NBA

"Bei Ginobili und Ibaka lief es ähnlich"

Von Interview: Haruka Gruber
Tibor Pleiß (2.v.r.) bejubelt mit den Bambergern den Erfolg über Ulm in den BBL-Finals
© Imago

Mit Bambergs Triple-Double ebnete Tibor Pleiß den Weg in die NBA. Er wäre der zweite Deutsche neben Dirk Nowitzki in der weltbesten Liga. Aber hat Pleiß wirklich eine Chance beim Titelfavoriten Oklahoma City? Vor Spiel 1 der NBA-Finals gegen Miami (3 Uhr im LIVE-TICKER) spricht Berry Tramel, Thunder-Experte und Sport-Kolumnist der in Oklahoma City ansässigen Tageszeitung "The Oklahoman", über Pleiß' Aussichten.

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SPOX: Was wissen Sie über Tibor Pleiß?

Berry Tramel: Ich weiß, dass er ein großes Talent ist und dass General Manager Sam Presti ihn mag und seinen Werdegang genau verfolgt. Sam hat für Tibor einen Plan entworfen, der sich schon bei seiner vorherigen Station in San Antonio und jetzt in Oklahoma City als richtig erwiesen hat: Ausländische Spieler draften, sie außerhalb der NBA reifen lassen und herüberholen. Bei Manu Ginobili und Serge Ibaka lief es ähnlich. Ginobili blieb nach dem Draft drei Jahre in Italien und ging dann erst zu San Antonio. Ibaka kam auch nicht direkt nach Oklahoma City, sondern hängte ein weiteres Jahr in Spanien ran.

Triangle Offense mit Martin Kaymer: Drei tippen auf OKC

SPOX: Wird Pleiß wie vom ihm erhofft Teil des zukünftigen Thunder-Kaders?

Tramel: Es gibt eine große Chance. Mit Kendrick Perkins, Serge Ibaka, Nick Collison und Cole Aldrich werden vier der fünf Spieler aus der jetzigen Big-Men-Rotation bleiben, allerdings glaube ich nicht, dass der Vertag mit Nazr Mohammed verlängert wird. Weil die Thunder aber fünf Große im Kader haben wollen, wäre es logisch, dass Tibor den einen freien Platz bekommt.

SPOX: 2010 wurden Pleiß wie auch Aldrich gedraftet: Pleiß an Platz 31, Aldrich bereits an Platz 11. Zukünftig könnten sie um Einsätze konkurrieren. Was kann Aldrich, der in den bisherigen Playoffs insgesamt nur 12 Minuten auf dem Court stand?

Tramel: Bei ihm geht es um fehlende Erfahrung. Bereits 2010, als die Thunder Aldrich drafteten, sahen sie in ihm einen Spieler mit Perspektive, der sich irgendwann zum zweiten Kendrick Perkins entwickelt. Weil sich 2011 jedoch plötzlich die Chance ergab, den echten Perkins zu verpflichten, bekommt Aldrich weniger Minuten als ursprünglich geplant. Dennoch wird er im Front Office sehr geschätzt. Es wird wohl so kommen, dass er Mohammeds Rolle als Perkins-Backup übernimmt, weil er genau das mitbringt, was die Thunder auf der Center-Position sehen wollen: gute Defense, gutes Rebounding. Damit gleicht er die fehlenden Offensivskills aus.

SPOX: Für einen 2,16 großen Center verfügt Pleiß über einen vorzeigbaren Wurf. In der BBL-Saison traf er sogar über 40 Prozent der Dreier. Ein Trumpf?

Tramel: Die Offense der Thunder konzentriert sich auf das Perimeter mit Kevin Durant, Russell Westbrook und James Harden als die ersten drei Scoring-Optionen. Aber: Sie laufen auch viele Plays für Ibaka, damit er aus vier, fünf Metern zum Wurf kommt und so Platz am Korb schafft. Wenn also Tibor ebenfalls konstant den Midrange-Jumper trifft, wird er ebenfalls zu einer wichtigen Alternative.

SPOX: Perkins als Starting-Center ist unumstritten?

Tramel: Die Thunder sind glücklich mit ihm und er bleibt auf absehbare Zeit der Starting-Center. Er brachte aus Boston Toughness und eine neue Mentalität mit, die die gesamte Franchise verändert hat. Das ist von unschätzbarem Wert. Von daher wird er in den nächsten Jahren nichts von seinem Standing verlieren.

SPOX: Der Kern des Teams steht: Durant, Westbrook, Harden, Perkins, Ibaka. Das Problem: In Zukunft wird es nur schwer möglich sein, alle Leistungsträger an sich zu binden und dennoch unter dem Salary Cap zu bleiben. Eine passende Gelegenheit für den preiswerten Pleiß?

Tramel: Es wird vor allem auf eine entscheidende Frage hinauslaufen: Bleibt Ibaka oder Harden? Mit beiden zu verlängern wird fast unmöglich sein. Wenn Ibaka OKC verlässt, wird sich die Ausgangslage grundlegend verändern. Vielleicht versuchen die Thunder, einen großen Trade einzufädeln. Vielleicht geben sie Tibor die Gelegenheit und befördern ihn in die Rotation. Alles ist denkbar.

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SPOX: Die Thunder besitzen im diesjährigen Draft den 28. Pick. Für welche Position sucht Presti? Und könnte derjenige ein Konkurrent für Pleiß sein?

Tramel: Ausgeschlossen ist nur ein Point Guard. Als Westbrooks Backup kehrt nächste Saison Eric Maynor nach der langen Verletzung zurück, dazu kommt noch der bereits 2011 gedraftete Reggie Jackson. Daher wird Presti einfach den Spieler nehmen, der am talentiertesten und an Platz 28 noch zu haben ist, egal ob er auf dem Flügel oder am Brett spielt. Wer immer es wird, Tibor muss sich dennoch keine Sorgen machen. So wie bei ihm selbst vor zwei Jahren wird OKC einen Sleeper aussuchen, dem zunächst die nötige Zeit gegeben wird.

SPOX: Ist Oklahoma City der richtige Ort für einen jungen Deutschen, der noch nie außerhalb von Deutschland gelebt hat?

Tramel: Es kommt auf den Typ an: Wenn Tibor die Lichter der Großstadt mag, bevorzugt er vielleicht New York oder Los Angeles.

SPOX: Pleiß mag das kleine, dafür charmante Bamberg.

Tramel: Wenn er lieber in einer Stadt wohnt, wo es entspannt und familiär zugeht, ist Oklahoma City genau das Richtige für ihn. Thabo Sefolosha und Ibaka lieben es hier, bei Nenad Krisitc war es genauso. Alle Europäer mögen Oklahoma City, das wird bei Tibor nicht anders sein. (lacht)

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