NBA

DiLeo: Der zweite NBA-Deutsche

Von Interview: Haruka Gruber
Tony DiLeo arbeitete von 1990 an für die Philadelphia 76ers
© Imago

Er ist ein NBA-Urgestein: Tony DiLeo hat als Executive und Scout die Philadelphia 76ers über 20 Jahre mitgeprägt - und verzichtete freiwillig auf den Traumjob des Headcoaches. Jetzt könnte es den 56-Jährigen als neuer Bundestrainer in seine zweite Heimat nach Deutschland zurückziehen. Ein Interview über eine ungewöhnliche Karriere.

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SPOX: Sie sind ein Wanderer zwischen zwei Welten: Sie arbeiteten die letzten 21 Jahre in der NBA für die Philadelphia 76ers, zuvor haben Sie elf Jahre in Deutschland große Erfolge als Trainer gefeiert. Was sagen Sie NBA-Fans, die nichts mit dem europäischen Basketball anfangen können?

Tony DiLeo: Man muss sich nur die EM anschauen, um die Vorzüge des europäischen Basketballs zu erkennen. Früher waren die Teams auf jeder Position sehr gut ausgebildet, aber vieles hat sich auf die Offensive beschränkt. Mittlerweile hat sich aber auch der Standard in der Defense sehr verbessert. Außerdem ist das generelle Niveau gestiegen: Mannschaften wie Frankreich, die schon immer gute Einzelspieler hatten, treten viel mehr als Kollektiv auf, kleinere Länder wie Finnland und vor allem Mazedonien haben enorm aufgeholt. Sie gleichen basketballerische Defizite mit einer harten und sehr klugen Spielweise aus - was dazu führt, dass die meisten Partien bei der EM sehr knapp ausgehen. Für den Fan, aber auch für den Taktik-Experten ist die EM sehr spannend.

SPOX: Wie sehen Sie die Leistungen der Schiedsrichter? Vor allem in Deutschland wird bemängelt, dass zu viel zugelassen wurde gegen Dirk Nowitzki und Chris Kaman.

DiLeo: Aber der europäische Basketball ist nun mal sehr physisch. Ich finde die Linie der Schiedsrichter gar nicht so schlecht. In der NBA geht durch die zahlreichen Fouls der Fluss verloren, bei der EM hingegen gibt es einen Flow im Spiel, weil nicht so viel abgepfiffen und weniger unterbrochen wird. Das Spiel ist schneller und kurzweiliger.

SPOX: Wie sehen Sie das Abschneiden der deutschen Mannschaft?

DiLeo: Ich fand, dass die Mischung in der Mannschaft gut gepasst hat: Zwei Stars mit Dirk und Kaman, die beide einen guten Job erledigt haben, und eine Gruppe von fleißigen und hart spielenden Rollenspielern. Dass es am Ende doch nichts wurde, lag aus meiner Sicht vor allem an den kleinen Positionen. Ein Guard, der penetriert und freie Würfe für die Mitspieler kreiert, war die eine große Sache, die im Puzzle gefehlt hat.

SPOX: Wie sehen Sie nach Nowitzkis und Kamans vorerst letzten Länderspiel-Einsätzen die zukünftigen Chancen der Deutschen? Holger Geschwindner bemängelt im SPOX-Interview, dass es nicht sein könnte, dass das bevölkerungsreichste Land Europas mit Dirk Nowitzki nur einen NBA-Spieler produziert.

DiLeo: Das Fundament ist vorhanden. Die U 20 wurde bei der EM Fünfter, auch die A 2 hat sich bei der Universiade als Sechster gut geschlagen. Es gibt also eine junge Generation. Entscheidend wird nun sein, ob sie Spielzeit in der BBL bekommt. Das Talent ist vorhanden, doch was fehlt, ist eine Perspektive. Die Jungs müssen die Chance sehen, dass Sie einen Unterschied ausmachen können, dass sie tatsächlich etwas verändern können. Das gibt einem den letzten Kick, um es nach ganz oben zu schaffen. In der BBL jedoch bekommen nach wie vor die Ausländer die meisten Einsätze...

SPOX: ... weswegen es viele deutsche Talente in die USA an die Colleges zieht - was wiederum einigen deutschen Klubs nicht gefällt.

DiLeo: Es gibt nichts Wichtigeres als Spielminuten. Wenn man sie an einem College bekommt, wo ein junger Spieler auch noch eine andere Art des Basketballs und eine andere Art des Coachings lernt - was soll daran schlecht sein? In den USA werden tolle Möglichkeiten geboten.

SPOX: Sie könnten die Zukunft des deutschen Basketballs entscheidend prägen, immerhin gehören Sie zu den Kandidaten für die Nachfolge von Bundestrainer Dirk Bauermann. Wie ist der Stand?

DiLeo: Wir müssen sehen, was die Zukunft bringt. Ich bin immer bereit, dem DBB zu helfen, in welcher Funktion auch immer. Der deutsche Basketball prägte einen großen Teil meines Lebens.

DiLeo interessiert: Bauermann-Nachfolger aus der NBA?

SPOX: Sie leben seit 1990 in den USA. Wie genau verfolgen Sie den deutschen Basketball?

DiLeo: Ich bin nicht der Überexperte, das geht glaube ich auch nicht. Aber ich informiere mich, wie die Jugend-Nationalmannschaften spielen. Und ich weiß natürlich, welche Hoffnungen in den Einstieg des FC Bayern gesetzt werden und dass die BBL als Liga in den nächsten Jahren stark wachsen will.

SPOX: Wie sieht es mit ihren Deutsch-Kenntnissen aus?

DiLeo: (antwortet in deutsch) Ich verstehe alles. Manchmal fallen mir beim Sprechen nicht sofort die richtigen Worte ein, weil bei uns zuhause nur in den ersten Jahren deutsch geredet wurde. Als mein Sohn T.J. in die Schule kam, haben wir komplett auf Englisch umgestellt. Zweisprachige Erziehung ist wirklich nicht einfach. Aber mittlerweile wird wieder mehr Deutsch bei uns gesprochen. T.J. hat sich zum Beispiel an der Uni für einen Deutsch-Kurs eingeschrieben.

SPOX: Und mit einem Umzug weg aus Ihrer Geburtsstadt Philadelphia könnten Sie sich und Ihre Frau Anna, die aus Deutschland stammt, anfreunden?

DiLeo: Ich dachte immer, dass ich nach meiner Zeit in der NBA nach Europa zurückkehre und als Trainer arbeite, wenn meine Kinder aus dem Haus sind und ans College gehen. T.J. ist schon im dritten Jahr in Temple, mein jüngster Sohn Max zog diesen Sommer aus und beginnt sein Freshman-Year. Meine Frau würde ohnehin gerne wieder in Deutschland leben.

DiLeo über seinen Weltrekord und das harte Leben als NBA-Headcoach

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