NBA

Shane Battier: Der Lego-Mann

Von Sebastian Dumitru
Shane Battier ist der X-Faktor für den Erfolg der Miami Heat
© getty

Miami (Mo., ab 1 Uhr bei den Spurs im LIVE-STREAM FOR FREE) dominiert in diesem Jahr das NBA-Geschehen wie nur wenige Teams zuvor. Dass sie jeden Konkurrenten alt aussehen lassen und neue Sphären erreicht haben, liegt aber nicht nur an Superstars wie LeBron James oder Dwyane Wade, sondern auch an einem meist übersehenen Mann, der diese Heat erst zu dem gemacht hat, was sie heute sind: Winnertypen!

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Die Heat-Serie mag bei 27 Siegen in Folge jäh gestoppt worden sein, ehe sie den 41 Jahre alten Rekord der Los Angeles Lakers (33 in Folge) knacken konnte. Eines aber wurde in den vergangenen 53 Tagen überdeutlich: Miami dominiert seine Conference und einen Großteil der NBA wie nur wenige Mannschaften in der Geschichte des nordamerikanischen Profisports zuvor.

Der amtierende Champ ist in dieser Saison nicht nur individuell und kollektiv stärker als die meisten seiner Gegner, sondern legt obendrein dieses gewisse Etwas, diese Aura der Unbesiegbarkeit an den Tag, die phasenweise perfekten Basketball transzendiert.

Das war nicht immer so. Obwohl dieses Team seit dem ersten Tag der Big-Three-Ära das in der Spitze talentierteste aller Zeiten war - noch nie zuvor hatten sich drei All-NBA-Kaliber in der Blüte ihrer Profikarrieren zusammen geschart, um zusammen auf Ringjagd zu gehen - ließ es fast alles vermissen, was man von einem Spitzenteam erwartete.

"Positionsloser Basketball"

Miami wirkte anspruchsberechtigt, herablassend, dumm-dreist. Wer erinnert sich nicht an die abwechselnden Ein-Mann-Shows von Dwyane Wade und LeBron James, den völlig verkorksten Saisonstart oder die peinliche Final-Implosion gegen Dallas? Miami hatte schon damals viel mehr Bausteine im Klötzchenkasten als jedes andere Team. Was aber fehlte, war das geeignete Verbindungsstück.

Bis zum Sommer 2011, als Präsident Pat Riley Free Agent Shane Battier verpflichtete. Battier, der Lego-Mann. Battier, der eine Spieler, der die vielen individuellen Bruchstücke zu einem kohärenten Ganzen vereinigte.

Die Playoffs entschlüsselten eine nie zuvor gekannte Lineup-Kombination, in der Battier zum Symbol einer völlig neuen, bahnbrechenden Revolution wurde: "positionsloser Basketball".

Ein 5-0-System

Chris Boshs Bauchmuskelverletzung zwang Coach Erik Spoelstra dazu, zu improvisieren, um die frech aufspielenden Indiana Pacers im Zaum zu halten. Also experimentierte er mit Battier und James als Power Forwards. Seither ist Miamis Offensive nicht mehr wiederzuerkennen, weil man seine eigene Identität kultiviert, anstatt das zu tun, was alle anderen auch machen.

Wo früher viel Isolationsbasketball gepflegt und James/Wade dabei zugeschaut wurde, wie sie ein traditionelles Pick & Roll nach dem anderen spielen, werden heute zahlreiche Hochgeschwindigkeits-Routen gelaufen, die den Gegner pausenlos verwirren. Es scheint, als seien fünf Mann und der Spalding pausenlos in Bewegung.

Das Feld ist breit, der Perimeter mit Dreierschützen wie Battier, Ray Allen, Mario Chalmers, Norris Cole, Mike Miller oder Rashard Lewis gespickt und die Zone permanent offen für Dribble Drives von Wade und James. De facto ein 5-0-System, ein völlig neues Basketballzeitalter.

"Der Unterschied war Battier"

Das ist zwar nicht völlig neu, denn Don Nelson, der Trainer mit den meisten Siegen aller Zeiten, tüftelte bereits in den 80ern mit den ersten Smallball-Lineups und Five-Out-Sets herum, aber die Durchschlagskraft dieser Strategie steigt bei der Brillanz eines James und Wade natürlich exponentiell an. Wenn Miami offensiv am Limit agiert, verbrennt sich jeder Gegner die Finger beim Versuch, diese Naturgewalt aufzuhalten.

