NBA

"18 Stunden Flug für 7 Stunden in NY"

Sergey Karasev wurde im diesjährigen Draft von den Cavaliers an 19. Stelle gedraftet
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Sergey Karasev gilt als eines der größten europäischen Talente und wagt nun mit 19 Jahren den Sprung in die NBA zu den Cleveland Cavaliers. Im Interview spricht der Russe über die Playoff-Ambitionen der Cavs, seine Odyssee am Draftabend und sein Verhältnis zu Rookie-Kollege Dennis Schröder.

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SPOX: Herr Karasev, Sie sind jetzt offiziell ein Mitglied der Cleveland Cavaliers und ein NBA-Spieler. Haben Sie das schon realisiert?

Sergey Karasev: Ich glaube schon, dass ich es realisiert habe. Ich bin ja nach Cleveland geflogen, hatte dort die Pressekonferenz und habe auch schon ein Apartment. Ich möchte mich schließlich, nachdem ich die EM gespielt habe und zurück nach Cleveland fliege, gleich heimisch fühlen.Von daher glaube ich schon, dass ich realisiert habe, dass ich jetzt ein NBA-Spieler bin.

SPOX: Wie sind Ihre ersten Eindrücke von Cleveland?

Karasev: Ich mag Cleveland. Es ist eine wunderschöne Stadt. Sehr ruhig mit einer tollen Innenstadt, aber auch bürgerlich. Kein Vergleich zu Moskau, auch nicht so verrückt, aber ich mag es wirklich sehr und meine Familie und alle, die mich begleiten werden, werden es auch mögen.

SPOX: Kommen wir zu Ihrem neuen Team. Die Cavs sind jung und talentiert. Ist das ein Vorteil für Sie, dass die meisten Ihrer Teamkollegen auch jung sind?

Karasev: Ja, das glaube ich schon, vor allem, weil einige auch schon länger da sind und sich bereits in der Liga akklimatisiert haben. Das wird großartig.

SPOX: Hatten Sie bereits Kontakt zu Kyrie Irving?

Karasev: Nein, hatte ich noch nicht. Dafür war ich noch nicht lange genug in Cleveland. Ich werde ihn sicher bald treffen und dann mit ihm sprechen. Ich habe dafür aber vor dem Draft mit Andrei Kirilenko gesprochen und er meinte, dass ich die NBA-Chance so schnell wie möglich ergreifen soll und ich alle Möglichkeiten habe, dort zu spielen. Seine Meinung ist mir wichtig, er ist ein großer Star hier, hat eine Menge Erfahrung und viele Jahre in der NBA und Europa gespielt. Da höre ich genau zu, wenn er mir etwas sagt.

SPOX: Sie waren mit 19 bereits der Topscorer der russischen Liga. Was haben Sie sich für die NBA vorgenommen?

Karasev: Ich will erst einmal weiter hart arbeiten. Es spielt keine Rolle, dass ich Topscorer in Russland war. Ich will mich an das Spiel hier anpassen, denn das ist völlig anders. Daher ist es wichtig, dass ich mich akklimatisiere und weiter an meinen Fähigkeiten arbeite und diese dann auch durchbringe. Ich will mich nur auf Basketball konzentrieren.

SPOX: Gab es denn schon Kontakt zu Mike Brown? Wissen Sie wie er mit Ihnen plant?

Karasev: Ja, wir haben schon miteinander gesprochen, aber er hat mir nichts über meine Rolle gesagt oder mir 30 Minuten versprochen. Er meinte nur: "Wir haben ein junges Team und du hast viel Erfahrung. Wir vertrauen dir, also arbeite weiter hart an dir und zeige uns, dass du in die Starting Five gehörst. Es liegt an dir". Und das werde ich tun, damit ich Minuten bekomme.

SPOX: Sie waren immer jünger als ihre Teamkollegen, aber trotzdem meistens der Star. Es wird viel über ihre ungewöhnliche Reife gesprochen. Ist das ein großer Faktor für Ihren Erfolg?

Karasev: Das ist schon ein großer Schlüssel. Es war natürlich nicht leicht, immer der Jüngste zu sein. Und weil es so war, musste ich immer härter arbeiten. Ich musste immer mehr machen als die anderen Spieler. Dann wurde ich irgendwann der Leader in den Teams und habe einen guten Job gemacht. Das muss ich jetzt auch in der NBA machen. Ich bin wieder der jüngste Spieler und wenn ich ein Star werden will, muss ich hart arbeiten. Ich denke schon, dass ich in einigen Jahren eine andere Rolle spielen kann.

SPOX: Ihr Auftreten wirkt immer sehr selbstbewusst. Mussten Sie immer selbstbewusst sein, um sich in ihren Teams durchzubeißen?

Karasev: Du muss selbstbewusst sein, sonst bekommst du nicht die entsprechende Rolle im Team. Die älteren Spieler sagen dann: "Du sollst nicht werfen, du sollst das nicht tun und dies nicht tun". Natürlich muss ich ihnen auch zuhören, aber wenn ich nicht selbstbewusst bin, kann ich nicht mein Spiel durchbringen. Dann verliere ich meinen Wurf, meine Kreativität, mein Penetration Game. Das habe ich meiner ganzen Karriere so durchgezogen und ich glaube, das ist in Ordnung.

