NBA

"Nowitzki wird keine Freigabe erhalten"

Von Interview: Philipp Dornhegge
Laut Larry Coon können die BBL-Fans in der kommenden Saison nicht auf Dirk Nowitzki hoffen
© Getty
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SPOX: Bisher haben wir so getan, als würde eine breite Front von Besitzern auf eine breite Front von Spielern treffen. Tatsächlich gibt es aber auf beiden Spielern Fraktionen mit unterschiedlichen Zielen.

Coon: Das stimmt. Bei den Besitzern kann man die Grenze ziemlich genau zwischen den reichen und den armen Klubs ziehen. Teams wie die Knicks, Lakers und Bulls, die in Großstädten mit großen Vermarktungsmöglichkeiten spielen, verdienen jede Menge Kohle, kleinere Teams wie in Memphis, Minnesota oder New Orleans verlieren Geld. Einerseits sind die Besitzer dieser kleinen Teams also besonders erpicht darauf, einen neuen Tarifvertrag abzuschließen. Andererseits könnten sie es sich leisten, wenn sich ein Lockout lange hinzieht. Denn solange sie keine Spielergehälter zahlen müssen und die Arena geschlossen bleibt, verlieren sie kein Geld.

SPOX: Bei den reicheren Besitzern ist es genau anders herum.

Coon: Genau. Denen ist das neue CBA weniger wichtig, und sie würden einen Lockout möglichst schnell beendet sehen wollen, weil ihnen andernfalls Geld durch die Lappen geht.

SPOX: Und diese Teams hätten sicher auch weniger Interesse daran, für mehr Chancengleichheit zu sorgen.

Coon: Absolut, die angesprochene Idee eines Franchise Tags käme vor allem den Kleinen zugute. Denn die Tendenz geht in den meisten Fällen dahin, dass Spieler kleine Teams verlassen und bei großen anheuern. Dwight Howards möglicher und schon jetzt viel diskutierter Wechsel von Orlando zu den Lakers ist so ein Beispiel. Die großen Teams hätten nur in Ausnahmefällen etwas davon, wenn Franchise Tags möglich wären. Aber ich will nicht, dass hier ein falscher Eindruck entsteht: Die Besitzer sind sich im Großen und Ganzen schon darüber einig, was sie wollen. Zumal eine Gruppe von 30 Geschäftsleuten natürlich viel einfacher zu organisieren ist als eine von 400 Spielern.

SPOX: Und wo liegt bei den Spielern die Uneinigkeit?

Coon: Naja, es gibt Spieler, die finanziell komplett abgesichert sind, die 100 Millionen verdienen und seit zehn Jahren in der NBA spielen. Kobe Bryant wird sicher nicht unter die Armutsgrenze fallen, wenn es zum Lockout kommt. Andere Spieler wiederum bekommen nur das Minimalgehalt von 473.604 Dollar und sind vielleicht nur zwei oder drei Jahre in der Liga. Diese Spieler könnten in Schwierigkeiten geraten. Denn man darf nicht vergessen: Sollte die komplette Saison ins Wasser fallen, bekommen die Spieler keinen Cent. Den "armen" Spielern würde damit unter Umständen ein Drittel oder sogar die Hälfte der kompletten Einkünfte aus ihrer Profikarriere wegbrechen.

SPOX: Was bedeutet das im Hinblick auf die Verhandlungen?

Coon: Ich glaube, dass die Besitzer aus dieser Situation Kapital schlagen können. Je länger sich der Lockout hinzieht und wenn erstmal die ersten Gehaltsschecks ausgeblieben sind, werden einige sicher ins Grübeln kommen. Wenn dann Angebote zur Wiederaufnahme der Arbeit ins Haus flattern, dann wird der eine oder andere sicher umfallen. Bei 400 Spielern würden 201 Stimmen reichen, um den Lockout zu beenden und ein neues CBA in Kraft treten zu lassen.

SPOX: Einige Teams sind ja schon nach aktuellen Salary-Cap-Regeln deutlich über der Grenze, nicht zuletzt die Dallas Mavericks. Was würde passieren, wenn die Gehaltsobergrenze zusätzlich gesenkt würde? Und wie könnten sie zusätzliche Spieler verpflichten?

