NBA

Das zweiköpfige Monster der Twin-Cities

Von Sebastian Kurzweg
Kevin Love (r.) und Ricky Rubio vollführen einige Siegestänze bei den Minnesota Timberwolves
© Getty

Jahrelang belächelt für eigenwillige Personalentscheidungen sind die Minnesota Timberwolves die Überraschung der Saison. Mittlerweile scheint selbst ein Einzug in die Playoffs der hartumkämpften Western Conference keine komplette Utopie mehr zu sein. Hauptverantwortlich für den Aufschwung nach einer harten Post-KG-Ära sind zwei Stars, die eigentlich niemand wirklich auf der Rechnung hatte: Kevin Love und Ricky Rubio. Eine Geschichte von Yoga, Diäten und einem Messias mit zwei Jahren Anlaufzeit.

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"Ich denke, dass ich der beste Power Forward in der Liga bin."

Hätte Minnesotas Kevin Love diese Aussage vor einigen Wochen getätigt, man hätte sich wochenlang über ihn lustig gemacht. Die Zeiten haben sich aber geändert, und dass Loves Einschätzung mittlerweile sogar wahr sein könnte, ist geradezu symbolisch für eine beeindruckende Entwicklung der Minnesota Timberwolves.

Eine Entwicklung, die vor wenigen Monaten ebenso unwahrscheinlich erschien wie Kevin Love als bester Power Forward der Liga oder Ricky Rubio als Rookie of the Year. Doch wie gesagt: Die Zeiten haben sich geändert.

Durch Yoga und Diät 14 Kilo leichter

Trotz einer Saison, die ihm letztlich den Titel des Most-Improved-Players einbrachte und seine historische 31 Punkte- und 30 Rebound-Performance beinhaltete, gab es nicht wenige, die an einer Vertragsverlängerung Loves zu Maximalbezügen zweifelten.

In einem schier endlosen Sommer fasste Love den Entschluss, die Zweifler eines Besseren zu belehren. Die Bilder seines Trainings gingen ebenso um den Globus wie die ersten Fotos des Power Forwards zum Saisonstart.

Denn Love hatte knappe 14 Kilo abgenommen - der Schlüssel zu seinem Erfolg: Yoga. Love: "Ich habe mich einfach um meinen Körper gekümmert, das richtige Training gemacht und vor allem auf eine gute Ernährung geachtet".

Love überzeugt skeptische Experten

Doch Love fokussierte sich über den Sommer nicht nur auf seinen Körper, wie die Saison später zeigen sollte. "Die Arbeit über den Sommer macht einen Spieler wirklich aus. Ich werde mit ein oder zwei neuen Sachen zurückkommen", kündigte Love drei Wochen vor dem Saisonstart an.

Eine wirkliche Storyline wurde die Veränderung Loves aber erst in den ersten Wochen der Saison. Seine körperliche Entwicklung und seine Einstellung in allen Ehren, aber letztlich würde Love ein Stats-Sammler bei einem schlechten Team bleiben, lauteten nicht wenige Prognosen von US-Experten. Warum Love erst in der Saison eine wirkliche Storyline wurde? Weil man ihn dann spielen sah.

Metamorphose zum Franchise-Player

Der Verlust an Körpergewicht und damit an Masse unter den Brettern hat Loves Rebound-Dominanz nicht geschadet - mit knapp 14 pro Partie liegt er auf Rang zwei hinter Dwight Howard. Viel auffälliger ist allerdings Loves Offensiv-Spiel, das reifer und verfeinert wirkt.

Im Vergleich zu seinem Karriereschnitt von 16 Zählern pro Spiel erzielt der Forward aktuell überragende 25,3 Punkte pro Partie und ist durch einen stark verbesserten Dreipunktwurf (36 Prozent) eine Waffe für die Offensive der T-Wolves.

Womit der entscheidende Punkt in Loves Metamorphose zum echten Franchise-Player entdeckt ist. All die Statistiken sind nichts wert, wenn man sie als einziger guter Spieler bei einer Loser-Franchise einsammelt, weshalb man von einem Franchise-Player verlangen sollte, dass er sein Team führt - und zwar zu Siegen. Eine Eigenschaft, die lange Zeit niemand mit Kevin Love assoziiert hätte.

Playoff-Rennen nicht aussichtslos

Doch die Timberwolves gewinnen dieses Jahr. Mit einer Bilanz von 14-16 könnten sie im Osten einen Playoff-Rang erreichen, im in der Breite besseren Westen liegen sie auf Rang elf, zwei Spiele hinter dem Achten Memphis. Die chronische Lottery-Franchsie nähert sich nach überstandener Niederlagenserie sogar wieder einer Bilanz an der magischen Grenze von .500.

Und Love trägt seinen Anteil daran. Unvergesslich seine Clutch-Performance gegen Dallas, als er die Mavs mit diversen Dreiern um den Verstand brachte, oder sein Gamewinner im Staples Center gegen die formstarken Clippers.

