NBA

Alexey Shved: Aus dem Nichts

Von Henning Kuhl
Brachte viel Spielverständnis aus Europa mit: Timberwolves-Rookie Alexey Shved
© getty

Bei den Minnesota Timberwolves gibt es in dieser Saison nur wenige Lichtblicke - einer davon ist Alexey Shved: der russische Rookie-Guard, den vor der Saison eigentlich niemand auf der Rechnung hatte. Doch das könnte sein Verhängnis werden.

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Die Timberwolves sind in dieser Spielzeit wirklich nicht zu beneiden. Kaum ein Team wurde dermaßen von der Verletzungsseuche geplagt wie Minnesota: Ricky Rubio verpasste nach seinem Kreuzbandriss im März die ersten 20 Spiele, dazu fielen unter anderem J.J. Barea, Brandon Roy und Luke Ridnour aus - allesamt Guards.

Die Sorgenfalten hätten nicht tiefer sein können, zumal sich mit Kevin Love auch noch der Franchise-Player des Teams verletzte und zum Saisonstart ebenfalls ausfiel. Minnesota suchte einen Retter, wenngleich die Verantwortlichen um Coach Rick Adelman schon mit einem desaströsen Start rechneten. Doch dann trat ganz unerwartet ein Spieler in den Vordergrund. Alexey Shved.

Verletzungspech der Wolves

Der 24-Jährige sollte mit Rubio, Ridnour und Barea das tiefste Aufbauquartett der NBA bilden, doch plötzlich stand er allein auf weiter Flur. Für den Russen aber kein Problem: In den ersten Wochen legte der Liga-Neuling ordentliche Zahlen auf und zeigte, dass ihn die Wolves zu Recht aus Moskau in die NBA geholt haben.

So gelangen dem 1,98-Meter großen Guard etwa gegen Golden State 22 Punkte und sieben Assists. Seine Trefferquoten aus dem Feld (38,1 Prozent) und von jenseits der Dreierlinie (30,5 Prozent) sowie seine Defense (0,8 STL) sind aber alles andere als angsteinflößend. Auf diesen Bereichen muss sich der Rechtshänder in jedem Fall verbessern.

Das gilt auch für sein schwaches Englisch: "Ich arbeite an mir. Aber mit der Zeit gewöhne ich mich immer besser an alles", sagt Shved. Die Voraussetzungen zum soliden NBA-Spieler bringt er auf jeden Fall mit: Der Rechtshänder überzeugt durch seine Court Vision, ein sicheres Ballhandling und gutes Spielverständnis. Dennoch wird er auch diese Elemente seines Spiels weiterentwickeln und verbessern müssen, um sich langfristig in der NBA zu etablieren.

Ausbildung in Moskau

Seine Stärken kommen nicht von ungefähr, denn der russische Nationalspieler konnte in den letzten Jahren auf höchstem Niveau trainieren: Von 2006 an spielte Alexey Shved für ZSKA Moskau und konnte sich mit den besten Point Guards in Europa messen. Mit dem Euro-Powerhouse gewann er diverse Titel, darunter die Euroleague (2008), den russischen Pokal (2007 und 2010) und die russische Meisterschaft (2006-2012).

An der Seite des serbischen Aufbauspielers Milos Teodosic entwickelte sich Shved in den letzten Jahren immer mehr zum Führungsspieler und führte die russische Nationalmannschaft 2011 in Litauen zur EM-Bronzemedaille sowie 2012 in London zur Olympia-Bronze. Bei der EM avancierte Shved zum viertbesten Scorer (8,5 PKT) und Vorbereiter (3,1 AST) der "Sbornaja". Im Kader der Nationalmannschaft stand auch Andrei Kirilenko, der die abgelaufene Saison an Shveds Seite in Moskau absolvierte und nun ebenfalls bei den Timberwolves spielt.

Weniger ist mehr

Mit der Rückkehr der anderen Point Guards bekam Shved zwar ein paar -Minuten weniger (von 32,3 auf 28,5 Minuten pro Spiel), konstant solide Leistungen lieferte der 1,98-Meter-Mann aber dennoch weiterhin ab (10,7 PKT, 4,5 REB). An Rubios, Ridnours und Bareas Seite erhält der Russe freie Würfe und kann sich gut einbringen.

"Natürlich bin ich froh, dass mir so viel Vertrauen geschenkt wird. Ich möchte es rechtfertigen und dem Team helfen." Das gelingt: In zwölf der ersten 50 Partien legt er mindestens 15 Punkte auf, 21 Mal fünf oder mehr Assists. Man sieht: Shved ist in der NBA angekommen und kann auch neben Rubio und Co. eine wichtige Rolle im Timberwolves-Backcourt spielen.

Dementsprechend ist auch Headcoach Rick Adelman voll des Lobes: "Er hat noch Luft nach oben, denn sein Potenzial ist riesig. Alexey ist ein schlauer Guard, der das Spiel gut lesen kann." Doch genau das könnte dem Rookie zum Verhängnis werden.

Trade-Kandidat?

Denn eben weil Shved überraschend gut spielt und solide Zahlen auflegt, könnte er zu einem "Trade-Opfer" werden. Es ist kein Geheimnis, dass Franchise-Player Kevin Love Erfolg haben will. Und wenn der nicht kommt, ist Loves Abschied sehr wahrscheinlich: "Ich bleibe nicht für noch einen Rebuild", erklärte der Power Forward gegenüber BASKET (siehe 02/2013).

Da die Wolves auch in dieser Saison wieder im Niemandsland der Tabelle herumdümpeln (19 Siege, 31 Niederlagen), werden die Verantwortlichen jedwede Möglichkeit hinterfragen, um Love doch zu halten. Und an dieser Stelle kommt Shved ins Spiel.

Denn in einem Paket wäre der Russe, der sich als zuverlässiger Bench-Player bewiesen hat, ein gutes Lockmittel für andere Teams. Zusätzlich ist sein Gehalt mit 2,9 Millionen Dollar pro Jahr für NBA-Verhältnisse nicht wirklich hoch. Das Interesse anderer Clubs hat der 24-Jährige mit Sicherheit geweckt.

Tja, was tun?! Soll Minnesota den quasi aus dem Nichts gekommenen Überraschungs-Rookie behalten oder weiter auf die etatmäßigen Guards vertrauen? Die Wolves sind schon wieder nicht zu beneiden.

Scouting-Report

Stärken: Sein sicheres Ballhandling, die gute Courtvision, seine Qualitäten als Passgeber sowie eine ordentliche Portion Spielverständnis sind die größten Stärken des Russen.

Schwächen: Seine Trefferquoten aus dem Feld (38,1 Prozent) und von der Dreierlinie (30,5 Prozent) sind noch zu schlecht. Er muss an Masse zulegen, um auf Dauer in der Offense und Defense eine tragende Rolle spielen zu können.

Dieser Artikel erscheint in BASKET 04/2013

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