NBA

"Froh, aus Deutschland raus zu sein"

Von Interview: Marcel Friederich
Tim Ohlbrecht fühlt sich in der D-League bei den Rio Grande Valley Vipers pudelwohl
© Getty

Ein besonderes Wochenende liegt hinter Tim Ohlbrecht. Beim All-Star-Wochenende der NBA in Houston machte der deutsche Basketball-Nationalspieler auf sich aufmerksam. Im Interview mit SPOX spricht er über zu kleine Flugzeuge, deutsche Vorurteile und berechtigte NBA-Hoffnungen.

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SPOX: Einmal im Leben beim All-Star-Wochenende der NBA dabei zu sein - das ist der Traum eines jeden Basketballers. Okay, Sie haben zwar nicht mit LeBron James und Kobe Bryant gespielt, sondern "nur" beim All-Star-Game der D-League teilgenommen. War es trotzdem ein besonderes Erlebnis?

Tim Ohlbrecht: Absolut! Bei diesem Riesenevent dabei sein zu dürfen, das war unfassbar schön. Ich habe es sehr genossen. Es ist für mich eine wahnsinnige Überraschung gewesen, als ich die SMS mit der Info erhalten habe, dass ich überhaupt für das All-Star Game nominiert worden bin. Ich hätte es mir nie träumen lassen, hier einmal im Backstage-Bereich dabei zu sein.

SPOX: Im Spiel der Prospects gegen die Futures gewann Ihr Team mit 139:125. Sie steuerten zwölf Punkte und zwölf Rebounds bei. Wie ist es aus Ihrer Sicht gelaufen?

Ohlbrecht: Ich hatte gute Teamkollegen, die mich gut in Szene gesetzt haben. So konnte ich ein paar schöne Dunkings versenken, um die Zuschauer zu unterhalten. Natürlich geht es beim All-Star-Game nie so hart zur Sache. Aber ich habe meine Rebounds geholt, dazu zwölf Punkte erzielt, so dass am Ende ein Double-Double herausgekommen ist. Das war eine solide Leistung, mit der ich sehr zufrieden bin.

SPOX: Wie waren Ihre Eindrücke abseits des Spielfeldes?

Ohlbrecht: Ich bin begeistert, wie gut beim All-Star-Wochenende alles organisiert ist. Am ersten Tag haben wir zusammen mit Kindern in der "Jam Session" gespielt. Ich glaube, es waren insgesamt 500 Kids in der Halle. Aber alle wussten genau, wo sie hinlaufen müssen. Auch das Hotel war super. Jeder hatte sein eigenes schönes Zimmer, dazu gab es wahnsinnig gutes Essen. Die Organisation war großartig.

SPOX: Die Teilnahme haben Sie sich dank 13,3 Punkten und 7,3 Rebounds pro Spiel für die Rio Grande Valley Vipers verdient. Wie sind die vergangenen Monate aus Ihrer Sicht verlaufen?

Ohlbrecht: Ich fühle mich unheimlich wohl bei den Vipers. Daher habe ich nicht lange gebraucht, um mich dem amerikanischen Basketball anzupassen. Außerdem ist das Wetter dort unten in Texas sehr gut. Wir haben fast jeden Tag 30 Grad. Das macht richtig viel Spaß.

SPOX: Wie unterscheidet sich der Basketball in der D-League zum Basketball in Deutschland?

Ohlbrecht: Hier ist der Basketball viel offener und schneller als in Deutschland. So wie wir hin und her rennen, das ist der pure Wahnsinn. Es gibt viel mehr Fastbreaks als in der BBL. Dabei geht es darum zu lesen, was die Mitspieler von dir wollen und wann sie dich offen sehen. Da musst du einfach mitspielen und mitrennen. Dagegen ist der Basketball in Deutschland viel strukturierter, speziell mit viel mehr Spielzügen. Darunter leidet aber oft die Kreativität.

SPOX: Wie groß sind die Reisestrapazen in der D-League?

Ohlbrecht: Sehr groß. Daran musste sich mein Körper erst einmal gewöhnen. Ich war noch nie so oft im Flugzeug wie diese Saison. Wir sind jetzt erst von einem Ostküsten-Trip zurückgekehrt. Da waren wir jeden zweiten Tag in einer anderen Stadt. Das ist unfassbar. Andauernd schläfst du in einem anderen Bett, andauernd sitzt du im Flugzeug.

SPOX: Haben die Valley Vipers einen Teamflieger?

