NBA

Der Tag, als Dirk Nowitzki gedraftet wurde

Von Haruka Gruber
Ex-NBA-Profi Robert "Tractor" Traylor verstarb am 11. Mai 2011
© Getty

Robert Traylors Name ist für immer mit Dirk Nowitzki verbunden. Die Entwicklung der beiden hätte jedoch nicht gegensätzlicher verlaufen können. Das Porträt eines einzigartigen Basketballers - und eines Gescheiterten.

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Q.

Ein Buchstabe, der für Ex-NBA-Profi Robert "Tractor" Traylor mehr war als ein Schriftzeichen. Er vertraute Q und er ging für Q Risiken ein, die sein Leben beinahe zerstörten. Wegen Q stand er kurz davor, im Gefängnis zu landen.

Q heißt mit vollem Namen Quasand Daniell Lewis. Ein Mann, der sich durchzusetzen wusste in dem Milieu, in dem er und Traylor aufwuchsen. Q betrog, Q erpresste, Q verkaufte Waffen und Q handelte mit Drogen. Und Q, der größte Marihuana-Dealer in der Geschichte des Bundesstaats Michigan, stiftete seinen Cousin Traylor vor einigen Jahren zu einem Verbrechen an.

Tödlicher Herzinfarkt mit 34 Jahren

Die Offiziellen des puertoricanischen Vereins Vaqueros de Bayamon dachten sich erst nicht viel dabei, dass Traylor seit mehreren Tagen mit niemandem Kontakt hatte.

Besorgt waren sie erst am vergangenen Mittwoch, als Traylors in Chicago lebende Ehefrau anrief und darum bat, nach dem Wohlbefinden ihres Gatten zu schauen. Die beiden hatten über das Internet telefoniert, als plötzlich die Leitung zusammengebrochen war.

Als erstes erreichte aber ein Handwerker Traylors Wohnung. Er hatte immer wieder geklingelt und sich gewundert, dass ihn sein Auftraggeber nicht hereinließ, deswegen verschaffte er sich selbst Eintritt - und entdeckte Traylors leblosen Körper. Nach ersten Erkenntnissen erlitt Traylor einen schweren Herzinfarkt. Er wurde 34 Jahre alt.

Bayamons Manager Jose Carlos Perez sagte in einer ersten Stellungsnahme: "Er war der Anführer des Teams. Er verstand sich mit jedem, die Fans liebten und verehrten ihn."

Ein Leben, drei Tage

Traylors Leben war alles auf einmal: bunt und traurig, voller Höhen und bitterer Rückschläge. Obwohl ihm nie der Durchbruch gelang, hielt er sich sieben Jahre in der NBA und verdiente mindestens elf Millionen Dollar, von denen er den größten Teil aber verprasste. Am Ende starb er den einsamen Tod eines Nomaden.

Wer seinen Werdegang verstehen will, muss die drei Daten kennen, die sich als einschneidend erweisen sollten, eines davon ist eng mit Dirk Nowitzki verbunden: der 17. Februar 1996, der 24. Juni 1998 und der 18. März 2004.

Bereits am 17. Februar 1996 hätte das Leben des damals 18-jährigen Traylor enden können, als er sich nach einer durchzechten Party-Nacht an das Lenkrad seines Geländewagens setzte, um sich und seine fünf Insassen, allesamt ebenfalls talentierte College-Spieler, aus Detroit-City zum Campus seiner Michigan University zu fahren.

Als ob Traylor nie existiert hätte

Die sechsköpfige Gesellschaft, von denen es später Maurice Taylor, Mateen Cleaves und Traylor in die NBA schafften, verunglückte auf dem Weg jedoch schwer. Das Auto überschlug sich - aber einem Wunder gleich geschah keinem etwas Schlimmeres. Traylor brach sich lediglich den Arm.

Als wesentlich folgenschwerer erwiesen sich die anschließenden Ermittlungen: Es stellte sich heraus, dass Traylor und die anderen nur auf Einladung eines gewissen Eddie L. Martin in Detroit waren, um in einer Hotelsuite mit Strippern, Drogen und Alkohol zu feiern. Traylor nahm vom später wegen Geldwäsche und illegalen Glücksspiels verurteilten Martin aber nicht nur derlei Gefälligkeiten an, sondern auch Bargeld.

Eine klare Verletzung der Statuten, weswegen Traylor sein Stipendium verlor und zu drei Jahren auf Bewährung verurteilt wurde. Außerdem wurden seine Statistiken aus den Rekordbüchern gelöscht. Es war, als ob Traylor an der Stätte seiner größten Erfolge nie existiert hätte.

Die Verbindung Traylor-Nowitzki

Die Episode änderte jedoch nichts an der Wertschätzung der Scouts. Traylor galt schon früh als ein kommender Star und wurde 1995 gemeinsam mit Kevin Garnett, Paul Pierce, Vince Carter, Stephon Marbury, Chauncey Billups und Antawn Jamison ins McDonald's-All-American-Team berufen, eine Auswahl der 22 talentiertesten Highschool-Basketballer des Landes.

