NBA

Harrison Barnes: Ohne Gnade

Von BASKET
Gleich wird's krachen: Harrison Barnes hat sich mit spektakulären Dunks einen Namen gemacht
© getty

Am College wurde Harrison Barnes bereits mit Kobe Bryant und sogar Michael Jordan verglichen. So weit ist der Warriors-Rookie aber längst noch nicht. Dennoch sorgt er nicht nur mit spektakulären Dunks regelmäßig für Furore.

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Die ersten Minuten hauen irgendwie keinen so richtig vom Hocker. Die 16.937 Fans, die sich das Gastspiel der Warriors in Milwaukee anschauen, sehen eine Partie, die erst mal so vor sich hin plätschert.

Bis Stephen Curry zum Korb zieht und den in der Ecke frei stehenden Harrison Barnes bedient. Der Youngster fackelt nicht lange, tritt energisch an. Er hat einen Plan, einen verrückten Plan. Früh in der Saison hätte der 20-Jährige noch den Dreier genommen, heute will er es aber wissen.

Ersan Ilyasova stellt sich ihm in den Weg, will ihm zeigen: bis hier und nicht weiter. Denkste! Mit einem Akt purer Athletik hebt der 2,03-Meter-Mann ab. Der Blockversuch scheitert, der Modellathlet zimmert den Ball per Monsterdunk über den Türken in den Korb. Die Fans staunen.

Der Hauptdarsteller selbst bleibt cool, ohne große Reaktion geht's in die Defense. Dabei ist diese Aktion ohne Zweifel eines der Highlights der Saison. Ein Moment, der in keinem Saisonrückblick fehlen darf.

Starke Stats am College

Eigentlich hätte Ilyasova es wissen müssen, denn der Rookie ist Wiederholungstäter. Bereits gegen die Timberwolves gelingt ihm sein erster Streich. Das Opfer: 2,11-Meter-Hüne Nikola Pekovic.

Auch den Center aus Montenegro überspringt Barnes und stopft spektakulär. Ein weiteres Opfer ist danach Torontos Aaron Gray (2,13 m). Harrison, der Showstealer. Aber hat er auch das Zeug zum Star? Oder reicht es nur für einzelne Highlights?

Die Erwartungen an den Forward sind in Oakland hoch. An siebter Stelle pickten ihn die Warriors im 2012er-Draft. Am College in North Carolina sahen die Experten in ihm den neuen Michael Jordan.

Barnes' dritter Vorname: Jordan

Und das nicht nur, weil Mutter Shirley glühender MJ-Fan ist und ihrem Sohnemann deswegen auch den (dritten) Vornamen Jordan verpasste. Barnes war 2010 Highschool-Spieler des Jahres und zeigte 2011/12 starke Leistungen für die Tar Heels. In Zahlen ausgedrückt: 17,1 Punkte und 5,2 Rebounds.

Zu solchen Performances reicht es bei den Warriors noch nicht. Ab und an blitzt sein Potenzial auf. Er spielt solide. Scort im Schnitt 9,1 Punkte im Schnitt und holt 3,9 Rebounds.

Insgesamt sind seine Leistungen aber zu inkonstant. Bis auf seine spektakulären Dunks und einige Glanzmomente agiert er eher unauffällig und nimmt kaum Würfe (7,6), obwohl er durchschnittlich 25,1 Minuten spielt und das Potenzial für eine größere Rolle hat.

Barnes reift im Schatten von Curry und Lee

Dennoch trägt der ehemalige Tar Heel einen erheblichen Teil zum Erfolg seiner Warriors bei, die ihre Siegquote um über 20 Prozent gesteigert haben.

Das solide Rebounding, die Vielseitigkeit im Angriff und seine starke Defense, die für einen Rookie sehr ausgeprägt ist, sprechen für Barnes. Er ist ein Slasher und passt damit perfekt zu den Shootern Stephen Curry und Klay Thompson. Zudem ist Harrison stark im Low Post.

