NBA

Verletzungen, Chemie und der hadernde Bosh

Von SPOX
Die Verteidigung des Gegners in der Zone ist eine der großen Schwachstellen der Miami Heat
© Getty

Als sich LeBron James und Chris Bosh im Sommer mit Dwyane Wade zusammen taten und ein Trio der Superlative formten, träumten viele Fans und lokale Medienvertreter schon von einer Saison mit 70 oder mehr Siegen der Miami Heat. Selbst David Stern war überzeugt, dass "wir in der kommenden Saison Basketball sehen werden, der zum besten aller Zeiten gehört."

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Ohne Frage war diese Aussage auf die L.A. Lakers und die Boston Celtics, vor allem aber auf die Miami Heat gemünzt. Nach 14 Spielen und einer ernüchternden Bilanz von 8 Siegen und 6 Niederlagen ist die Begeisterung in Floridas Metropole jedoch vorerst verflogen, im Rest der USA ist die Schadenfreude umso größer.

Woran aber liegt es, dass drei All-Stars und eine Reihe ordentlicher Rollenspieler nicht bessere Ergebnisse erzielen? SPOX hat sich die Situation angeschaut und eine Reihe von Problemfeldern ausgemacht.

Zusammenstellung des Kaders: Wenn man sich drei Topstars ins Team holt, ist klar, dass der Rest des Kaders nur noch aus Rookies, Rollenspielern und titelhungrigen Veteranen bestehen kann. Das hat bei den Boston Celtics unter anderem deshalb geklappt, weil sich Rajon Rondo unerwartet zu einem Spielmacher von All-Star-Format mauserte.

In Miami ist ein Kandidat für solch einen Durchbruch nicht in Sicht. Gerade unter den Körben und auf der Point-Guard-Position tun sich eklatante Schwächen auf, die auch von James und Co. nicht schön zu reden sind. Big Man Joel Anthony ist viel zu klein, um die O'Neals und Howards dieser Welt effektiv zu verteidigen, Backup Zydrunas Ilgauskas ist größer, aber dafür auch umso unbeweglicher.

Spielmacher Carlos Arroyo ist es noch nicht gelungen, gute gegnerische Point Guards zu stoppen, dessen Backup Mario Chalmers wiederum hat bei Erik Spoelstra einen schweren Stand, obwohl er vom Talent her zu den besten Schützen im Team zählt. Zudem ist das Trio Wade, James, Bosh nicht zu vergleichen mit Allen, Pierce, Garnett oder Parker, Ginobili, Duncan. Individuell sind alle drei Offensivkräfte erster Güte, gar keine Frage. Allerdings passen sie nicht zusammen.

Anhand des Bostoner Teams lässt sich leicht erklären, wo der Schuh drückt: Das Celtics-Triumvirat funktioniert vor allem deshalb so gut, weil die einzelnen Teile Fähigkeiten haben, die die anderen nicht haben. Garnett ist der Arbeiter unter den Körben, der perfekte Help-Verteidiger und der beste Post-Up-Spieler des Teams.

Allen ist der vielleicht beste Jump-Shooter aller Zeiten, der ein ganzes Spiel ohne ein einziges Dribbling auskommen kann und trotzdem effektiv ist. Pierce wiederum ist aus dem Dribbling am stärksten und kreiert so auch für seine Mitspieler.

In Miami gibt es diese Mischung nicht. Sowohl James als auch Wade müssen den Ball haben, um effektiv zu sein. Geht einer ins Dribbling, ist der andere nahezu überflüssig. Denn was bringt ein Pass auf den freistehenden Kollegen, wenn beide als Spot-Up-Shooter allenfalls oberer Liga-Durchschnitt sind? Und weil bei jedem Spielzug einer der beiden lange Zeit den Ball hält, ist Bosh oftmals selbst nur Rollenspieler.

Verletzungen: Die SPOX-Triangle-Offense hatte schon vor der Saison orakelt, dass ein Ausfall von Dwyane Wade brutale Folgen für das Team haben könnte. Und siehe da: Seit den Shooting Guard seit einem Sturz das Handgelenk hemmt, verlor Miami gegen Memphis und Indiana.

Fast genau so stark dürfte sich aber der Ausfall von Udonis Haslem auswirken. Der Big Man ist Miamis bester Rebounder, neben den Stars der Wortführer und absolute Respektsperson in einem. Haslem macht die Drecksarbeit, verteidigt stark und hat nebenbei noch Zeit, offene Midrange-Jumper genauso verlässlich zu versenken wie Bosh.

