NBA

Legenden im ungleichen Duell

Von Philipp Dornhegge
Chris Paul (r.) und seine Clippers gewannen die drei bisherigen Duelle mit Steve Nashs Lakers
© getty

Am Sonntag treffen sich die L.A. Clippers und die L.A. Lakers zum vierten Mal in dieser Spielzeit im Staples Center zum direkten Duell. Apropos direktes Duell: Mit Chris Paul und Steve Nash stehen sich zwei erstklassige Point Guards gegenüber. SPOX überträgt die Partie ab 21.30 Uhr im kostenlosen Live-Stream.

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Es dauerte nur zwei Spiele, um die Saison der Lakers zum implodieren zu bringen. Mit großen Ambitionen startete die stolze Franchise in die Spielzeit und dachte eigentlich, dass sie mit Steve Nash, Kobe Bryant, Pau Gasol und Dwight Howard genug Klasse versammelt hat, um einmal mehr um den Titel mitspielen zu können.

Und dann bricht sich Neuzugang Nash gegen Portland das Bein. Ausgerechnet Nash, der sicher nicht den Status eines Kobe Bryant genießt, aber doch mit seiner Erfahrung, seiner Spielübersicht und seiner grundsätzlichen Klasse nicht nur die Black Mamba entlasten, sondern auch genug Würfe für Gasol und Howard kreieren sollte, um alle Stars zufrieden zu stellen und für Harmonie in Tinseltown zu sorgen.

Und der darüber hinaus den anderen Neuzugängen wie Jodie Meeks oder Antawn Jamison das Einleben leichter machen sollte. Denn eins war vorher klar: Die Lakers haben jede Menge Charakterköpfe in ihren Reihen, nicht zuletzt Bryant. Teamchemie war von vornherein eins der großen Themen.

Ohne Nash, der wochenlang ausfiel, herrschte plötzlich totales Chaos auf dem Platz. Bryant zog seine berüchtigte One-Man-Show ab, Howard fand sich in L.A. schwer zurecht und Gasol war genervt, weil er trotzdem in der Hierarchie hinter dem Neuen anstehen musste.

Nash nach Verletzung zum Schützen degradiert

Der Trainerwechsel von Mike Brown zu Mike D'Antoni brachte zunächst auch nichts. Im Gegenteil: Sein blinder Aktionismus und das sture Beharren auf seinen Systemen brachte die Lakers in noch größere Schwierigkeiten.

Jeder dachte allerdings: Wenn Nash erst wieder da ist, wird alles gut. Zumal der Kanadier D'Antoni aus gemeinsamen Zeiten bei den Suns bestens kennt.

Doch Pustekuchen: Es dauerte zwar eine Weile, aber inzwischen hatte sich der Trainer ein neues Konzept zurecht gelegt, dass vor allem darauf ausgelegt war, Bryant als Spielmacher und Nash als Schützen fungieren zu lassen.

Für Nash und seine Anhänger war dies ein Schock, alle Experten reagierten mit Unverständnis. Hier wurde einer der besten Ballhandler und Passgeber der Geschichte zum Spot-Up-Shooter degradiert und seiner größten Stärken beraubt.

Nash: weniger Assists, weniger Turnover

Der Erfolg allerdings gab dem Coach recht. Die Lakers wurden in den vergangenen Monaten stetig besser, das Verhältnis von Bryant und Howard - die zuvor verbal häufiger aneinander geraten waren - soll nie besser gewesen sein als dieser Tage.

Und tatsächlich haben die Lakers allerbeste Chancen, trotz Katastrophenstarts doch noch die Playoffs zu erreichen. Und wer weiß, was da alles möglich ist?

Steve Nash ist bei dieser kleinen Erfolgsgeschichte allenfalls eine Randnotiz. Erst zehn Mal konnte er in dieser Spielzeit zweistellige Assists sammeln, sein Schnitt von 6,7 Vorlagen pro Spiel ist der schlechteste seit der Saison 1999/2000.

Gleichzeitig allerdings sank sein Turnover-Schnitt auf 2,5 pro Spiel. Das wiederum ist der beste Wert seit 2002/2003. Klar, wer weniger den Ball in den Händen hält, verteilt weniger Assists, läuft aber gleichzeitig auch nicht so oft Gefahr, die Kugel zu verlieren.

Nash kratzt erneut am 50-40-90

In punkto Scoring, und das ist dann doch irgendwie positiv, ist Nash effektiv wie eh und je: 12,7 Punkte pro Partie sind solide und praktisch genauso gut wie im Vorjahr (12,5), was aber seit jeher heraussticht, sind Nashs Quoten.

Der inzwischen 39-Jährige gehört seit 2006 zum elitären 50-40-90-Klub, jenem Kreis von NBA-Profis also, die in einer Saison mindestens 50 Prozent aus dem Feld, 40 Prozent von der Dreier- und 90 Prozent von der Freiwurflinie trafen.

De facto ist Nash sogar der Präsident, König und Kaiser dieses Klubs: Denn während von den anderen vier Mitgliedern (Larry Bird, Mark Price, Reggie Miller und Dirk Nowitzki) nur Bird zwei solcher Saisons hinlegte, gelang Nash diese Leistung gleich vier Mal!