Love hat einen Co-Star: Rubio

Doch Loves Verbesserung ist nicht der einzige Grund für den unfassbaren Aufschwung der T-Wolves. Der Sieg bei den Clippers dient perfekt zur Verdeutlichung des Aufschwungs in Minnesota, denn hätte ein gewisser Ricky Rubio nicht einen wichtigen Dreier aus der Ecke des Staples Center verwandelt, Loves Dreier am Buzzer wäre wertlos gewesen.

Kevin Love hat nun einen Co-Star. Zwar mit zwei Jahren Verspätung, doch der 21-Jährige Spanier hat die anderen 50 Prozent des Wandels in Minnesota zu verantworten.

Rubio: Zwei schwere Jahre in Spanien

Ricky Rubio ist ein wahres Phänomen. Als ihn die Timberwolves an fünfter Stelle im Draft 2009 auswählten, wurde er bereits als Messias der Franchise gefeiert. Als der damals 18-Jährige im September jenes Jahres entschied, noch zwei Jahre in Europa zu bleiben, schlug die Lobpreisung der Medien sofort in eine Anti-Rubio Kampagne um.

In den folgenden zwei Jahren stagnierte Rubio in Barcelona, also auch in der spanischen Nationalmannschaft - der Mythos des Wunderkindes aus Spanien geriet in Vergessenheit. Als sich Rubio im Sommer des Lockouts schließlich zum Schritt in die NBA entschloss, glaubte kaum noch jemand an seinen Durchbruch.

Wie sollte ein unathletischer Guard, der nicht werfen kann, seinen Durchbruch im US-Basketball schaffen? Wie die Leute doch irren können.

Rubio-Hysterie? Love war skeptisch

Bei Rubios Ankunft in Minnesota brach Hysterie aus. Anders als der Rest der NBA hatte man dort den Traum vom Messias nicht aufgegeben - im tiefsten Keller der NBA ist schließlich jeder Grund zur Hoffnung willkommen. Das erste Training Rubios sollte auch die letzten Zweifler eines Besseren belehren, darunter Kevin Love.

"Ich glaube den Hype erst, wenn ich ihn gesehen habe", teilte der Forward mit, als Rubios erneute Intention, in die NBA zu kommen, publik wurde. Nach dem ersten Training nahm GM David Kahn den beeindruckten Love zur Seite und fragte schmunzelnd: "Glaubst du es jetzt?"

T-Wolves mit Rubio "ein anderes Team"

Mittlerweile glaubt es nicht nur Kevin Love, sondern die ganze Welt. Allein Rubios Statistiken lesen sich beeindruckend: 10,7 Punkte, 8,6 Assists, 4,3 Rebounds und 2,4 Steals pro Spiel. Viel elementarer ist allerdings, was Rubio jenseits der Statistiken in das Spiel der Timberwolves bringt - Struktur und Kontrolle.

Die Art und Weise, wie der erst 21-Jährige in seiner Rookie-Saison das Tempo eines NBA-Teams lenken und kontrollieren kann, ist ganz einfach faszinierend und macht ihn völlig zurecht zum einzigen Konkurrenten für Clevelands Rookie Kyrie Irving im Kampf um den Rookie of the Year.

In einer Zeit, in der klassische Point Guards aus der Mode kommen und Attack-First PGs wie Derrick Rose und Russell Westbrook die Liga dominieren, haben die Wolves den ersten echten Floor-General seit Jahren. Ein Fakt, der für Aufsehen sorgt. "Alle ihre Spieler haben gut gespielt und getroffen, wenn er ihnen den Ball zugespielt hat. Sie sind ein anderes Team", resümierte MVP Rose nach seinem ersten Duell mit Rubio.

Für die Zukunft gut aufgestellt

Die Timberwolves sind also bestens aufgestellt für die Zukunft. Nachdem Kevin Love seinen Vertrag um vier Jahre verlängert hat, haben die Wolves die wichtigsten Puzzleteile beisammen, um die Franchsie bald in die Playoffs zu führen.

Neben den beiden Stars Rubio und Love häuft sich Talent an und mit dem erfahrenen Rick Adelman hat die Franchsie den richtigen Coach, um das rohe Talent von Rubio, Williams, Johnson und Beasley zu formen.

Der Anführer bleibt ihnen jedenfalls erhalten - für 66 Millionen Dollar über vier Jahre. Allerdings auf eigenen Wunsch, denn Kevin Love ist heiß auf Siege und gewinnen kostet Geld.

Die Ausgangslage ist perfekt

Wie verbissen Love wirklich ist, zeigte sein Tritt gegen den am Boden liegenden Luis Scola, der ihm zwei Spiele Sperre einbrachte. Ein Fehler, den er bereut. Love: "Ich entschuldige mich bei Luis Scola und den Houston Rockets. Ich liebe Basketball und wollte nie jemanden verletzen."

Sollte die Verlängerung in Minnesota auch ein Fehler sein, könnte der 24-Jährige ihn korrigieren - er hat eine Ausstiegsklausel nach drei Jahren, sollte sich das Team nicht verbessern. Das Signal an die Franchise ist eindeutig: Die Ausgangslage ist perfekt. Sie müssen nur noch was draus machen.

Oder wie es Rubio selbst auf den Punkt bringt: "Wir sind nah dran, aber es ist noch nicht genug. Wir sind jung und können Gutes erreichen, aber nur, wenn wir daran glauben."

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