NBA

Gnadenlos im Stich gelassen

Von Philipp Dornhegge
Kobe Bryant spielte in Spiel 5 der Finals groß auf. Der Rest des Teams enttäuschte komplett
© Getty

Die Celtics haben Spiel 5 der Finals 2010 mit 92:86 gewonnen und damit die Führung gegenüber den Lakers übernommen. Boston hat nun im Kampf um den Titel zwei Matchbälle.

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Die Lakers stehen mit dem Rücken zur Wand. Sah es nach drei Spielen und einer 2-1-Führung noch danach aus, als befände sich L.A. auf dem besten Weg zur 16. Meisterschaft, lachen zwei Spiele später nur noch die Celtics.

Weil sie nun mit 3-2 führen, weil sie trotz einer wahren Demonstration von Kobe Bryant die Partie stets im Griff hatten und weil dafür nicht einmal eine fehlerfreie Leistung nötig war.

Seit Spiel 3 der Western Conference Semifinals 2009 gegen die Houston Rockets lag L.A. nicht mehr in einer Playoff-Serie zurück, nun muss das Team zeigen, aus welchem Holz es geschnitzt ist.

In Spiel 5 sah es absolut nicht danach aus, als hätten die Teamkollegen von Bryant die mentale Stärke, von der sie zu Beginn der Finals selbst so oft sprachen.

Rondo, Garnett und Pierce geben den Ton an

Denn lässt man den Star des Teams außen vor, trafen die Lakers 18 von 51 Würfen - eine Leistung, die zum einen sicher der erneut starken Celtics-Defense geschuldet war, zum anderen aber ein Beleg dafür ist, dass Pau Gasol, Ron Artest und sogar Routinier Derek Fisher überhaupt nicht im Spiel waren.

Dabei hatte es zu Beginn der Partie den Anschein, als seien sich durchaus beide Teams der Bedeutung der Partie bewusst. Die Celtics versuchten, sich mit Fastbreaks und Pick-and-Rolls leichte Punkte zu erspielen, die Lakers setzten in der Anfangsphase vor allem Andrew Bynum in Szene, der trotz seiner Knieprobleme einen guten Start erwischte.

Nur so konnte L.A. anfangs Schritt halten mit dem Gastgeber, der schon im ersten Viertel 58 Prozent schoss (Lakers: 33 Prozent). Nach zwölf Minuten nahmen die Celtics eine 22:20-Führung mit in die erste Pause. Allein 20 von Bostons Punkten gingen auf das Konto von Rajon Rondo, Paul Pierce und Kevin Garnett.

Lakers werden für Schwalben belohnt

Außer Pierce saßen zu Beginn des zweiten Abschnitts alle Starter auf der Bank, und dennoch blieben die Celtics tonangebend. Weil die Ersatzspieler wie schon in Spiel vier heiß war.

Sowohl offensiv, wo Tony Allen, Rasheed Wallace und Nate Robinson trafen, als auch defensiv, wo das Team den Lakers jeden Wurf erschwerte. Nach nur drei Minuten stand es 30:22.

Lakers-Coach Phil Jackson hatte genug gesehen und nahm eine Auszeit. Die Gäste spielten danach kein Stück besser, aber Boston verlor den Faden. Unnötige Ballverluste ermöglichten L.A. leichte Punkte, ein Dreier vom bis dahin katastrophal schlechten Ron Artest brachte das Team auf 31:32 heran. Nun war es an Bostons Trainer Doc Rivers, seinen Männern ins Gewissen zu reden.

Aber die Lakers waren jetzt besser im Spiel - auch und vor allem deshalb, weil die Schiedsrichter auf jede billige Schwalbe der Gäste ansprangen. So verdiente sich Fisher einige Freiwürfe im ersten Viertel, so hing Artest nun Rondo ein technisches Foul an, als der die Nummer 37 nach einem harten Foul an Garnett zur Seite schob. Bryant auf der anderen Seite kam mit exakt derselben Aktion übrigens ungeschoren davon.

Turnovers sind Bostons größtes Problem

Trotzdem: Boston blieb aggressiv und wurde belohnt: Einen Pierce-Dreier und einen Tip-In später waren die Hausherren wieder mit vier Punkten vorne.

Überhaupt lief The Truth in der Schlussphase der ersten Hälfte heiß. Wann immer die Lakers im Pick-and-Roll zum Switchen gezwungen werden konnten, nutzte Pierce das Mismatch gegen die Lakers-Big-Men aus, zudem verpasste Artest nach seinem dritten Foul die letzten Minuten, sodass Pierce gegen Luke Walton leichtes Spiel hatte.

"Ihre Freiwürfe und Offensivrebounds machen uns Probleme", gab Pierce vor der Pause zu. "Aber wenn wir uns in diesen beiden Bereichen verbessern, haben wir gute Chancen, unsere Führung zu behalten."

Die lag zur Halbzeit bei 45:39, doch der MVP der Finals 2008 vergaß zu erwähnen, dass Boston auch 9 Ballverluste verzeichnete, gleich 4 davon durch Rondo, der fast schon zu aufgedreht zu Werke ging und einige schlechte Entscheidungen traf.

