NBA

Prokhorov: "Sonst müsste ich jeden töten"

Von Haruka Gruber
Hip-Hop-Mogul Jay-Z und Finanz-Mogul Mikhail Prokhorov (r.) im Gespräch
© Getty

Für einige ist Mikhail Prokhorov, der neue Besitzer der New Jersey Nets, der "interessanteste Mensch auf dem Planeten". Der russische Multi-Milliardär gibt sich humorvoll - und ist doch knallhart. Eine platinblonde Spionin soll bei seinem Masterplan helfen.
 

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Es ist ein seltener Augenblick, wenn einer der meist beneideten Männer der Welt selbst eifersüchtig wird. Jay-Z baute ein Hip-Hop-Imperium auf, verdiente Hunderte von Millionen Dollar und ist mit Beyonce Knowles verheiratet - als er jedoch erstmals Mikhail Prokhorov traf, blieb selbst er vor lauter Staunen sprachlos.

Der neue russische Besitzer des NBA-Teams New Jersey Nets lud Minderheitseigner Jay-Z zum ersten Kennenlernen ins New Yorker "Four Seasons" ein. Ein Luxus-Hotel, das dem Rap-Produzenten wohl bekannt ist, immerhin gehört er seit zehn Jahren zu den prominenten Stamm-Gästen des Hauses.

"Ich habe gedacht, ich wäre schon am Top-Level angekommen", erinnert sich Jay-Z. "Aber Mikhail Prokhorov empfing mich im Four Seasons in einer super-geheimen Extra-Suite, von der ich noch nicht einmal gehört hatte. Da wusste ich, dass man immer mehr erreichen kann im Leben."

"Der interessanteste Mensch"

In einer Liga, in der alleine das Durchschnittsgehalt eines Basketballers rund fünf Millionen Dollar beträgt, ist Überfluss eine Gegebenheit. Prokhorov aber verleiht dem Begriff Prunk eine neue Bedeutung, selbst für NBA-Verhältnisse.

Während Paul Allen von den Portland Trail Blazers, mit 13,5 Milliarden Dollar der reichste aller NBA-Besitzer, das typisch zurückhaltende Leben eines Milliardärs führt und dezent im Hintergrund verharrt, genießt der nicht minder wohlhabende Prokhorov (13,4 Milliarden) die Aufmerksamkeit, die ihm seit der Übernahme der Nets in diesem Sommer zuteil wird. "Er ist der interessanteste Mensch auf dem Planeten", schreibt das Basketball-Fachmagazin "Slam".

Prokhorov inszeniert sich bewusst als einen Exoten, der je nach Bedarf mit den Stereotypen des Kalten Kriegs spielt ("Amerika, ich komme in Frieden!") und die Öffentlichkeit amüsiert - oder schockt, je nach Blickwinkel.

Beispielsweise bekam ein US-Kamerateam die Möglichkeit, eine von Prokhorovs Villen zu filmen - und entdeckte eine Kalaschnikow, die herrenlos an einem Wohnzimmer-Fenster angelehnt war. "Ich habe sie geschenkt bekommen", so Prokhorovs simple Erklärung vor laufender Kamera (Hier geht's zum Video!).

Wertgewinn auf eine Milliarde Dollar?

Nur um zu illustrieren, welch schillernden Lebensstil Prokhorov pflegt: Auf die Frage, vor welcher Küste denn seine 45 Millionen Dollar teure Yacht liege, musste er kurz nachdenken. Und antwortete: "Ich habe keine Ahnung. Ich benutze sie nicht oft und ich werde sowieso schnell seekrank."

Das neueste Spielzeug des zweitreichsten Mann Russlands ist wesentlich leichter aufzufinden, kostete dafür aber auch mehr als das Vierfache: Prokhorov erwarb für 200 Millionen Dollar 80 Prozent der Nets und 45 Prozent der geplanten Mega-Arena in Brooklyn, in der das Team ab 2012 die Heimspiele austragen soll.

Mikhail Prokhorov im SPOX-Porträt: Der Super-Abramowitsch

Prokhorov sieht die Nets aber nicht nur als Zeitvertreib, sondern eben auch als Investment. "Ich hoffe, dass das Asset, das ich für 200 Millionen Dollar erworben habe, in spätestens fünf Jahren eine Milliarde Dollar wert ist. Das sollte möglich sein", sagt der 45-Jährige.

Das Kalkül: Durch einen Umzug ins boomende Brooklyn wandeln sich die graumäusigen Nets zu einem hippen Lifestyle-Klub mit einer solchen Anziehungskraft, dass selbst die Knicks-Fans die Seiten wechseln. So zumindest die Hoffnung Prokhorovs, der Brooklyn mit Bedacht auswählte. Alleine in diesem New Yorker Stadteil leben 330.000 Immigranten aus der ehemaligen Sowjetunion.

Trotz Millionen: Es hagelt Absagen

Prokhorov: "Die Nets werden das erste richtig globale Team der NBA. Uns werden Fans von New Jersey, Brooklyn bis Moskau anfeuern."

Nach seinem fulminanten Entree in die NBA ist jedoch weniger als drei Monaten später eine gewisse Ernüchterung eingekehrt. Erst wurde New Jersey trotz der schlechtesten Bilanz in der Vorsaison und der damit verbundenen höchsten Wahrscheinlichkeit auf einen Nummer-eins-Draft lediglich der dritte Pick zugelost. Und in den Wochen darauf sollte es nicht beim Los-Pech bleiben.