Zwar kommt der 30-Jährige nur von der Bank, dennoch gibt es im Team niemanden, der ihn ersetzen kann. Jetzt soll Erick Dampier als Ersatz kommen. Die Heat müssen verzweifelt sein.

Darüber, wie sehr Mike Miller dem Team fehlt, kann derzeit allenfalls spekuliert wird. Aber wenn man sich die Spielweise des Teams bisher anschaut, wäre der Neuzugang wohl nur ein weiterer Distanzschütze neben James Jones, Eddie House und Co.

Chris Bosh: Auch wenn der Power Forward in den letzten Spielen offensiv seinen Rhythmus gefunden hat - das musste er nach Wades Verletzung auch -, bleibt er ein Problemfeld. Bosh war in Toronto ein dominanter Rebounder und Alleinunterhalter, konnte sich aber auch in der kanadischen Anonymität verstecken.

In Miami ist das nicht mehr möglich, hier steht er permanent im Rampenlicht. Als würde ihm die Aufmerksamkeit nicht per se schon zu schaffen machen, musste er feststellen, dass er als dritte Geige enormer Kritik ausgesetzt ist, die nicht spurlos an ihm vorüber geht.

Seine Defense ist nach wie vor stark ausbaufähig und wird spätestens in den Playoffs gegen absolute Topteams zur Belastung werden. Zudem wirkt der Lefty freudlos, so als hätte er sich das alles anders vorgestellt.

Hierarchie: Als sich die drei Superstars zusammen taten, hieß es aus allen drei Mündern, dass man befreundet sei, sich super verstehe und es auf dem Platz keine Probleme geben werde. Pustekuchen. Jeder Laie dürfte inzwischen gesehen haben, dass Bosh mit Wade und James nicht mithalten kann, was sich wiederum auf die Psyche des Power Forwards auswirkt.

Noch dramatischer ist aber die Situation zwischen Wade und James: Weil Flash 2006 mit Miami den Titel holte, sind die Heat eigentlich sein Team. Weil der King aber der bessere Spieler ist, müsste es eigentlich James' Team sein. Beide sind Spieler, die permanent den Ball dominieren müssen, um ihre Stärken ausspielen zu können.

James macht bislang einen phänomenalen Job als Ballverteiler, aber Wade kann es unmöglich gefallen, dass er nur noch der Nutznießer der Pässe des Small Forwards sein soll.

Es gab schon Spiele, in denen man den Eindruck bekommen konnte, die beiden Freunde würden eine Privatfehde austragen, wer nun der Chef in Miami ist. Als Folge geht den Heat bislang völlig die Freude an ihrem Job ab, die zum Beispiel die Cleveland Cavaliers unter James auszeichnete. Der King selbst mahnte schon an: "Wir müssen mehr Spaß haben!"

Fazit: In Komplettbesetzung sind die Miami Heat ein gefährliches Team, das steht fest. Spätestens wenn Haslem, Miller und Wade erst wieder im Vollbesitz ihrer Kräfte sind, dann muss man mit einem Lauf rechnen. Das Problem der Verletzungen wird sich somit in den nächsten Wochen und Monaten von allein lösen.

Was aber ist mit den anderen Problemen? Wird Chris Bosh jemals restlos glücklich in Miami? Wie soll man im Verlauf der Saison den Kader noch soweit verbessern, dass die Schwachstellen (Point Guard, Center) ausgemerzt sind? Da muss man skeptisch sein.

Am meisten hängt der Erfolg jedoch davon ab, ob und wie sich James und Wade aufeinander einstellen. Einer der beiden wird sein Spiel verändern müssen. Und schaut man sich die bisherigen Leistungen an, dann kann das nur Dwyane Wade sein, der Platzhirsch, der seine Freunde im Sommer zu seinem Klub lotste.

Mittlerweile sind die Heat nicht mehr sein Klub. James schwingt längst das Zepter, die Situation ähnelt schon jetzt der bei den Cavaliers. Nur wenn Wade einsieht, dass er der Sidekick des Königs ist, hat das Projekt Miami die Chance, zu einem Volltreffer zu werden.

Schlaglichter: Heat in eigener Halle deklassiert

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