Noch ist er aber keine tragende Säule im Team wie Curry oder David Lee. Das Positive: Im Schatten des Leader-Duos können er und andere Youngster wie Thompson wachsen.

Der Druck liegt auf anderen Schultern. Deshalb ist auch seine Rookie-Saison weitgehend unbeachtet abgelaufen. Die Crunchtime ist Curry- oder Lee-Zeit.

Hervorragender Rollenspieler

Doch Coach Mark Jackson weiß, was er an seinem Schützling hat. Barnes ist ein hervorragender Rollenspieler. Persönliche Interessen stellt Harrison zurück, spielt teamorientiert.

Deshalb hat er als Rookie auch etablierte Routiniers wie Richard Jefferson im Kampf um den Starterjob auf der Drei ausgestochen. Und diesen Platz will er sich nicht mehr nehmen lassen.

Sein größter Trumpf: die Defense. "Er bringt uns auf ein anderes Level, wenn er attackiert und aggressiv ist", lobt Mark Jackson. "Wenn er auf dem Feld steht, dann möchte ich sehen, dass er seine Füße immer auf dem Gaspedal stehen hat. Ich möchte, dass er mich zwingt, ihm zu sagen: 'Beruhige dich, Junge.'"

Der Forward ist ein Arbeitstier. Er legte schon am College Extraschichten ein, um noch besser zu werden. Bereits im Kindesalter in Ames, Iowa, fing sein Ehrgeiz an. Barnes sehnte sich nach den Sommermonaten, in denen er draußen trainieren konnte: Basketball, American Football oder Leichtathletik. Er ist ein unglaublicher Athlet, und sein Spiel ist von enormer Physis geprägt.

Der vielseitigste Warrior

Alles in allem ist Barnes der beste Allrounder der Warriors. Die Spielanlage erinnert an Paul George, dem in diesem Jahr der Durchbruch in Indiana gelang. Der Pacers-All-Star brauchte drei Spielzeiten, um sein Potenzial voll abzurufen.

Diese Zeit muss man Harrison Barnes auch geben. Für seine 20 Lenze spielt er beachtlich. Was noch fehlt, ist das gewisse Charisma und die nötige Aggressivität, die große Spieler auszeichnet.

Manchmal kommt er noch zu lieb daher, traut sich zu selten - eine Ausnahme sind seine Dunks, bei denen er seine Aggressivität zeigt. Sonst aber wirkt Barnes oft wie ein Mitläufer. Die Gefahr ist groß, dass er in Oakland ein wenig untergeht, da Coach Jackson mit Curry, Jarrett Jack, Lee, Thompson und Andrew Bogut schon fünf starke Waffen in seinem Kader hat.

Es liegt jetzt an ihm, seine Kritiker eines Besseren zu belehren. Bereits in den kommenden Playoffs kann er damit anfangen, den Weg zum Star einzuschlagen. Damit man ihn zukünftig nicht nur mit spektakulären Dunks in Verbindung bringt.

Scouting-Report

Stärken: Mit 2,03 Metern hat er eine gute Größe für einen Small Forward. Sehr lange Arme. Solider Rebounder, überragende Athletik. Ein Kämpfertyp. Arbeitet akribisch, um besser zu werden. Im Angriff sehr variabel. Auch von jenseits der Dreierlinie gefährlich. Ist der vielseitigste Spieler bei den Warriors.

Schwächen: Agiert für sein Talent zu unauffällig. Ist eher smooth als dominant. Im Rebounding hat er viel mehr Potenzial und ruft es zu selten ab.

Fazit: Barnes ähnelt Paul George und Luol Deng. Er muss aber dominanter agieren und sein Potenzial abrufen, um mehr als ein Rollenspieler zu sein. Zum Star fehlt ihm (momentan) der Killerinstinkt.

Dieser Artikel erscheint in BASKET 05/2013

Ergebnisse und Spielplan im Überblick