NBA

"Wunderschöne Dreier mit links"

Von Philipp Dornhegge
Chris Kaman weiß sich durchzusetzen. In diesem Jahr sammelt er pro Partie 8,4 Rebounds ein
© Getty

Chris Kaman ist kein Mann der lauten Töne. Der Center der L.A. Clippers lässt seine Leistungen für sich sprechen. Und die zeigen: Der Caveman hat sich zu einem der besten Big Men im Business entwickelt.

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Acht Siege und elf Niederlagen, Platz elf in der Western Conference: Die Los Angeles Clippers weisen derzeit eine Bilanz auf, die kaum zu Luftsprüngen einlädt.

Die Laune beim kleinen Bruder der Lakers könnte besser sein, dennoch sorgt ein Deutscher in diesem Jahr für lachende Gesichter: Chris Kaman, vor zwei Jahren eingebürgert, ist bärenstark in die Saison gestartet.

Der sonst chronisch verletzte, kranke und deshalb oft formschwache Center ist erstmals seit langer Zeit wieder hundertprozentig fit - und das spiegelt sich in seinen Zahlen wider: 19 Punkte, 8,4 Rebounds und 1,4 Blocks in bislang 19 Spielen.

"Es gefällt mir, wie er unter dem Korb aufräumt und wie seine Halbdistanz-Würfe fallen", zeigt sich Dirk Nowitzki im SPOX-Interview begeistert von seinem Nationalmannschaftskollegen. "Was ich nicht erwartet habe ist, dass er sich derart gut bewegt."

Die Gelegenheit ist günstig

Kaman ist in Topform, viele seiner Kollegen dagegen nicht: Yao Ming fällt mit einem Fußbruch die ganze Saison aus, Mehmet Okur und Al Jefferson laufen ihren Bestwerten hinterher.

Drei Big Men, die ihm auf der Jagd nach seinem ersten Berufung ins All-Star-Team den Weg also nicht verstellen werden. Seine bisher einzige Erfahrung bei dem Mega-Event sammelte er 2004, als er für die Neulinge bei der Rookie Challenge antrat.

Auch wenn es für die ersten Fünf nicht reichen wird - Amare Stoudemire ist nach Yao traditionell der beliebteste Center der Western Conference -, vom Talent her war er immer schon einer der komplettesten Fünfer: Der 27-Jährige kann schießen, sich unter dem Korb durchsetzen und er ist ein solider Passgeber.

In der Defense steht er mit seinen 2,13 Metern auch gegen Spieler wie Andrew Bynum, Dwight Howard oder Tim Duncan seinen Mann.

Coach Dunleavy: "Junge, schieß mehr!"

In der Vergangenheit allerdings hatte man oft den Eindruck, dass Kaman dieses Talent nicht recht zu nutzen wusste. "Wir versuchen jetzt schon seit einer Weile, ihn dazu zu bringen, dass er mehr aus der Distanz wirft", erklärt Clippers-Coach Mike Dunleavy. "Irgendwie hatte er immer das Gefühl, dass er zum Korb ziehen muss und genau da hat er dann Probleme bekommen. Dabei wirft er im Training selbst mit der linken Hand wunderschöne Dreier. Also haben wir ihm gesagt: 'Junge, schieß mehr!'"

Das mit der linken Hand darf übrigens niemanden wundern, schließlich gilt Kaman als beidhändig und wirft auch im Spiel genau so oft mit links wie mit rechts, was ihn im Low Post natürlich umso gefährlicher macht.

"Mein Jump Hook mit rechts ist etwas schwächer als der mit links", sagt Kaman sogar. "Das habe ich erst gemerkt, als ich mir in der Sommerpause stundenlang Videos reingezogen habe. Ich hatte nach 51 Spielen Pause im letzten Jahr das Gefühl, dass ich nur noch ein mittelmäßiger Spieler bin. Deshalb habe ich in der Offseason geschuftet wie noch nie."

All-Star-Kandidatenliste: Kaman bleibt außen vor

Genug, um im Februar in Dallas wenigstens als Ersatzmann am großen Spektakel teilzunehmen? Jein. Von seiner Leistung her ist er definitv einer der heißesten Anwärter, aber Basketball ist eben ein Teamsport, und da achten die Coaches bei der Auswahl der All Stars eben auch auf die Bilanzen der Mannschaften, und da muss Kaman hinter den Konkurrenten aus Phoenix, Denver oder New Orleans zurückstecken.