Ohlbrecht: Leider nein. Wir müssen ganz regulär mit American Airlines fliegen. Das ist meistens nicht besonders angenehm, weil die Beinfreiheit begrenzt ist. Doch insgesamt bin ich sehr glücklich, hier zu sein. Derzeit sind wir sogar das zweitbeste Team der Liga.

SPOX: Lange Zeit war unklar, wo Sie in dieser Saison spielen. Warum haben Sie sich letztlich für die D-League entschieden?

Ohlbrecht: Ich hatte mehrere Angebote und hätte auch in Deutschland bleiben können. Doch ich wollte unbedingt einen Tapetenwechsel haben. Nachdem ich sieben Jahre lang in Deutschland gespielt habe, wollte ich etwas Neues, etwas Unbekanntes ausprobieren. Ich bin froh, aus Deutschland raus zu sein, um hier ein neues Kapitel aufschlagen zu können.

SPOX: In Deutschland gelten Sie als ewiges Talent und besitzen keinen guten Ruf...

Ohlbrecht: Es schwirren so viele negative Storys in Deutschland über mich herum. Andauernd wird mir etwas vorgeworfen. Davon wollte ich einfach weg. Die Amis haben mich anfangs gefragt: "Stimmt es, was wir von dir Negatives gehört haben? Wenn nicht, dann beweise uns das Positive!" Und nun sagen sie zu mir: "Du bist menschlich ein guter Typ, du trainierst gut und du spielst hart. Was in Deutschland über dich erzählt wird, das ist Quatsch!"

SPOX: Woran liegt es, dass Sie in Deutschland einen schlechten Ruf haben?

Ohlbrecht: Ich kann es nicht erklären, keine Ahnung. Es ist mir aber auch egal. Ich habe gelernt, damit klar zu kommen und die entsprechenden Storys nicht zu lesen. Meine Familie, meine engsten Freunde und mein neuer Club wissen, wie ich wirklich bin. Das ist entscheidend.

SPOX: Verspüren Sie jetzt Genugtuung, dass es für Sie in der D-League so gut läuft?

Ohlbrecht: Auf jeden Fall. Denn ich beweise es gerade allen, wer der richtige Tim Ohlbrecht ist.

SPOX: Wie lange wollen Sie in der D-League bleiben?

Ohlbrecht: Die D-League ist dazu gedacht, Selbstbewusstsein zu tanken und seinen Spielrhythmus zu finden, um dann von der D-League aus den nächsten Schritt zu machen - sei es in die NBA oder irgendwo anders hin. Langfristig ist es also nicht das Ziel, in der D-League zu bleiben. Aber es ist eine wahnsinnig gute Bühne, um auf sich aufmerksam zu machen.

SPOX: Wo könnte Sie der nächste Schritt hinführen?

Ohlbrecht: Das ist ganz schwer zu sagen. Ich versuche, jeden Tag so hart wie es nur geht zu arbeiten. Falls der so genannte "Call-Up" eines NBA-Teams irgendwann kommen sollte, würde ich aus allen Wolken fallen.

SPOX: Halten Sie einen Wechsel in die NBA für realistisch?

Ohlbrecht: Dieses Jahr sind so viele Spieler von der NBA in die D-League herunter gekommen, dass die D-League vom spielerischen Level her einen wahnsinnigen Schub bekommen hat. Von daher glaube ich: Wenn man es schafft, sich in der D-League zu profilieren, ist man auch bereit, in die NBA zu gehen. Persönlich sehe ich mich da auf einem guten Weg.

SPOX: Haben Sie Kontakt mit dem neuen Nationaltrainer Frank Menz?

Ohlbrecht: Ja. Er hat angekündigt, im Laufe dieser Woche anzureisen und sich ein Spiel von mir anzuschauen. Das freut mich sehr. Nachdem wir uns im vergangenen Sommer souverän für die EM qualifiziert haben, wäre ich im September gerne in Slowenien dabei.

SPOX: Auf Ihrem rechten Oberarm prangt ein großes Tiger-Tattoo. Seit wann besitzen Sie dieses?

Ohlbrecht: Das Tattoo habe ich mir vor der laufenden Saison stechen lassen. Mein Vater hat genau denselben Tiger auf dem Arm - das schon seit 40 Jahren. Der Tiger symbolisiert Stärke. Ich bin froh, auf diese Weise einen Teil meiner Familie bei mir zu haben. Ich kann immer darauf schauen, ich kann es immer anfassen. So ist mein Vater bei jedem Spiel dabei.

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