NBA

Erste Probleme im Paradies

Von Philipp Dornhegge
Russell Westbrook, James Harden und Kevin Durant waren beim All-Star Weekend unzertrennlich
© getty

Am Sonntag können die Oklahoma City Thunder im Kracher gegen die L.A. Clippers (ab 21.30 Uhr im LIVE-STREAM bei SPOX) für klare Verhältnisse im Kampf um Platz zwei im Westen sorgen - und nebenbei den Druck auf die erstplatzierten San Antonio Spurs erhöhen. Zuletzt fegten Kevin Durant und Co. ihre Gegner jeweils deutlich aus der Halle. Und doch scheint es in Oklahoma City zu brodeln. Zeigt der Verlust von James Harden jetzt seine Wirkung?

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Kevin Durant bemühte sich gar nicht, seine unbändige Freude zu verstecken. Das All-Star Weekend war eine einzige Party, und sie war umso schöner, weil er seinen alten Kumpel wiedersah.

Wie die Kletten hingen der Topscorer der Oklahoma City Thunder, sein Teamkollege Russell Westbrook und Ex-Kollege James Harden während des gesamten All-Star Weekends aufeinander.

Durant tweetete Fotos von seinen Freunden im feinen Zwirn, er und Harden verbrachten gemeinsame Nachmittage, um für wohltätige Zwecke zu arbeiten. Besonders aufschlussreich war das All-Star Game: Kaum stand das Trio mal gemeinsam auf dem Platz, war die alte Chemie sofort wieder da.

Insbesondere Westbrook und Harden verstanden sich fast blind, als sie mithalfen, dem Westteam im vierten Viertel einen Vorsprung zu verschaffen. Das ganze Wochenende war eine kurzzeitige Wiedervereinigung eines genialen Triumvirats, dass im Herbst 2012 unfreiwillig auseinander gerissen wurde.

Martin kommt für Harden

Um sportlich konkurrenzfähig und gleichzeitig finanziell halbwegs flexibel zu bleiben, schickte Oklahoma City Harden drei Tage vor Saisonstart per Trade zu den Houston Rockets und holte stattdessen Kevin Martin.

Durant wurde von dieser Entscheidung offenbar kalt erwischt, jedenfalls schickte er via Twitter damals nur ein Wort um die Welt: "Wow." Der Spaß, den Durant während des All-Star Weekend hatte, schien dem Superstar im regulären Spielbetrieb mitunter abhanden gekommen zu sein.

OKC spielt erneut eine bärenstarke Saison, ist hinter den San Antonio Spurs ziemlich sicher Zweiter der Western Conference - auch wenn die Clippers am Wochenende die Lücke ein Stück weit schließen können, wenn sie das Duell im Staples Center gewinnen (ab 21.30 Uhr im LIVE-STREAM bei SPOX).

Smith: "Sie wirken nicht glücklich"

Und trotzdem ist irgendetwas anders als die Jahre zuvor. "ESPN"-Reporter Stephen A. Smith beschrieb in seiner Sendung "First Take" sehr treffend: "Sie sind immer noch verdammt gut, aber sie wirken einfach nicht glücklich." Und er musste seinem mitunter umstrittenen Partner Skip Bayless Recht geben, der schon seit Saisonbeginn davon ausgeht, dass der Trade Harden für Martin ein riesiger Fehler von Thunder-GM Sam Presti war.

Die Zahlen kann man auslegen, wie man möchte: Harden spielte im letzten Jahr 31 Minuten pro Spiel, erzielte dabei 16,8 Punkte mit starken Quoten (FG-Quote 49 Prozent, 3P-Quote 39 Prozent), dazu kamen 4,1 Rebounds und 3,7 Assists. Sein PER (Player Efficiency Rating) lag damals bei 21,13.

Zum Vergleich Martin in der laufenden Saison: Er macht in 28,9 Minuten 14,8 Punkte (FG-Quote 45 Prozent, 3P-Quote 43 Prozent), holt 2,3 Rebounds und 1,2 Assists. Ordentliche Zahlen, die aber geradezu mickrig wirken, wenn man Hardens Leistungen in dieser Spielzeit in Houston in Betracht zieht.

Playmaker vs. Spot-Up-Shooter

Bei den Rockets ist Harden zu einem der besten Shooting Guards der Liga gereift, kratzt am Thron von Kobe Bryant und Dwyane Wade und ist auf dem besten Weg, ein Superstar der Liga zu werden. Seine 26,4 Punkte sind der fünfbeste Wert ligaweit, bei Rebounds und Assists (4,8 und 5,7) hat er ebenfalls noch mal zugelegt. Und sein PER hat er auf 23,54 geschraubt - da ist er schon besser als Bryant (22,98).

