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Was wird aus dem Zauberer?

Von Martin Gödderz
Ist der Italiener Andrea Bargnani nicht länger bei den Toronto Raptors erwünscht?
© Getty

Wenn am Sonntagabend die Toronto Raptors die Oklahoma City Thunder empfangen (19 Uhr im kostenlosen LIVE-STREAM bei SPOX), treffen zwei der heißesten Teams der Liga aufeinander. Während das beim Championship-Anwärter Oklahoma City nicht weiter verwunderlich ist, überrascht die Entwicklung der so schwach gestarteten Raptors, denn mit Andrea Bargnani sitzt der designierte Franchise-Player schon länger verletzt draußen. Doch ist vielleicht gerade das der Grund für den Erfolg?

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So ein wenig muss sich Andrea Bargnani derzeit wie im falschen Film vorkommen. Das ist allerdings nichts Neues, eigentlich steckt der Italiener seit Beginn dieser Saison im falschen Film. Die Aufbruchstimmung vor der Saison bei seinen Toronto Raptors war groß.

Im Sommer kamen mit Kyle Lowry und Jonas Valanciunas ein hervorragender Point Guard sowie ein Center, der Bargnani zur Seite stehen sollte und ihn endlich dauerhaft auf seiner Lieblingsposition als Power Forward spielen ließ. Sogar das Wort Playoffs wurde in der kanadischen Metropole wieder in den Mund genommen.

Es kam anders. Die Raptors stolperten sich von Niederlage zu Niederlage und Andrea Bargnani spielt die bislang wohl schlechteste Saison seiner Karriere. Nicht einmal 40 Prozent seiner Würfe aus dem Feld traf er bei 15 Wurfversuchen pro Spiel, kümmerliche 4,3 Rebounds griff er im Schnitt ab und das in einer Saison, in der die noch übriggebliebenen Optimisten auf den endgültigen Durchbruch des einstigen Nummer-1-Picks gehofft hatten. Zum x-ten Mal. Vergeblich.

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Zu allem Überfluss verletzte sich Bargnani dann auch noch am 10. Dezember im Spiel gegen die Portland Trail Blazers am Ellenbogen. Noch im gleichen Spiel verletzte sich auch Kyle Lowry am Trizeps. Das Spiel gegen die Blazers verloren die Raptors natürlich ebenfalls und standen bei einer Bilanz von vier Siegen bei 18 Niederlagen. Anders gesagt: Sie lagen am Boden.

Raptors starten Siegesserie ohne Bargnani

Die beiden vermeintlich besten Spieler verletzt, die Form im Keller, die Stimmung mies - es stand nicht gut um die Raptors. Just zu dieser Zeit gab Bargnani ein Interview in den italienischen Medien. In diesem bezeichnete er die Raptors als "das schlechteste Team der Liga". Zu diesem Zeitpunkt hatte er vielleicht nicht einmal Unrecht, als verletzter Star-Spieler machen solche Aussagen allerdings keinen wirklich guten Eindruck.

Ganz plötzlich riss sich die Mannschaft auch zusammen, spielte wieder Team-Basketball und schwang sich so zu acht Siegen in den letzten neun Spielen, allesamt ohne Bargnani. Nun waren die Gegner nicht furchteinflößend, die Rockets wiesen von allen besiegten Mannschaften noch die beste Bilanz auf, dennoch kam eine nicht zu unterschätzende Winner-Mentalität im Raptors-Team auf. Der beeindruckende Blowout-Sieg im letzten Spiel gegen die Blazers ist der beste Beweis dafür.

Das Team glaubt wieder an sich, wirkt tougher. Nobody Alan Anderson und Rookie Terrence Ross sprangen aus dem Schatten heraus und kamen zuletzt stark auf, Point Guard Jose Calderon glänzte in Abwesenheit von Lowry als überragender und sehr sicherer Spielgestalter mit durchschnittlich 10 Assists in den letzten zehn Begegnungen.

Vor allen Dingen fingen die Raptors aber wieder an, richtig zu verteidigen. In den letzten elf Begegnungen ließen sie nur einmal 100 Punkte zu (bei der Niederlage gegen San Antonio). In den vorherigen 21 Spielen gelang dies lediglich sechs Mal.

Hilft Bargnani-Verletzung den Raptors?

Defensive, Einstellung, Winner-Mentalität: Das sind Begriffe, die Bargnani schon seine gesamte Karriere lang begleiten. Sie begleiten ihn vor allen Dingen, weil es die Kritikpunkte an seinem Spiel sind. Dass "Il Mago" (deutsch: Der Zauberer) einen sehr starken Wurf hat und in Kombination mit seiner Größe unglaublich schwer zu verteidigen ist, bleibt unbestritten.