Für die Starting Five kommt er eigentlich ohnehin nicht in Frage: Zum einen steht Kaman nicht einmal auf dem Stimmzettel, den die NBA zu Saisonbeginn erstellt - seine Teamkollegen Baron Davis, Al Thornton, Blake Griffin und Marcus Camby dafür schon -, zum anderen weiß Dunleavy, dass "die gehypten Werbefiguren diejenigen sind, die von den Fans gewählt werden. Ich könnte mir vorstellen, dass Yao Ming trotz seiner Verletzung und der Tatsache, dass er nicht auf dem Zettel steht, die meisten Stimmen bekommt."

Für Kaman ist das kein Problem: "Das ist nun mal so, daran kann man nichts ändern. Und ehrlich gesagt: Nachdem ich so viele Spiele verpasst habe, hätte ich mich auch nicht auf den Zettel gesetzt."

Clippers noch immer zu schlecht für die Playoffs

Der Mann aus Grand Rapids, Michigan, würde gerne nach Dallas fahren, seine Prioritäten setzt er jedoch ganz klar anders: "Ich kann meiner Mannschaft helfen, mehr Spiele zu gewinnen und das nächste Level zu erreichen. Etwas anderes interessiert mich derzeit nicht", so Kaman zu Saisonbeginn.

Inzwischen ist klar, dass die Clippers dank Kaman besser als im Vorjahr, aber wohl immer noch zu schlecht für die Playoffs sind. Zeit, sich Gedanken zu machen? Einen Wechsel zu erwägen?

"Das wäre nicht schlecht", sagte der Caveman Ende November, als er mit den Clippers in Detroit spielte und von einem Reporter gefragt wurde, ob er sich ein Engagement bei den Pistons vorstellen könnte.

Kaman per Trade zu den Pistons?

Der gleiche Reporter schlug in der "Detroit News" vor, Kaman für Defensiv-Ass Tayshaun Prince zu traden. Die Pistons suchen seit Jahren nach einem Scoring-Big-Man, die Clippers könnten einen vielseitigen Forward vertragen.

Zudem kommt Prince aus Kalifornien. Ein guter Tausch, findet auch Kaman: "Da hätte ich nichts dagegen. Aber ich werde es nicht forcieren. Fakt ist: Ich möchte gewinnen..."

Dass er wieder näher an seiner Heimat wäre, käme als Bonus dazu. "Darüber habe ich schon oft nachgedacht", gibt Kaman lachend zu. "Aber das wäre ein Albtraum: Wenn ich mir vorstelle, wie mich vor jedem Heimspiel Freunde und Familie um Tickets anflehen, wird mir ganz schlecht."

Clippers: Erfolgloser geht's nicht

Das würde er aber zweifellos gerne in Kauf nehmen, wenn er dafür endlich mal wieder die Postseason erreicht: Nur 2006 stand er im Mai noch auf dem Parkett und ein Blick in die Geschichtsbücher zeigt, dass die Clippers das Verliererimage nicht zu Unrecht mit sich herumschleppen.

Sieben magere Playoffteilnahmen in 38 Jahren: Nur die Memphis Grizzlies (3) und die Toronto Raptors (5) waren seltener dabei - und beide Teams sind deutlich jünger.

In der in der Breite schwächeren Eastern Conference wäre ein Einzug in die Playoffs ohnehin viel leichter. Zwar hängt Detroit derzeit hinterher, aber selten war der Kampf um die Plätze sieben und acht ausgeglichener und niveauärmer als in diesem Jahr.

Griffin-Debüt auf Januar verschoben

Sollte es nicht zu einem Trade kommen, und danach sieht es stark aus, stehen den Clippers interessante Wochen bevor: Die Stadt der Engel bereitet sich auf das Liga-Debüt von Blake Griffin vor.

Der Neuling aus Oklahoma galt vor der Saison als Hoffnungsträger, brach sich dann aber die Kniescheibe und fiel lange aus. Sein Comeback ist nach den letzten Untersuchungen im Januar zu erwarten.

Also was tun: Griffin zum Star des Teams erklären oder auf das exzellente Zusammenspiel zwischen Camby und Kaman bauen?

"Schon seltsam, dass man sich bei einem Nummer-eins-Pick darüber überhaupt Gedanken macht, aber es ist gut möglich, dass er von der Bank kommt", sagt Kaman in der Gewissheit, dass sein Job auf keinen Fall in Gefahr ist. Denn der Caveman ist längst der MVP der Clippers.

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