Martin mit seinen 16,22 (15 ist der Durchschnittswert) fällt da schon deutlich ab. Natürlich hat Harden in Houston ganz andere Möglichkeiten als Martin in Oklahoma City. Harden hat fast immer den Ball in den Händen, setzt sich oder seine Mitspieler aktiv in Szene. Martin ist in erster Linie ein Spot-Up-Shooter, der auf seinen Wurf wartet, während Durant und vor allem Westbrook die Angriffe der Thunder inszenieren.

Aber: Harden war auch bei OKC schon ein Playmaker und selbst in der Crunchtime oft derjenige, der den Ballvortrag besorgte. Sein Entscheidungsverhalten und seine Wurfauswahl waren immer schon besser als Westbrooks, seine Übersicht und Uneigennützigkeit echte Waffen.

All diese Dinge müssen die beiden übrig gebliebenen Stars jetzt allein besorgen. Hardens Usage Rate (grob gesagt die Anzahl an Angriffen, an denen er beteiligt war) in Clutch-Situationen war schon im letzten Jahr deutlich höher als bei Martin in diesem Jahr (20,2 zu 18,8 Prozent).

"Disease of More" bei OKC?

Durant und Westbrook blieb also gar nichts anderes übrig, als selbst noch mal einen deutlichen Schritt nach vorn zu machen. Beide sind längst zur Creme de la Creme der Liga zu zählen, die Finals-Teilnahme im Vorjahr hat sie umso schneller reifen lassen.

Die Werte der Thunder als Team sind folglich noch besser, sowohl offensiv als auch defensiv hat das Team zugelegt. Und trotzdem kommt man nicht umhin zu sagen: "Ich traue dem Braten nicht." Denn NBA-Teams sind fragile Gebilde, Teamchemie ein oftmals unterschätzter Wert.

Es müssen nicht alle Spieler auch außerhalb des Platzes befreundet sein. Bei Oklahoma City anno 2012 war aber genauso diese Freundschaft zwischen Durant, Harden und Westbrook das große Plus. Nur so war es möglich, dass die Mannschaft den schwer zu kontrollierenden Westbrook, der auf dem Court zum Teil verrückte Dinge tut, "aushalten" konnte. In diesem Jahr geriet der Point Guard schon mit Thabo Sefolosha aneinander, nach einer Auswechslung rastete er auf der Bank beinahe aus.

Durant hat bereits elf technische Fouls auf dem Konto - genauso viele wie in den letzten drei Jahren zusammen. Und Serge Ibaka ist mitunter unzufrieden, weil er nicht genug in die Offense eingebunden ist. Sind das Auswüchse der viel beschriebenen "Disease of More", die erfolgreiche Teams erwischt? Zur Erinnerung: Miami hatte zu Saisonbeginn nach dem Meistertitel auch einen ordentlichen Durchhänger, ist inzwischen aber besser als je zuvor. Oder ist die Stimmung im Team einfach nicht mehr so, wie sie sein sollte?

Miami als Kryptonit

Und was kann man tun, um sie zu verbessern? Man holt Derek Fisher. Der alternde Point Guard hat sportlich wenig zu bieten, ist aber einer der besten Anführer der letzten Jahre, hält einen ganzen Locker Room zusammen und könnte derjenige sein, der einen positiven Einfluss auf Westbrook hat.

Ob das aber reicht, um die Thunder von einem hervorragenden Team zu einem echten Titelanwärter zu machen? Miami scheint nach den Finals auch in diesem Jahr für OKC nicht schlagbar zu sein. Gegen die teils miese Konkurrenz, die jedes elitäre NBA-Team schlagen muss, lassen sich kleine Unstimmigkeiten problemlos kaschieren.

Aber wenn es hart auf hart kommt, dann können diese Dinge zur unerträglichen Belastung werden. Man möchte den Thunder wünschen, dass sie die Kurve kriegen. Allerdings, so Stephen A. Smith: "Obwohl OKC seine Gegner zuletzt mit 30 Punkten geschlagen hat, gefällt mir überhaupt nicht, was ich sehe. Der Harden-Trade war finanziell sinnvoll, sportlich aber nicht. Und ich glaube nicht mehr daran, dass sich die Thunder davon erholen können."

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