Dass er potentiell zu den besten Offensivspielern der Liga gehören könnte, das werden auch die wenigsten Menschen leugnen. Doch Bargnani wird seit jeher ein Hang zur Lethargie nachgesagt. Er zeigt bei ähnlichen Veranlagungen in keinster Weise die vorbildliche Einstellung eines Dirk Nowitzki, taucht in schwierigen Phasen häufiger ab.

Vor diesem Hintergrund ist die jüngste Leistungssteigerung der Raptors aus einem anderen Blickwinkel zu betrachten. Bargnani-Backup Ed Davis beispielsweise ist zwar nicht so talentiert und groß wie der Italiener, legt aber deutlich mehr Rebounds (durchschnittlich 7 im Monat Dezember) auf als Bargnani (4,3 pro Spiel).

Auch ansonsten ist Davis der deutlich bessere Verteidiger, was nicht verwunderlich ist, da Bargnani zu den schlechtesten Verteidigern auf seiner Position zählt. Das wiederum lässt sich auf die fehlende Einstellung und Lethargie zurückführen. Auch die Feldwurfquote der Raptors stieg in den letzten Spielen an. Bargnani hatte trotz seiner schlechten Quoten noch immer mehr als 15 Würfe pro Spiel genommen. Aus den Statistiken und den offensichtlichen Ergebnissen lässt sich also schließen, dass die Raptors Bargnani nicht unbedingt brauchen.

Gerüchte um Bargnani und Co.

Da die Verantwortlichen das ebenfalls erkannt haben und auch Bargnani Abwanderungsgedanken mit sich herumträgt, ranken etliche Trade-Gerüchte um den Italiener. Die Raptors gelten als einer der sichersten Kandidaten auf einen Blockbuster-Trade kurz vor der Deadline. Neben Bargnani werden auch Lowry und Calderon als prominente Trade-Masse gehandelt. Durch die starken Leistungen des Spaniers herrscht ein Luxusproblem auf der Eins.

Bargnani gilt aber als Trade-Objekt Nummer eins. Die Ehe zwischen ihm und den Raptors scheint nicht mehr zu fruchten. Das Problem: Bargnani verdient 32 Millionen Dollar in den nächsten drei Jahren. Aufgrund der zuletzt gezeigten Leistungen fällt es sehr schwer, einen Abnehmer für Bargnani und sein Gehalt zu finden.

Dennoch bleibt unbestritten, dass er als Stretch-Vierer einigen Teams helfen könnte. Allen voran den Los Angeles Lakers, die Pau Gasol im Tausch anbieten könnten. Als mögliche Interessenten gelten außerdem die Milwaukee Bucks, die mit Ersan Ilyasova einen ebenfalls strauchelnden europäischen Big Man anbieten könnten und die Denver Nuggets, bei denen Bargnanis Landsmann Danilo Gallinari spielt.

Calderon oder Lowry: Es kann nur einen geben

Mit Lowry hätten die Raptors jedenfalls ein äußerst attraktives Trade-Asset, um Bargnani anderen Teams schmackhafter zu machen. Der Point Guard verdient lediglich 12 Millionen in zwei Jahren.

Nachdem Coach Dwayne Casey unlängst dem zuletzt so starken Calderon das Vertrauen aussprach und den Spanier als Starting Point Guard bestätigte, ist eigentlich wenig Platz für Lowry.

Doch auch Calderon selbst steht noch als Trade-Kandidat im Raum. Der 10 Millionen Dollar schwere, auslaufende Vertrag des Spaniers ist für viele Teams durchaus attraktiv, nicht zuletzt für die Dallas Mavericks, die weiter nach Spielern suchen, die sie nur kurzfristig binden müssen.

Calderon würde den turnoveranfälligen Mavs definitiv mehr Sicherheit geben. Die Mavs könnten den Raptors im Gegenzug Draft Picks und einen Backup Point Guard a la Rodrigue Beaubois bieten.

Mitspieler bevorzugen Calderon

Auf der anderen Seite ist aus Raptors-Spielerkreisen zu hören, dass sie lieber mit Calderon als mit Lowry zusammenspielen. Der Spanier ist ein klassischer Spielmacher, bindet seine Kollegen ein und macht sich nichts aus Punkten. Stellvertretend dafür kann man seine fast einzigartige 0-Punkte-13-Assists-Performance gegen Portland hernehmen, bei der er nur einen Wurf nahm und keinen Turnover verbuchte.

Lowry wiederum ist der bessere Verteidiger, aber auch egozentrischer und ballverliebter. Seine Assistzahlen sind nicht übel, werden aber durch die einfache Tatsache aufgebläht, dass er bei den meisten Angriffen den Ball für ca. 20 Sekunden selbst in der Hand hält. Und er ist bei vielen Fans nicht wohlgelitten.

Man darf gespannt sein, welchen Point Guard das Management bevorzugt, ob es auf die Meinung von Fans und Mitspielern hört oder sie gar teilt. Auf Bargnanis Schicksal hat das selbstredend wenig Einfluss. Seine Zeit in Toronto scheint unweigerlich abgelaufen zu sein.

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