SPOX: Kommen wir zurück zu den Cavaliers. Glauben Sie, dass sie dieses Jahr die Playoffs erreichen können?

Karasev: Ja, auf jeden Fall. Wir haben ein richtig gutes Team und haben uns gut mit Neuzugängen verstärkt. Mit Andrew Bynum haben wir jetzt einen der besten Center der Liga. Kyrie Irving ist ein großartiger Point Guard. Dazu die ganzen jungen Spieler, Dion Waiters, Tristan Thompson... Sie haben letztes Jahr ihren Durchbruch geschafft. Dazu die Spieler aus dem Draft. Ich glaube, wenn wir als Team gut zusammenspielen und wie eine Familie auf dem Court agieren, haben wir alle Chancen, die Playoffs zu erreichen und vielleicht sogar noch mehr.

SPOX: Sie sprachen den Draft bereits an. Sie mussten direkt nach dem Sie gezogen wurden zurück nach Russland, um sich auf die World University Games vorzubereiten. Hatten Sie überhaupt genug Zeit, die Atmosphäre im Barclays Center aufzusaugen?

Karasev: Das war schon eine lustige Geschichte. Ich saß 18 Stunden im Flieger und war nur sieben Stunden in New York. Das war schon hart, aber als ich im Barclays Center ankam, ging ein Traum in Erfüllung. Ich wollte immer in der NBA spielen. Es war sehr emotional. Ich habe gespürt, dass mich ein Team ziehen wird. Außerdem ist das Barclays Center eine der besten Hallen in der NBA. Das war schon großartig. Es war der größte Moment in meinem bisherigen Basketballer-Leben.

SPOX: Zwei Picks vor Ihnen haben die Atlanta Hawks Dennis Schröder gezogen. Sie haben zusammen beim Nike Hoop Summit gespielt. Was halten Sie von ihm?

Karasev: Er ist ein netter Typ. Ich habe mit ihm gesprochen. Er ist ein richtiger guter Spieler, aber auch ein guter Typ, sehr talentiert und er hatte auch eine gute Saison in der BBL. Ich glaube, dass er ein richtig großer Star werden kann, wenn er hart an sich arbeitet. Es ist ähnlich wie bei mir. Wenn du hart an dir arbeitest und alles investiert, vielleicht sogar ein bisschen mehr, kannst du eine wichtige Rolle in deinem Team und in der NBA ausfüllen.

SPOX: Ihr Vater war ein sehr erfolgreicher Point Guard. Haben Sie mit ihm Ihre Karriere-Optionen diskutiert?

Karasev: Mein Dad wollte immer, dass ich auch Point Guard werde. Aber das ist schon schwierig. Er hat mich immer dazu gebracht an meinem Dribbling zu arbeiten, aber die Jungs in der NBA sind schon verdammt schnell und athletisch. Daher fühle ich mich auf der 2 oder 3 wohler. Es ist aber schon wichtig, eine gute Ballführung zu haben. In der NBA gibt es Spieler, die können von Point Guard bis Small Forward alles spielen, teilweise sogar Power Forward und diese Jungs verdienen auch mehr Geld. Ich versuche daher, mich dort zu verbessern und mein Dad hilft mir dabei.

SPOX: Sie hatten ja auch die Option in Europa zu bleiben. Jetzt sind Sie aber in der NBA. Wie war seine Meinung zur dieser Entscheidung?

Karasev: Er war der gleichen Meinung wie Kirilenko. Wenn die Chance da ist, musst du sie direkt ergreifen. Er wollte mich jetzt nicht überreden, dass ich noch ein Jahr in seinem Team bleiben soll, um mehr Erfahrung zu sammeln. Das ist nun mal die beste der Liga der Welt und ein großer Schritt in meinem Leben. Ich kann dort mehr lernen als in jedem Klub in Europa. Es gibt sehr viele gute Trainer, viele Stars, gute Trainingsmöglichkeiten. Man kann sich dort allein aufs Basketballspielen konzentrieren. Alles andere wird dir dort abgenommen. Mein Vater hat mich daher in meiner Entscheidung immer unterstützt.

SPOX: Ihr Vater war Ihr Trainer bei Triumph Ljuberzy, jetzt ist er der neue Coach der russischen Nationalmannschaft. In einem früheren Interview mit SPOX sagten Sie, dass die Analyse über Ihr Spiel nicht einmal am Essenstisch beendet wurde und Ihre Mutter dann eingreifen musste. Wie wird das denn jetzt sein? Gibt es dann eine tägliche Telefonkonferenz?

Karasev: Er passt immer auf mich auf. Er ist nicht nur mein Vater, sondern auch mein Trainer. Das geht schon meine ganze Kindheit so. Wir sprechen sehr viel über Basketball, meistens nach den Spielen. Habe ich gut gespielt? Habe ich schlechte gespielt? Wir analysieren mein Spiel, aber meine Mutter macht dies manchmal auch. Sie war früher Volleyballerin, unsere Familie ist sehr sportlich und sie versuchen mir immer zu helfen. Ich bin unglaublich froh, dass ich sie um mich herum habe. Zukünftig wird das eher übers Telefon, Skype oder per Mail laufen, aber ich kann mich auf ihre Unterstützung verlassen.