NBA

Rockets im Anflug

Von David Digili
Ömer Asik, Jeremy Lin, Chandler Parsons und James Harden bilden das Gerüst der neuen Rockets
© getty

Die erfolglosen Jahre in Houston sollen endlich vorbei sein: Das jüngste Team der NBA lässt bei Fans und Experten Hoffnungen auf eine Rückkehr zu glorreichen Zeiten in der Ölmetropole aufkommen. Wie ein risikofreudiger GM und ein erfahrener Coach die Rockets zu einer Mannschaft mit Zukunft formen.

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"DAS sind die Spiele, die in den Playoffs auf das Team warten werden!" NBA-Legende und Rockets-Co-Kommentator Clyde Drexler konnte es gar nicht oft genug sagen, am Sonntag im texanischen Duell gegen die San Antonio Spurs. Die markant kloßige Stimme des früher so eleganten Guards pendelte sich irgendwo zwischen "ungläubig", und "euphorisch" ein während dieser mitreißenden vier Viertel.

Er wird damit nicht allein gewesen sein - der etwas überraschende 96:95-Sieg der Gastgeber über den Favoriten hat vielleicht auch die letzten Zweifler überzeugt: Mit den Houston Rockets des Jahres 2013 ist zu rechnen.

"Wir reifen mit jedem Spiel"

Diese eine Partie hat den ganzen Umschwung gezeigt, der sich beim zweimaligen NBA-Champion in dieser Saison abspielt. Hier war alles zu sehen, was das Potenzial des jüngsten Teams der Liga (24,4 Jahre im Schnitt) hergibt - oder hergeben kann: Einsatz. Kontrollierte (!) Offense. Unterstützung von der Bank. Nervenstärke. Harte Defense in den entscheidenden Momenten.

"Das fühlte sich wirklich schon an wie in den Playoffs" bestätigt auch Star-Guard James Harden nach der Partie. Die Fans - sie sind stimmungsmäßig sowieso schon reif für die Postseason.

Natürlich läuft noch bei weitem nicht alles rund bei den Rockets: Die drittschlechteste Defense der Liga (102,8 gegnerische Punkte pro Spiel)? Die mit Abstand meisten Ballverluste (16,5 pro Partie)? Coach Kevin McHale weiß um die Schwächen seines Teams:

"Wir sind eine extrem junge Mannschaft, aber mit jedem Tag und jedem Spiel werden meine Jungs ein wenig älter und erfahrener", sagt der 55-Jährige, der mit seiner väterlichen, verständnisvollen Art seine Spieler erreicht. "Es läuft noch immer die Phase, in der sich jeder gewöhnen muss an seine Einsatzzeit, an seine Aufgaben. Es steht für mich außer Frage, dass unsere Defense noch viel besser - und konstant besser - werden wird."

Erwartungen lange enttäuscht

Konstant besser - das Mantra dieser Saison, die eigentlich schon der x-te Anlauf zurück zum Erfolg ist. Clyde Drexler. Charles Barkley. Scottie Pippen. Steve Francis. Cuttino Mobley. Yao Ming. Tracey McGrady. Die Fans der Rockets wurden in den letzten 15 Jahren häufiger in vermeintliche Sphären von Hoffnung und Titelträumen katapultiert. Seit den Meisterschaften 1994 und 1995 wartet die viertgrößte Stadt der USA auf neue Erfolgserlebnisse.

Hier haben die ganz großen Ölkonzerne der Welt ihre Zentralen, wie sie sich J.R. Ewing aus dem benachbarten Dallas nicht monströser hätte ausdenken können. Die Stadt ist einer der größten Wirtschaftsmotoren der USA - doch so groß die industrielle Bedeutung auch ist, so vehement ist die basketballtechnische Bedeutung in den letzten Jahren gesunken.

Viel hat das Rockets-Management probiert. Ende der 90er sollte das Hall-of-Fame-Trio Hakeem Olajuwon/Drexler/Barkley die Texaner dauerhaft zur Macht in der NBA werden lassen und an die beiden Championships kurz zuvor anknüpfen. Doch nicht nur die Höhephase der Utah Jazz und die damals aufstrebenden L.A. Lakers, auch Verletzungsprobleme der drei alternden Stars machten den hehren Zielen einen Strich durch die Rechnung.

Playoff-Desaster

Auch mit Scottie Pippen als "Ersatzlegende" für den zurückgetretenen Drexler stellte sich später kein Erfolg ein (dafür aber viele lesenswerte teaminterne Sticheleien zwischen "Pip" und "Sir Charles").

Nach der Jahrtausendwende schließlich sollten erst Francis und Yao, dann McGrady und Yao eine neue Dynastie entstehen. Es lief alles schief, was schieflaufen kann - von zu hoher Erwartungshaltung an überschätzte Spieler über Verletzungsprobleme bis hin zu Verständigungsschwierigkeiten auf dem Court.

Traurige Bilanz seit 1997/98:

- 1x Aus im Conference-Halbfinale
- 6x Aus in der ersten Playoff-Runde
- 8x Playoffs verpasst, zuletzt drei Mal in Folge

GM Morey als Architekt des neuen Erfolgs

Dazu neue Logos und Trikots von, nun ja, nicht gerade ausgewählter Schönheit, und ein Umzug in eine neue Halle - das Toyota Center, das seit 2003 nur wenige große Spiele sehen durfte.

Umso euphorischer ist die Stimmung um die Rockets nun, da das Team so vielversprechend scheint wie seit Ewigkeiten nicht mehr. General Manager Daryl Morey dürfte ein heißer Anwärter auf den "Executive-of-the-Year"-Award sein. Seine Personalentscheidungen - auch im Tandem mit Coach Kevin McHale - haben die Schlagzeilen dieser Saison bestimmt:

Erst kam Center Ömer Asik aus Chicago, dann Aufbau Jeremy Lin von den Knicks, dazu der Blockbuster-Trade für James Harden. Ein Umbruch, so radikal, wie er nur geht - aus dem Kader der letzten Saison sind nur noch Swingman Chandler Parsons und Center Greg Smith übrig.

Morey, seit 2007 im Amt, scheint in dieser Saison anpacken zu können, was er will - egal, wie riskant, es erweist sich als Glücksgriff. Wird Asik zum Elite-Center? Check. Der Trade von Starter Patrick Patterson, Backup-Guard Toney Douglas und Center Cole Aldrich für den hochtalentierten Rookie Thomas Robinson und den erfahrenen Francisco Garcia von den Sacramento Kings? Check. Die Rückkehr von Guard Aaron Brooks? Check.

Besser als Dallas und die Lakers

Ebenso hochkarätig ist die Arbeit von McHale, der aus begnadeten Talenten wie Harden, Allroundern wie Parsons und Spezialisten wie Asik eine Einheit geformt hat. An vielen guten Tagen scheint es, die Mannschaft würde schon jahrelang in exakt dieser Konstellation auf dem Court stehen.

"Alle sprechen davon, dass Dallas und die Lakers noch in die Playoffs wollen, aber dazu muss eines von beiden Teams erst mal an Houston vorbei", sagt Ex-Rockets-Trainer und TV-Experte Jeff van Gundy. "Dieses Team ist so gut besetzt, dass sie da sicher nicht in Ehrfurcht erstarren werden. Das Selbstbewusstsein und das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten sind da."

Nach dem Heimsieg gegen San Antonio steht Houston bei 39:31 Siegen. Platz sieben im Westen. Gut möglich also, dass wir Clyde Drexlers Stimme auch in den Playoffs ein wenig länger hören.

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