Der Sprung ins College gelang ihm mühelos, weswegen sich schnell in der NBA herumsprach, warum sein Spitzname "Tractor" lautete: Er rollte kraft seiner Masse durch die Zone. Gleichzeitig ging er behände mit dem Basketball um und war für sein Gewicht erstaunlich leichtfüßig. Dabei wog Traylor bereits als 17-Jähriger 130 Kilo, verteilt auf 2,03 Meter. "In der Geschichte des Basketballs gibt es wahrscheinlich keinen Spieler, der gleichzeitig so übergewichtig und athletisch war", schreibt "ESPN".

An 6 gedraftet

24. Juni 1998, der Draft-Tag: Wie erwartet wird Traylor früh gezogen, an sechster Stelle von den Dallas Mavericks. Die Texaner wissen um das Interesse der Milwaukee Bucks und tauschen Traylor für deren 9. und 16. Pick ein.

Die Mavs bekommen mit dem 9. Pick Dirk Nowitzki und mit dem 16. Pick Pat Garrity, der als wichtigster Bestandteil eines Tauschgeschäfts für einen gewissen Steve Nash nach Phoenix weitergereicht wird. Heißt: Dallas gibt Traylor ab und erhält Nowitzki UND Nash.

Traylor ein typischer Draft-Bust

Im Nachhinein betrachtet war es einer der besten oder - aus Sicht der Bucks - schlechtesten Trades aller Zeiten. Für Traylor sollte der Quervergleich mit dem ebenfalls auf der Power-Forward-Position spielenden Nowitzki zu einem ständigen und belastenden Begleiter werden.

Während der Deutsche zu einem Superstar reifte, verschwand der unbeständige und zu schwerfällige Traylor in der Anonymität.

Trotz sieben weitgehend enttäuschender NBA-Jahre in Milwaukee, Cleveland, Charlotte und New Orleans erhielt er 2005 in New Jersey einen Vertrag. Dieser wurde jedoch gekündigt, nachdem der Medizin-Check ergab, dass sein Herz Probleme bereiten könnte. Nur zwei Monate später verstarb Hawks-Center Jason Collier an einer schwerwiegenden Herzrhythmus-Störung.

Womöglich hatte Traylor schon früh erkannt, dass er nicht mehr lange Teil der NBA sein würde und in finanzielle Schwierigkeiten kommen könnte. Womöglich war er schlichtweg habgierig. Oder einfach nur naiv. Sein füherer College-Teamkollege Taylor: "Rob konnte nie nein sagen. Das war eine Gabe und zugleich ein Fluch."

Traylor entkommt Gefängnis ganz knapp

Am 18. März 2004 betrat eine geistig verwirrte Frau die Polizei-Wache in einem Detroiter Vorort und gab zu Protokoll, dass in ihrem Hotelzimmer eine Leiche liege. Stattdessen fanden die Ermittler 3,4 Millionen Dollar in cash, Drogen, Handys und CDs mit brisanten Informationen.

Schnell stellten sie eine Verbindung zum eingangs erwähnten Q her - und von ihm zu Traylor, der so töricht war, für seinen Cousin und Kindheitsfreund Geld zu waschen und Steuern zu hinterziehen. Unter anderem, indem Traylor in seinem eigenen Namen zwei Apartment-Häuser erwarb.

"Robert traf einige dumme Entscheidungen. Er ist wie viele andere junge Männer, die in die NBA kommen und mit Geld zugeschüttet werden", sagte sein Jugendtrainer Earl Monroe damals. "Er wollte seinen neuen Lebensstil unbedingt aufrechterhalten und er hatte die falschen Menschen um sich herum."

Traylor sollte ursprünglich für bis zu 14 Monate ins Gefängnis. Am Ende wurde er zu einer 60-tägigen Haftstrafe ohne Bewährung verurteilt, die vom Richter jedoch gnädigerweise ausgesetzt wurde, weil Traylor die Möglichkeit bekam, ins Ausland zu wechseln und dort Geld zu verdienen.

Überall und nirgends

In den letzten Jahren verdingte er sich in der dritten spanischen Liga, in der Türkei, in Italien, in Mexiko und in Puerto Rico. Die USA mied er. Ob aus Angst vor juristischen Konsequenzen oder aufgrund fehlender Angebote - man weiß es nicht.

Was blieb, war sein Kampf mit den ständigen Nowitzki-Vergleichen, seinem Übergewicht - und seinem Herzen.

Noch vor kurzem habe er über Atemprobleme geklagt, sagte sein Mitspieler Orlando Santiago. Traylor sah jedoch offenbar keinen Zusammenhang zu seiner Herzschwäche. Womöglich war es die letzte von vielen Fehlentscheidungen in seinem Leben.

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