Was sagte Spoelstra nach den Finalspielen gegen Oklahoma City, in denen Battier nicht nur dank 17 Punkten (5/7 Dreier) in Spiel 2 zu einem gefeierten Helden avancierte?

"Der Unterschied zwischen diesem Jahr und dem letzten war Shane Battier. Darum haben wir so heftig um ihn gebuhlt vor der Saison. Viele Leute hielten das für unorthodox. Sie fanden, wir hätten schon mehr als genug Flügelspieler, also wozu noch einen verpflichten? Aber er war der Schlüssel für uns, das eine Teilstück, das es uns erlaubte, unsere ganze Vielseitigkeit auszuschöpfen und unsere besten Spieler aufs Parkett zu schicken und positionslos zu spielen. Andere Teams müssen sich jetzt an uns anpassen. Das verdanken wir Shane."

3 Titel in der High School

Battier, der X-Faktor, der Winnertyp. Den meisten Beobachtern war er während seiner ersten zehn NBA-Jahre nie so richtig aufgefallen. Wahrscheinlich, weil er nie in den Finals stand. Wahrscheinlicher aber, weil er über keine einzige ausgemachte Fähigkeit auf dem Hartholz verfügt.

Er ist kein tödlicher Schütze, er kann nicht dribbeln, er ist zu langsam und hat weniger Sprungkraft als Riley im Rentneralter. Seine Go-to-Moves beschränken sich auf einen garstigen Möchtegern-Haken gegen kleinere Gegner im Post und den freien Dreier aus der Ecke - sein absoluter Lieblingswurf.

Was Battier aber wie kein anderer kann: das Spiel in seiner ganzen Mannigfaltigkeit beeinflussen und all die kleinen Dinge tun, die das Team zum Sieg führen.

Siege - sie ziehen sich wie ein roter Faden durch Battiers Karriere. In der High School gewann er drei Meisterschaften und den Titel des besten Nachwuchsbasketballers.

Battier macht all die kleinen Dinge

Später, an der renommierten Duke University von Mike Krzyzewski, verhalf er den Blue Devils zu unfassbaren 131-15 Siegen und der College-Trophäe, bevor er in die NBA wechselte. Die zuvor historisch schwachen Grizzlies verbesserten sich von 23 Siegen in Battiers Rookie-Saison auf 50 in seinem zweiten Jahr und den ersten Playoff-Platz der Teamgeschichte.

Houston, wo er danach hin wechselte, gewann mit ihm 18 Spiele mehr als im Vorjahr und verblüffte eine Saison später mit dem damals zweitlängsten Erfolgsrun aller Zeiten (22 Siege in Folge).

Mit seinem Wechsel nach Miami brachte er die mentale Toughness, die Uneigennützigkeit und den Willen mit, sich voll und ganz in den Dienst der Mannschaft zu stellen - auch wenn das oft weh tun mag.

Alles für den Sieg, nur das zählt. Ob er Abend für Abend den besten Perimeter-Scorer des Gegners in Schach hält, sich gegen 30 Kilogramm schwerere Brocken im Low Post stemmt oder den Genickbrecher-Dreier trifft, Battier macht all die kleinen Dinge, die Miami in der Spalte für die Siege das nächste "W" einbringen.

"Er ist unser Winnertyp"

Davon zehren schließlich alle Heat-Spieler, auch James. Battier ist ein Musterprofi, über den man in dieser neuen Schuhreklamen-, Highlight-Videos-, Selbstinszenierungs-NBA kaum spricht. Aber einer, ohne den Titelgewinne bei aller Starpower dieser Welt unmöglich wären.

Es sind die Veteranen, die "Glue Guys", die zerebralen Typen, die Meisterschaften mit entscheiden oder irre Serien wie 22 und 27 Siege in Folge ermöglichen.

"Er ist ein riesiger Teil dessen, was wir hier tun", macht Allen zum Schluss deutlich, wie unverzichtbar Battier trotz Superstars wie James und Wade wirklich ist.

"Ohne Typen wie ihn ist es unmöglich, solche Runs herunterzurattern und diese Erfolge zu haben. Er bringt die Konstanz und die Selbstlosigkeit und die richtigen Verhaltensmuster, Abend für Abend. All die Sachen, die man nicht auf den ersten Blick erkennt. Er ist unser Winnertyp."

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