MLB

Auf der Suche nach der Unverwundbarkeit

Fassungslos über den Absturz: Clayton Kershaw, Cody Bellinger und Kento Maeda (v.l.)
© getty

Die Los Angeles Dodgers waren noch vor drei Wochen das mit Abstand beste Team der MLB und sogar auf den Spuren historischer Bestmarken. Seitdem hat das Team 16 der letzten 17 Spiele verloren, es herrscht kollektive Ratlosigkeit. Ist der Traum von der World Series futsch?

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Ist es möglich, gleichzeitig das beste und das schlechteste Team der MLB zu sein?

Auf die Dodgers passt diese Beschreibung derzeit. Die traditionsreiche Franchise aus Los Angeles hat mit 92 Siegen und 52 Niederlagen immer noch die beste Bilanz der Liga zu bieten. Besser als die Nationals (88-55), die Astros (86-57) und sogar besser als die seit 19 Spielen ungeschlagenen Cleveland Indians (88-56).

Gleichzeitig hat dieses beste Team der Liga unglaubliche elf Spiele in Folge verloren. Nur ein Sieg aus den letzten 17 Spielen. Kein Team war über diesen Zeitraum schlechter - natürlich. Vollblamage. Nichts geht mehr.

Wie ist das möglich?

Mit einem unglaublichen (positiven) Lauf zur Mitte der Saison hatten sich die Dodgers von der Konkurrenz weit abgesetzt, ja sogar der Wins-Rekord von 116 Spielen in einer Saison war in Reichweite. "Best. Team. Ever?" titelte die Sports Illustrated, von 72 Spielen wurden zwischenzeitlich nur 14 verloren. Ein unerhörter Run, das Team schien mit Volldampf auf den ersten Titel seit 28 Jahren zuzusteuern. Die höchste Payroll der Liga, die tiefe Bank, die plötzlich auftrumpfenden Rollenspieler, der Trade für Yu Darvish - besser konnte es nicht laufen.

Man muss dem Team um Manager Dave Roberts zugutehalten, dass es den Hype einzuordnen wusste. Im Baseball ist der Abstand zwischen den sehr guten und sehr schlechten Teams nicht hoch, die nächste Niederlage oft nur einen Tag entfernt. Und jedes Team hat mal gute Phasen, und eben auch mal schlechte Phasen.

Die Dodgers und ihre schlechte Phase

Also machte sich Roberts nichts draus, als man am 26. August einen Shutuot gegen die Milwaukee Brewers einsteckte. "Solche Abende gibt es eben", sagte er. "Wir sind ein guter Klub." Keine allzu kontroverse Aussage, bei einer Bilanz von 91-37.

Ein paar Tage später hatte man alle drei Spiele gegen den Division-Rivalen aus Arizona verloren - zum ersten Mal überhaupt hatte man im Sommer drei Partien in Folge abgegeben. Passiert eben, blieb Roberts cool. "Wir müssen das einfach hinter uns lassen."

Es kamen die San Diego Padres, eigentlich nicht viel mehr als Kanonenfutter. Ein Spiel gewann man dank Clayton Kershaw mühevoll mit 1:0, die restlichen drei Mal ging man baden. "Das wird uns nicht zerbrechen", blieb Roberts immer noch die Ruhe selbst.

Bei seinem nächsten Auftritt wurde Kershaw von den Colorado Rockies förmlich rasiert, selbst der beste Pitcher seiner Generation konnte die Blutung nicht stoppen. Und so bekam auch die Fassade von Roberts Risse. "So etwas habe ich noch nie gesehen", sagte er ratlos. Drei Pleiten später war es schon mehr eine Art Hilfeschrei: "Ich weiß auch nicht. Ich bin für Vorschläge offen."

Das Gastspiel am Montag bei den Giants eröffnete man mit zehn Niederlagen am Stück im Gepäck, die längste Negativserie der Franchise-Geschichte. Regenfälle verschoben das Spiel um fast drei Stunden nach hinten, die lange Pause nahm Giants-Starter Chris Stratton nach nur einem Out aus dem Spiel. Der Erzrivale aus San Francisco, in dieser Saison mit schon 89 Niederlagen weit hinter den Erwartungen zurückgeblieben. Ohne Starter. Der rechte Gegner zur rechten Zeit.

Können die Dodgers noch World-Series-Champion werden?