3. Viertel: Kobe dreht auf

Das wurde in der zweiten Hälfte sehr viel besser, aber noch jemand drehte jetzt auf: Bryant kam total fokussiert aus der Kabine und machte sich gleich ans Werk. Innerhalb der ersten vier Minuten hatte er 10 Punkte erzielt, die Jumper, die die Black Mamba versenkte, kann man getrost der Marke Extraklasse zuordnen.

Celtics - Lakers, Spiel 5: Die Highlights im Video bei ESPN

Wer jedoch meint, dass L.A. damit wohl zurück im Spiel war, der täuscht sich: Denn die Celtics ließen sich überhaupt nicht beirren und kamen in der Zone zu Punkten, die ein Meisterschaftsanwärter eigentlich niemals zulassen darf.

Und wenn dann sogar Kendrick Perkins einen Turnaround-Jumper gegen Bynum trifft, dann ist gleich verständlich, wieso der Vorsprung des Rekordmeisters sogar anwuchs.

Auf den Spuren von Isiah Thomas

Auch wenn man noch mal betonen muss, dass Bryants Leistung absolut legendär war. Mit 19 Zählern im dritten Abschnitt verpasste er den Finals-Rekord für Punkte in einem Viertel lediglich um sechs - Detroits Isiah Thomas hatte 1988 in Spiel sechs gegen die Lakers die bis heute gültige Bestmarke markiert.

Und es war in der Tat nicht ein einziger leichter Wurf dabei. Boston spielte exzellente Defense, aber gegen einen Bryant in Bestform ist kein Kraut gewachsen.

Umso erschreckender, wie sich der Rest des Teams präsentierte. Egal, wer sein Glück versuchte: Kein anderer Laker erzielte in den ersten neuneinhalb Minuten einen Punkt.

Nach 23 Bryant-Punkten in Folge war es dann der Spanier, der mit einem Dunk und anschließendem Freiwurf die Serie durchbrach. Dank Gasol betrug der Rückstand doch wieder nur acht Zähler.

Rondo-Highlight sorgt für Vorentscheidung

Aber die Celtics hielten dem erwarteten Lakers-Ansturm stand, auch als Rivers im vierten Viertel zunächst wieder auf seine Reservisten setzte.

Wallace (Dreier) und Robinson (Korbleger) sorgten für eine Inititalzündung, die L.A. zwar zu kontern wusste - Odoms Putback brachte L.A. auf sechs Zähler heran -, aber danach spielte nur noch Boston: Zwei Fehler von Bryant bescherten den Celtics leichte Punkte im Fastbreak, und dann sorgte Rondo mit einem Tip-In, bei dem der kleinste Spieler auf dem Parkett höher stieg als Lamar Odom und Gasol, für das Highlight der Partie und die Vorentscheidung (87:75).

Wenig später äußerte Bryant, der sich als einziger Laker in Bestform präsentierte, seinen Frust mit seinem fünften Foul. In den letzten zwei Minuten versuchten die Gäste zwar, per Freiwürfe noch zum Sieg zu kommen, aber die Zeit reichte nicht mehr.

Boston wurde nervös, gab L.A. alle Chancen heran zu kommen, aber die Lakers schliefen mehrfach beim Rebound und trafen nicht von der Linie.

"Sie wissen, wie man Spiele verliert"

Dabei hatte Jackson seinen Spielern in einer Auszeit noch eingeschärft: "Dieses Team hat mehr Spiele im letzten Viertel verloren als jedes andere Team. Sie wissen, wie man verliert, und das zeigen sie uns gerade." Dennoch nutzte L.A. seine Chancen nicht, und so war es an Ray Allen, 19 Sekunden vor Schluss endgültig den Deckel drauf zu machen. Boston gewinnt ein hart umkämpftes Spiel, bei dem beide Teams im letzten Abschnitt sichtlich angeschlagen waren.

Die Spannung in den Finals erreicht langsam, aber sicher, ihren Siedepunkt und man wird nun sehen, ob die Lakers tatsächlich die vielfach beschworene mentale Stärke haben, um Boston zwei Mal in Folge Paroli zu bieten. Wenn man dieses fünfte Spiel als Indikator nimmt, dann sah es definitiv nicht danach aus.

Allerdings: L.A. spielt beide Partien im heimischen Staples Center, wo vor allem die Bankspieler meist deutlich besser spielen. Und wo sich das gesamte Team auf die Unterstützung der Fans verlassen kann.

Die Celtics freuen sich mindestens genau so sehr auf Spiel sechs: "Wir haben das ganze Jahr über gezeigt, dass wir auswärts zu den stärksten Teams überhaupt zählen", sagte Pierce unmittelbar nach Spielschluss. "Wir stehen so kurz vor dem Titel, mindestens eine Partie müssen wir einfach gewinnen."

Finals, Spiel 5: Die Celtics-Helden von der Bank