Und 2007 verpasste er eine fünfte 50-40-90-Saison um 0,1 Prozent bei der Dreierquote. In diesem Jahr fehlen ihm 0,3 Prozent bei der FG-Quote. Und einige Spiele vor Ende der Regular Season hat Nash noch alle Chancen, um diesen Schönheitsfehler zu korrigieren.

Paul: Verletzung bedrohte Clippers-Saison

In einer neuen Rolle als Schütze fühlt sich Nash also durchaus wohl, auch wenn man das Gefühl nicht loswird, dass er als klassischer Playmaker noch viel besser sein könnte - und damit auch die Lakers.

Sein Gegner am Sonntag, Chris Paul, hat mit Verletzungen in seiner Karriere auch so seine Erfahrungen gemacht, insbesondere die Knie sind die Schwachstelle am Körper des 27-Jährigen. Ein Meniskusriss und regelmäßige kleinere Wehwehchen setzten Paul immer mal wieder außer Gefecht.

In dieser Spielzeit drohte ein Knie-an-Knie-Zusammenstoß mit J.J. Redick Pauls Saison - und die der Clippers - aufs Negativste zu beeinflussen. Der Spielmacher verpasste zwölf Spiele, in denen sich zeigte, wie abhängig das Team von seinem Superstar ist.

Denn die Bilanz in dieser Zeit lautete 6-6 - insdiskutabel für ein Spitzenteam. Unter anderem schenkte man Partien gegen Toronto und Phoenix her. Die Fans befürchteten: Wenn Paul nicht bald wieder bei 100 Prozent ist, könnte die zunächst so erfreuliche Saison im Desaster enden.

Mit Gala zum All-Star Game MVP Award

Denn obwohl es in punkto Point-Guard-Qualitäten (Ballhandling, Spielübersicht, Tempovariation etc.) durchaus Parallelen zwischen Nash und Paul zeigen, ist ihr Wert für ihre jeweilige Mannschaft völlig unterschiedlich.

Der alternde Nash scheint plötzlich ersetzlich, ist nur noch einer von vielen Stars. Paul, mit 27-Jahren auf dem Gipfel seiner Schaffenskraft, ist das Zentrum der Clippers, derjenige, dessen Leistung und Fitness über Wohl und Wehe der ganzen Mannschaft entscheidet.

Die Sorgen der Anhänger waren zum Glück unbegründet: Paul kehrte Anfang Februar zurück, steigerte sich in den fünf Spielen vor dem All-Star Weekend stetig und zeigte im All-Star Game, was er alles drauf hat. Mit einer wahren Show und 20 Punkten sowie 15 Assists schnappte er sich - etwas überraschend und doch völlig verdient - den All-Star Game MVP Award.

Seitdem bringt Paul fast durchweg Topleistungen, gönnt sich bei klaren Ergebnissen wichtige Verschnaufpausen und hält so sein Energielevel hoch. Das Verständnis mit den Teamkollegen ist nach fast zwei Jahren in L.A. nahezu perfekt.

Defense: Paul und Nash trennen Welten

Und während Paul nicht ganz so stark von der Dreierlinie schießt wie Nash (Karrierewert 35,7 Prozent), hat er eine Stärke, die Nash nie hatte und nie haben wird: Er ist ein bärenstarker Verteidiger, gemeinsam mit Rajon Rondo (wenn dieser die erforderliche Lust hat) vielleicht der ligaweit beste auf seiner Position.

Mit 2,42 Steals liegt er in dieser Kategorie derzeit ligaweit auf Platz eins, seine Antizipation und seine Übersicht auch auf dieser Seite des Courts sind stets ein Genuss für Basketball-Puristen.

Nash dagegen gilt seit Jahren eher als Belastung für die eigene Defense. Howard hat als Help-Verteidiger doppelte Arbeit, weil er regelmäßig Nashs Gegnspieler aufnehmen muss, nachdem der spielend am Kanadier vorbeizog.

Nash fehlt die nötige Beinarbeit und Schnelligkeit, um gerade in der mit pfeilschnellen Spielmachern gespickten Western Conference seinen Mann zu stehen. Mehr als ein aufgenommenes Offensivfoul hier und da kann Nash eigentlich nicht beitragen.

Paul gegen Nash stets gut drauf

Einige seiner besten Spiele in diesem Jahr macht Paul deshalb nicht von ungefähr ausgerechnet gegen die Lakers. In zwei der drei Spielen, in denen er gegen Nash spielte, kam der Clipper auf 27,5 Punkte und 13 Assists.

Steht uns am Sonntag also eine weitere Paul-Show bevor? Das dürfte unter anderem davon abhängen, ob Nash spielen kann. Denn zuletzt fiel er wieder zwei Spiele aus, die Adduktoren machten Nash zu schaffen.

Aber: Sowohl gegen Sacramento als auch gegen die Mavs gab es Siege. Im Lakerland bricht inzwischen niemand mehr in Panik aus, wenn Nash fehlt.

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