Coon: Das wäre nur dann ein echtes Problem, wenn es einen harten Salary Cap geben sollte. Einer der Diskussionspunkte dreht sich genau um dieses Thema. Die Besitzer sind der Meinung, dass man die laufenden Spielerverträge um 15 bis 20 Prozent kürzen müsse. Eine andere Möglichkeit wäre, Teams einen Zeitraum von 3 Jahren zu gewähren, um ihr Gehaltsgefüge anzupassen. Es gibt weitere Überlegungen, die aber alle nicht ausgereift sind. Ich glaube aber, dass all das nicht nötig sein wird, weil es keinen harten Cap geben wird.

SPOX: Sondern?

Coon: Er wird härter sein als bisher, keine Frage. Dinge wie die Midlevel Exception, also ein mittelgroßer Vertrag, den man vergeben kann, auch wenn man schon über dem Cap liegt, werden sicher abgeschafft werden. Aber ich gehe davon aus, dass man mit den laufenden Verträgen nach wie vor leicht über die Gehaltsobergrenze wird hinausgehen dürfen.

SPOX: Ist das Thema der Ligaverkleinerung eines, das mit den CBA-Verhandlungen direkt zusammenhängt?

Coon: Zum Teil schon. NBA-Commissioner David Stern hat diese Maßnahme für den Fall angeregt, dass sich die ökonomische Situation der Liga aus dem Grund nicht bessert, dass zum Beispiel 28 gut laufende Teams für zwei defizitäre Teams aufkommen müssen. Den Spielern kann das natürlich nicht schmecken, weil pro Team, das wegfällt, automatisch 15 Kaderplätze wegfallen. Reichere Teams wiederum werden argumentieren, dass sie nicht bereit sind, Franchises mitzufinanzieren, die - etwa aufgrund ihres Standortes - nicht profitabel sind.

SPOX: Können Sie zu guter Letzt noch kurz erläutern, worin der entscheidende Unterschied zwischen den Tarifverhandlungen der NBA und denen der NFL besteht?

Coon: Die NFL verdient sehr viel mehr Geld. Die Teambesitzer der NBA haben ein valides Argument, wenn sie sagen, dass sie Geld verlieren und das System überholt werden muss. Bei der NFL ist genug Geld da, es geht nur um die Frage, wie es aufgeteilt wird. Auch ansonsten sind die Situationen aufgrund der Tatsache, dass es in der NFL nicht-garantierte Verträge gibt, die Handgelder viel höher sind etc., schwer zu vergleichen.

SPOX: Dennoch: Könnten Sie sich vorstellen, dass die Spieler in der NBA, ähnlich wie in der NFL, an einen Punkt gelangen, an dem sie vor Gericht gehen und gegen die Besitzer klagen?

Coon: Möglicherweise. Aber um zu erklären, wie es dazu kommen könnte, müssten wir zunächst tief in die Materie des US-amerikanischen Arbeitsrechts und des Antikartellrechts eintauchen. Deshalb belassen wir es vielleicht dabei, dass ich sage: Ich habe mich oft genug mit Lakers-Guard Derek Fisher unterhalten, der der Präsident der Spielergewerkschaft ist, und er hat mir immer wieder versichert, dass ein Gerichtsverfahren in jedem Fall der allerletzte Ausweg sei. Denn dann wäre kaum absehbar, wie lange sich ein Lockout hinziehen würde.

Larry Coon ist eigentlich gelernter Informatiker. Aber als jahrelanger NBA-Fan fing er irgendwann an, sich auch für den ökonomischen Aspekt der Liga zu interessieren. Er machte sich mit den Regeln rund um das CBA vertraut und stellte 1999 ein Dokument namens NBA Salary Cap FAQ online, das er seitdem regelmäßig aktualisiert und das die Spielregeln verständlich erklärt. Mit der Zeit wurde Coon immer häufiger von anderen Fans und von Journalisten kontaktiert, bis sogar "ESPN" und andere namhafte Unternehmen auf ihn zukamen, um mit ihm zusammen zu arbeiten. Heute gilt Larry Coon als der größte Fachmann in punkto CBA und wird regelmäßig in Büchern, Online-Publikationen und sogar von der NBA selbst zitiert.

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