich soll hinter den Spielberichten auf der Homepage des Teams wieder häufiger ein "W" als ein "L" zu sehen sein. Die Zeiten des Wiederaufbaus sind vorbei. Als Pelicans soll in New Orleans von Anfang an wieder gewonnen werden.

Hochwertige Neuzugänge

Den Grundstein dazu legte General Manager Dell Demps bereits während der Offseason. Am Tag des Drafts schickte New Orleans den von ihnen an sechster Stelle ausgewählten Nerlens Noel zusammen mit einem First Round Pick nach Philadelphia und erhielt im Gegenzug All-Star-Point-Guard Jrue Holiday. Kurz darauf lotste man auch den ehemaligen Rookie of the Year Tyreke Evans nach Louisiana.

Die Qualität im Kader ist so hoch wie seit dem Weggang von Chris Paul nicht mehr. Die individuellen Titel der einzelnen Spieler können sich sehen lassen. Und dennoch ruhen die Hoffnungen der Pelicans auf genau dem Mann, der im gesamten Team bisher die wenigsten Basketball-Saisons erlebt hat: Anthony Davis.

"Am meisten bin ich darauf gespannt, wie sich Anthony Davis weiterentwickeln wird", gab Head Coach Monty Williams zum Start des Trainingscamps zu. "Und das, obwohl wir wirklich starke Guards und Wings verpflichtet haben." Der erst 20-Jährige gilt als einer der talentiertesten Spieler und potenziell besten Verteidiger der NBA. Er soll der zentrale Baustein für die Zukunft der New Orleans Pelicans sein.

Leistungsexplosion im letzten Highschool-Jahr

Dabei begann Davis' Karriere nicht so, wie man es vielleicht erwarten mag. Gerade mal zwei Jahre bevor er die Kentucky Wildcats als Freshman in der NCAA zu 38 Siegen und dem Gewinn des Titels führte, spielte er als weitgehend unbekannter Guard auf einer nur mäßig erfolgreichen High School in Chicago.

Ein unglaublicher Wachstumsschub zum Ende seiner Highschool-Zeit erlaubte "The Unibrow", wie er aufgrund seiner markanten Augenbrauen gerufen wird, zu der Art von Spieler zu werden, die er heute ist.

Sein Körper hatte keine Probleme, mit den zusätzlichen 15 Zentimetern Körperlänge umzugehen. Er behielt die Athletik, Beweglichkeit und Koordination, die er bereits als Guard hatte. Und auch seine Wurfbewegung profitiert noch heute von seinem damaligen Spielstil.

Die Schnelligkeit und Mobilität, dank derer er keine Probleme hatte, kleinere Spieler am Perimeter vor sich zu halten, gepaart mit einer gewaltigen Sprungkraft, hervorragendem Timing und einer gewissen Power machten ihn zum besten Verteidiger der gesamten NCAA. Spätestens mit dem Titelgewinn stand Davis als erste Wahl im NBA Draft 2012 felsenfest.

Durchbruch steht bevor

Seine erste Saison in der NBA verlief viel versprechend, aber noch nicht überragend. Davis hatte mit einigen Verletzungen zu kämpfen, konnte seine Defensive nicht automatisch an das NBA-Level anpassen und musste sich bei der Wahl zum Rookie of the Year überraschend hinter Portlands Damian Lillard einreihen.

Seinen vollen Durchbruch soll der 20-Jährige nun in diesem Jahr erleben. Und die Vorzeichen stehen gut. "Ich wurde stärker, habe an meinem Wurf und meinem Post-Spiel gearbeitet", erklärte Davis. "Ich will einfach ein besserer Basketballer werden, sodass ich meinem Team helfen kann."

Leere Worte? Nicht bei Anthony Davis. So mancher Reporter traute seinen Augen kaum, als die Pelicans am ersten August ihre neuen Jerseys vorstellten. Und dies war nicht etwa auf modischen Vorlieben, sondern auf den Körperbau des jungen Big Man zurückzuführen.

Rund fünf Kilo an Muskelmasse soll Davis während der Sommerpause aufgebaut haben. Gewicht, das ihm im Kampf in der Zone definitiv helfen wird.

Verbesserung der Team-Offensive

Offensiv zeigte er bereits in der vergangenen Saison häufiger, welches Potenzial in ihm steckt. Mit ihm verbesserte sich New Orleans in der offensiven Effizienz von Platz 26 auf Rang 15 und Davis' Fähigkeiten abseits des Balles als Roll-Man im Pick'n'Roll und Baseline-Cutter hatten einen gehörigen Anteil daran.

