NBA

DiLeo: Der zweite NBA-Deutsche

Von Interview: Haruka Gruber
Tony DiLeo arbeitete von 1990 an für die Philadelphia 76ers
© Imago
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SPOX: Wie sind Sie vor über 30 Jahren in Deutschland gelandet?

DiLeo: Da war viel Zufall dabei. Ich war ein ganz ordentlicher College-Spieler und habe von der NBA geträumt. Aber direkt nach meinem Uni-Abschluss brach ich mir das Fußgelenk und ich musste die Tryouts absagen. Es war bitter, es gab bereits Gespräche mit NBA-Teams. Stattdessen hat mir mein älterer Bruder Frank, der schon in Hagen gespielt hat, einen Kontakt vermittelt. Daher habe ich meine Sachen gepackt und bin 1979 rüber nach Deutschland.

SPOX: Wo Sie einerseits den Damen-Bundesligisten Agon 08 Düsseldorf trainierten und parallel beim Zweiligisten Odenkirchen selbst spielten.

DiLeo: Das mit dem selbst Spielen habe ich die gesamten elf Jahre in Deutschland nie aufgegeben, aber das lief nebenher. Der Fokus lag auf dem Trainieren. Ich wusste schon am La-Salle-College, dass meine Zukunft im Coaching liegt. Ich habe meinem damaligen Trainer Paul Westhead, der später mit dem Lakers den NBA-Titel gewann, sehr gut zugehört und parallel sehr viele Fachbücher gelesen.

SPOX: Mit Erfolg: Sie wurden mit Düsseldorf in Ihren ersten sieben Jahren immer Meister, bekamen mit 136 Siegen in Folge einen Eintrag ins Guiness Buch der Rekorde und erreichten zweimal das Finale des Europapokals der Landesmeister. Wie sah der DiLeo-Basketball aus?

DiLeo: Ich habe die Philosophie von Paul Westhead übernommen: Es ging darum, die Verteidigung nicht zu vernachlässigen, aber in der Offensive schnell zu spielen und viel zu punkten. Mit Saturn Köln habe wir einmal mit 144 erzielten Zählern in einer Partie den Rekord in der Männer-Bundesliga aufgestellt.

SPOX: Ihr Wechsel vom Frauen- zum Männer-Basketball verlief problemlos. Mit Saturn Köln holten Sie in den ersten beiden Jahren 1987 und 1988 ebenfalls gleich zwei Meistertitel. Wie schmerzhaft war es, 1990 nach dem Kölner Konkurs Deutschland zu verlassen?

DiLeo: Es fiel mir nicht leicht, andererseits wusste ich, dass der richtige Zeitpunkt gekommen war. T.J. kam einige Monate davor auf die Welt und wir wollten ein neues Leben in den USA beginnen. Als sich dann die Gelegenheit mit Philadelphia ergeben hatte, musste ich zuschlagen.

SPOX: Wie kam der Kontakt mit den 76ers zustande?

DiLeo: Ich habe vorher schon aus Deutschland geholfen, indem ich ihnen Videos und Scouting-Berichte aus Europa zusammengestellt habe. Damals riet ich den 76ers unter anderem dazu, Vlade Divac zu draften, was sie nicht gemacht und vermutlich bereut haben. (lacht) Auf jeden Fall standen wir immer in Kontakt und 1990 bekam ich die Stelle als Scout. Später wurde ich Assistenzcoach, Direktor für das Scouting, Direktor für Player Personnel, Vizepräsident, kurz Headcoach und wieder Vizepräsident.

SPOX: Für Aufsehen in der NBA sorgten Sie 2008/2009: Mitten in der Saison übernahmen Sie die 76ers als Headcoach, führten den Klub in die Playoffs - und zogen es im Sommer vor, freiwillig in den Hintergrund zurückzukehren als Vizepräsident und Assistant General Manager. Warum gaben Sie eine solche Chance aus der Hand?

DiLeo: Es war eine der schwersten Entscheidungen meines Lebens. Ich hatte als Headcoach richtig Spaß und auch Erfolg. Wir waren nicht weit davon entfernt, in der ersten Playoff-Runde die Orlando Magic auszuschalten, die es später in die Finals schafften. Doch für die Familie war es das Beste, dass ich mich zurückziehe. Meine Frau hat unter dem Druck gelitten, dem ich als Trainer ausgeliefert war. Und: Ich wollte unbedingt T.J. und Max am College und in der Highshool beim Basketball spielen zusehen. Als Headcoach wäre das unmöglich gewesen. Die Zeit verfliegt so schnell und man bekommt sie nie wieder.

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SPOX: Wie anstrengend ist das Leben eines NBA-Headcoaches?

DiLeo: Das Anstrengende ist das ständige Nachdenken. Wenn ich nach Hause gekommen bin, war ich nie wirklich zuhause, weil ich mir überlegen musste: Wie soll die nächste Trainingseinheit aussehen? Wie stelle ich das Team auf den nächsten Gegner ein? Man kann nicht einmal für eine Sekunde abschalten.

SPOX: Und der Umgang mit den NBA-Egos?

DiLeo: Die NBA ist eine Liga, die von den Spielern regiert wird. Am College hat ein Trainer viel mehr Handhabe, in der NBA hingegen bleibt einem Coach als einziges Druckmittel die Spielzeit, weil die Stars so große Verträge haben, dass es sich die Klubs nicht leisten können, sie zu verärgern. Dennoch glaube ich, dass ich gut mit den Spielern umgehen konnte: Wenn man ehrlich ist und gewissenhaft den Job erledigt, wird man respektiert.

SPOX: Scott Brooks fing wie Sie vor drei Jahren bei den Oklahoma City Thunder als Interimstrainer an - und ist nun der Headcoach eines Titelkandidaten. Denken Sie häufig darüber nach, dass Sie in einer ähnlichen Lage sein könnten?

DiLeo: Sogar sehr, sehr häufig. Die Saison nach meinem Rückzug als Headcoach verlief mit 55 Niederlagen furchtbar für die 76ers. Dann überlegt man immer wieder, wie es gelaufen wäre, wenn ich meine Arbeit weitergeführt hätte. Aber im Endeffekt komme ich immer zum gleichen Schluss: Ich habe mich aus dem richtigen Grund dazu entschlossen, als Headcoach aufzuhören: die Familie.

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