NBA

Der wandelnde Kummerkasten

Von Philipp Dornhegge
Kendrick Perkins ist bei den Oklahoma City Thunder kein Mann für die filigranen Momente
© Getty

Kendrick Perkins hat es in der NBA nicht leicht: Immer wieder steht er in der Kritik, bei den Fans hat er einen schweren Stand. Dabei geht der Wert des Centers für die Oklahoma City Thunder weit über die spielerische Komponente hinaus.

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Kendrick Perkins will sich nicht beschweren, wenn er sagt: "Ich werde von meinen Mitspielern Tag und Nacht angerufen. Wenn ein Spiel vorbei ist, fahre ich nach Hause, ruhe mich aus und weiß: Gleich kommen die Anrufe."

So sieht die Rolle des Centers bei den Oklahoma City Thunder einach aus. Perkins ist kein Mann für die Highlight-Dunks, kein Mann für viele Punkte.

Wenn man es genau nimmt, ist seine Rolle auf dem Court sogar sehr überschaubar: Perkins ist ein überragender Lowpost-Verteidiger. Einer, der selbst einem Dwight Howard in Bestform das Leben zur Hölle machen kann. Er ist ein passabler Team-Verteidiger und solider Rebounder, ein sporadischer Shotblocker.

Allerdings hat Perkins praktisch keinerlei Offensivarsenal, seine Freiwurfquote liegt bei mäßigen 64 Prozent, für die Pick'n'Roll-Defense ist er nicht beweglich genug.

Klassische Center stirbt aus

Und genau da liegt der Hund begraben: Weil etliche Teams in den letzten Jahren vom klassischen Basketball mit zwei großen, am Korb agierenden Spielern auf eine Aufstellung mit Stretch Four und nur einem Center umgestellt haben, ist das Spielfeld offener geworden.

Small Ball heißt der magische Begriff, den man im Umfeld der Miami Heat, der New York Knicks oder der Houston Rockets hören kann. Mike D'Antoni würde ihn in L.A. sicher gern noch häufiger hören.

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In Oklahoma City hört man ihn, nach Meinung vieler Fans und Experten, ebenfalls viel zu selten. Klassische Center sind eine aussterbende Art, kaum ein Team leistet sich noch einen Brecher wie Andrew Bynum, Roy Hibbert oder Brook Lopez, der vornehmlich im Lowpost agiert. Und mit diesen Centern werden auch die dafür benötigten Verteidiger obsolet.

Matchup-Albtraum in den Finals

Die meisten Big Man sind heutzutage als Pick'n'Roll-Spieler gefragt, sie müssen athletisch sein und schnell auf den Beinen, sie müssen saubere Blocks stellen und dynamisch Richtung Korb abrollen - oder gar nach außen an die Dreierlinie.

Das alles sind Qualitäten, die Perkins nicht hat. Und deshalb kann er auch genau diese Qualitäten nicht verteidigen, wie die Finals 2012 gezeigt haben. Mit Chris Bosh auf der Fünf hatte Miami einen soften, aber schnellen und treffsicheren Spieler aufgeboten, dem Perkins nie folgen konnte.

Der 28-Jährige war für sein eigenes Team ein Matchup-Albtraum, für die Heat ein gefundenes Fressen. Die Statistiken zeigen, dass die Thunder - weit über diese Finals-Serie hinaus - eigentlich besser und effektiver spielen, wenn sie ebenfalls mit einer kleinen Aufstellung agieren.

Sowohl offensiv als auch defensiv machen etwa Russell Westbrook, Kevin Martin, Thabo Sefolosha, Kevin Durant und Serge Ibaka zusammen eine bessere Figur, als wenn man Martin oder Sefolosha durch Perkins ersetzen würde.

Unschätzbarer Wert für Franchise

Kurz gesagt: Eigentlich wäre Oklahoma City ohne Kendrick Perkins besser dran. Eigentlich. Denn - und damit kommen wir zum Anfang der Geschichte zurück - Perkins hat trotzdem einen unschätzbaren Wert für die Franchise, für das Management, für das Team.

Es gibt in der gesamten NBA kaum einen beliebteren Spieler, Perkins' grantige Art ist eine Seite, die er nur auf dem Court auslebt. Abseits davon gehört er zu den nettesten und lustigsten Menschen auf diesem Planeten.

Zudem hat er von Kevin Garnett in Boston gelernt, was es heißt, Mentor für jüngere Spieler zu sein. Was es heißt, sein ganzes Leben dem Profisport unterzuordnen, sich jeden Abend den Hintern aufzureißen.

Für all diese Dinge kann es keinen besseren Lehrer als KG geben, und deshalb gehört Perkins schon mit 28 Jahren selbst zu den besten Mentoren der Liga.

Sein Wort hat im Locker Room der Thunder mehr Gewicht als jedes andere, und wenn es sein muss, wenden sich seine Kollegen auch am späten Abend noch an ihn.

Mentor für Westbrook und Ibaka

Mit dem Erfolg des Teams in den letzten Jahren wurden auch die Egos einzelner Spieler größer. Ein Serge Ibaka macht sich mehr Gedanken darüber, ob er genug Würfe bekommt, ein Eric Maynor will mehr Spielzeit. Und Perkins ist derjenige, der alle Mann auf Kurs hält.

"Ich erzähle ihnen dann: 'Okay, Du hast heute nicht so viele Würfe wie sonst bekommen, aber ...'", berichtet Perkins von seinen nächtlichen Telefonaten mit den Kollegen.

Speziell Ibaka und Russell Westbrook, dem Perkins in diesem Jahr eine viel größere Reife attestiert, sind seine Lieblingsschützlinge. Kevin Durant ist der pflegeleichteste Superstar der Liga, aber Ibaka als dritte Geige und der früher sture Westbrook sind echte Projekte.

"Im letzten Jahr noch gab es Spiele, in denen wir auf ihn eingeredet haben, aber er wollte nicht hören, war wie im Tunnel", so Perkins über Westbrook. "In diesem Jahr ist er ein überragender Teamkollege, seine Fähigkeit zu kommunizieren hat sich stark verbessert."

Zu teuer für einen Rollenspieler?

Noch vor dem Trade, der James Harden nach Houston schickte und den Thunder Kevin Martin einbrachte, wurde viel darüber diskutiert, dass OKC seine Amnesty Clause für Perkins verwenden solle.

Der gebürtige Texaner frisst in den kommenden drei Jahren im Schnitt rund 8,5 Mio. Dollar des Salary Caps auf - vermeintlich zu viel für einen Rollenspieler. Westbrook, Durant und Ibaka sind die Spieler, die OKC in diesem Jahr noch besser gemacht haben.

Aber es ist Perkins, der Westbrook, Ibaka und mit Abstrichen Durant besser gemacht hat. Das Thunder-Management hat erkannt, dass nächtliche Telefonate und ein paar warme Worte unter Umständen tatsächlich unbezahlbar sind.

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