Die zusätzliche Qualität im Backcourt der Pelicans sollte dem ehemaligen Wildcat dabei nur entgegen kommen. Holiday, Eric Gordon und auch Evans werden bei ihren Drives Aufmerksamkeit und Help-Defense auf sich ziehen und Davis somit mehr Platz verschaffen.

In der Preseason kam der Center so auf fast 20 Punkte pro Spiel - ein Wert, den sonst nur Kevin Durant, Bradley Beal, Derrick Rose und Lillard erreichen konnten.

Wackliger Jumpshot als Problem

Trotz all des Lobes, das Davis in der Vorbereitung bereits genießen konnte, bleibt abzuwarten, welche Bereiche seines Spiels er gegenüber der Vorsaison tatsächlich verbessern konnte. Priorität sollte bei Davis in der Offensive sein Jump Shot gehabt haben.

In der Vorsaison traf er gerade mal 33,7 Prozent seiner Spot-Up-Versuche. Ein miserabler Wert, der dazu führte, dass jeder Gegenspieler Davis außerhalb von zehn Fuß Entfernung zum Korb völlig ungedeckt agieren ließ.

Dabei verfügt Davis über eine saubere Technik und war am College ein verlässlicher Schütze. Beobachter führten die Probleme auf die Verletzungen, den fehlenden Rhythmus und das mangelnde Selbstvertrauen zurück.

So konnte Davis Attribute wie seinen eigenen schnellen ersten Schritt nicht oft genug nutzen, aber auch seine Mitspieler sahen sich öfter Help-Defense von Davis' Gegenspielern ausgesetzt, da dieser die Pässe aus der Entfernung nicht bestrafen konnte.

Neue Defensivrolle

Defensiv erwischte Davis einen holprigen Start in seine Profikarriere. Am College eilte ihm sein phänomenaler Ruf voraus, gegnerische Teams versuchten Eins-gegen-Eins-Situationen mit Davis tunlichst zu vermeiden.

So agierte er bei Kentucky in erster Linie als Help-Defender und schützte den eigenen Korb nahezu im Alleingang vor der gesamten gegnerischen Mannschaft.

In der NBA ist Davis derzeit noch einer von vielen. Seine Qualitäten als Shotblocker von der Weakside zeigte er zwar mehr als nur einmal, seine ständige Fokussierung auf den ballführenden Spieler wurde ihm allerdings auch häufiger zum Verhängnis.

Defensive Schwächen

So half er in der Verteidigung zu oft aus, doppelte an Positionen auf dem Court, an denen es nicht nötig war und verlor seinen Gegner beim Positionskampf häufiger aus den Augen, sodass er seinem Gegenspieler zu häufig das Fangen des Balles direkt unter dem Korb ermöglichte.

Dank seiner Tentakelarme sowie seiner guten Fußarbeit stellte der 20-Jährige bereits in der Vorsaison einen guten On-Ball-Defender im Post dar, ließ aber dennoch eine Wurfquote von 44,8 Prozent aus diesen Situationen zu, weil er das Duell häufig bereits verlor, bevor der Gegner den Ball überhaupt in den Händen hielt.

Unbegrenzte Möglichkeiten

Darüber, dass sich Davis in dieser Saison stark verbessert präsentieren wird, gibt es keine Zweifel. Die Unibrow gilt als zu talentiert, um zu stagnieren. DeMarcus Cousins oder auch Greg Monroe waren in den letzten Jahren zudem Beispiele für Spieler im Frontcourt, die sich als Sophomore enorm weiterentwickeln konnten.

"Unsere Erwartungshaltung ist extrem hoch", verkündete Davis selbstbewusst. "Wir wollen auf jeden Fall in die Playoffs. Und noch weiter." Ihm selbst traut so mancher Experte in diesem Jahr bereits große Erfolge und eine Teilnahme am All-Star Game zu.

Sollte dies gelingen, wäre Davis der siebte Spieler nach Legenden wie Kobe Bryant, LeBron James, Magic Johnson, Shaquille O'Neal, Isiah Thomas und Kevin Garnett, der sich All-Star nennen darf, ohne überhaupt legal Alkohol trinken zu dürfen.

Davis' Möglichkeiten auf dem Feld gelten als unbegrenzt. Niemand hat Zweifel daran, dass New Orleans im Draft 2012 die richtige Wahl getroffen hat. Mit Anthony Davis soll der Erfolg nach Louisiana zurückkehren. Und wer weiß: In ein paar Jahren will sich vielleicht schon niemand mehr an die Hornets erinnern.

Der Kader der New Orleans Pelicans