Obwohl in diesem Sommer so viele hochkarätige Free Agents wie noch nie einen neuen Klub suchten und New Jersey ein oder zwei Maximum-Verträge anbieten konnte, hielt es keiner der vertragslosen Stars für reizvoll, bei den Nets zu unterschreiben. LeBron James, Dwyane Wade, Chris Bosh, Amare Stoudemire, Carlos Boozer, Joe Johnson, David Lee: Sie alle waren ungebunden - und entschieden sich gegen New Jersey.

Die Nets als große Verlierer der Offseason, denen es lediglich gelang, den Kader mit überbezahlten Rollenspielern zu füllen. Statt Wunschspieler James wird der mittelmäßige Travis Outlaw (35 Millionen Dollar in 5 Jahren) auf der Small-Forward-Position beginnen. Center Johan Petro (10 Millionen, 3 Jahre), Scharfschütze Anthony Morrow (12 Millionen, 3 Jahre) und Jordan Farmar (12 Millionen, 3 Jahre), Backup-Spielmacher von Meister Lakers, sind für die Bank vorgesehen.

Selbst die Playoffs werden schwierig

Keiner der Neuzugänge wurde jemals für das All-Star-Game in Betracht gezogen, selbst als NBA-Starter hat sich niemand hervorgetan. Dennoch sagt Brook Lopez, einer der wenigen Hoffnungsträger der Nets: "Egal, was in der Sommerpause passiert ist, wir werden in New Jersey eine neue Winner-Mentalität erleben. Von Tag eins an werden wir an Siege glauben."

Eine ähnlich miserable Saison wie letztes Jahr, als die Nets lediglich 12 von 82 Spielen gewannen und beinahe die historische Minusmarke der 76ers (1973, 9-73)  unterboten, werden sie zu verhindern wissen, zu solide ist die Mannschaft aufgestellt.

Center Lopez bildet mit Nummer-drei-Pick Derrick Favors ein hochbegabtes Frontcourt-Duo, außerdem gehört Spielmacher Devin Harris trotz des Formeinbruchs in der Vorsaison weiterhin zu den schnellsten und talentiertesten Spielmachern der Liga. Ob das aber genügt, um wie von Prokhorov geordert die Playoffs zu erreichen, erscheint fraglich.

Komplettumbruch in der Führung

Immerhin: Während der Komplettumbruch der Mannschaft angesichts der zahlreichen Absagen auf die nächste Spielzeit verschoben werden musste, wurde das Front Office nach den Wünschen Prokhorovs saniert.

Präsident Rod Thron sowie General Manager und Aushilfs-Trainer Kiki Vandeweghe mussten den Klub verlassen, dafür wurde überraschend der seit drei Jahren arbeitslose Billy King (früher Philadelphia) als neuer starker Mann vorgestellt.

Erwartet wurde hingegen Avery Johnsons Ernennung zum Headcoach, nachdem dieser von Mark Cuban, seinem Ex-Boss bei den Dallas Mavericks, wärmstens bei Prokhorov empfohlen wurde. "Ich bin sehr zuversichtlich. Es geht um harte Arbeit und es geht um Träume. Und ich träume derzeit sehr viel davon, was die Nets alles erreichen können", sagt Johnson, sonst als raubeiniger Realist bekannt.

Eine platinblonde Strippenzieherin

Die Nets haben sich wie kaum ein Team zuvor innerhalb weniger Monate von Grund auf neu erfunden. Und es wird sich zeigen müssen, inwiefern King und Johnson mit den besonderen Umständen in New Jersey zurechtkommen. Womöglich ist kein amerikanisches Unternehmen so "russisch" wie die Nets.

Der Rücktritt von King-Vorgänger Thorn etwa sei dadurch beschleunigt worden, dass in den Büroräumen der Nets Angestellte arbeiten, die von Prokhorov eigens platziert wurden, um zu spionieren und gegebenenfalls diskret zu intervenieren.

Eine der wichtigsten Strippenzieherinnen heißt Irina Pavlova. Die Tochter eines Diplomaten hat einen Uni-Abschluss von Stanford und wurde als erste Russin überhaupt von Google angestellt. Nun soll die platinblonde Schönheit Prokhorovs "perfekte Brücke zwischen Russland und den USA" sein, wie er erklärt.

Titel in spätestens fünf Jahren

Pavlova selbst erläutert ihre Aufgabe vielsagend: "Manchmal beinhaltet meine Arbeit, Informationen zu sammeln und sie an die richtigen Kanäle weiterzukommunizieren." Alles unter der Prämisse des maximalen Erfolgs.

"Mein Ziel ist es, eine Dynastie zu gründen. Wenn alles glatt läuft, stehen wir nächstes Jahr in den Playoffs und spätestens in fünf Jahren sind wir Meister. In Russland sind fünf Jahre eine Ewigkeit", sagt Prokhorov, der betont, einen genaue Strategie zu verfolgen.

Aber: "Ich kann meinen geheimen Plan leider nicht verraten. Wenn ich es erzählen würde, müsste ich jeden töten."

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