Nope. Die Dodgers verloren 6:8. Und Roberts tastete in der Finsternis umher und suchte nach Lichtstrahlen. "Ich bin enttäuscht, weil unsere Jungs heute gekämpft haben, wirklich", sagte er. Nicht demoralisierend sei das, aber natürlich enttäuschend. "Heute war in der Hinsicht gut, dass die Offense lebendig geworden ist." Für das "Best. Team. Ever?" ein eher dünner Grund zur Freude.

Die 16. Niederlage im 17. Spiel. Wieder mal blieb Roberts ratlos zurück, genauso wie sein Team. Und wie sämtliche Experten: Was ist von den Dodgers der letzten knapp drei Wochen zu halten? Alles halb so wild? Oder ist irgendetwas im Team kaputt und die Titelhoffnungen sollten besser abgeschrieben werden?

Fest steht: Ein späterer World-Series-Champion hat in der MLB-Historie noch nie zehn Spiele am Stück verloren, geschweige denn elf. Fakt ist aber auch: Statistisch gesehen macht es kaum einen Unterschied, ob man heiß wie Frittenfett in die Playoffs geht, oder auf dem Zahnfleisch daherkommt.

Und wieder ist man nicht wirklich schlauer.

Offense, Defense - nichts funktioniert mehr

Woran liegt es denn, dass die Dodgers plötzlich nur noch ein Schatten ihrer selbst sind? Ein Blick auf die Statistiken offenbart, dass es sich quasi um eine spiegelverkehrte Version der Cleveland Indians handelt. Offense, Defense, Pitching, etc - beim Tribe läuft derzeit einfach alles gut. Und bei den Dodgers läuft einfach alles schlecht.

Das Pitching war lange eine große Stärke, das Corps aus Startern war tief, die meisten spielten überraschend gut. Dann holte man auch noch Darvish aus Texas, immerhin den Pitcher, der so schnell wie noch niemand zuvor die 1.000 Strikeouts in der Liga erreicht hatte. Kershaw + Darvish als One-Two-Punch in den Playoffs, beim dritten und vierten Starter hatte Roberts die Qual der Wahl.

Doch bisher konnte Darvish die in ihn gesetzten Erwartungen nicht erfüllen (5.34 ERA als Dodger), und die restliche Rotation schwächelte mit ihm: In den zehn Partien vor dem Giants-Spiel hatten die Starter ein ERA von 5.44, der Bullpen sogar ein katastrophales Average von 7.59. Hits und Walks werden verteilt wie Süßigkeiten beim Karneval, selbst Kershaw ist nicht immun.

Hitting? Ebenfalls Fehlanzeige. Die sechs Runs gegen San Fran muss man fast als Explosion bezeichnen, zuletzt waren es nämlich dünne 2.4 Runs pro Spiel. Mit einem Average von .201. Mit Runnern in Scoring Position geht die Zahl sogar noch weiter in den Keller. Cody Bellinger,Yasmani Grandal, Chris Taylor - die Leistungsträger der ersten rund 120 Spiele sind allesamt abgestürzt. Neuzugang Curtis Granderson kam vor einigen Wochen als einer der besten Hitter der Liga nach Los Angeles. In 22 Spielen hat er ganze 8 Hits.

Dazu kommen Verletzungen und sehr langsam zurück ans Team geführte Leistungsträger wie Corey Seager. Kershaw muss seinen zuletzt lädierten Rücken etwa erst einmal wieder in Topform bringen. Andere sind vielleicht einfach nur müde. Und mit jedem Spiel, mit jeder Niederlage wird der Druck größer, und der Frust im Klubhaus.

Wo ist der Sieg für die Psyche?

Der ersehnte Befreiungsschlag lässt weiter auf sich warten. "Der Einfluss auf unsere Psyche ist natürlich da", musste Roberts zugeben. "Wenn man in zwei Wochen nur ein Spiel gewinnt, hinterlässt das natürlich Spuren." "Wir haben zusammen gewonnen und jetzt verlieren wir zusammen", sagte Pitcher Rich Hill. "Es ist gerade eine sehr schwere Zeit."

Hier hilft vielleicht nur ein beliebtes Baseball-Klischee: Das nächste Spiel ist garantiert nicht weit weg, und mit einem Spiel kann sich alles ändern. Vielleicht gelingt Kershaw in der Nacht auf Mittwoch ein Complete-Game-Shutout, Bellinger und Co. schlagen ein paar Homeruns - und auf einmal ist man wieder da, als ob nichts gewesen wäre. Der Vorsprung auf die Konkurrenz ist glücklicherweise immer noch groß, am Playoff-Platz dürfte nicht mehr zu rütteln sein. So man denn nicht weiter aber auch wirklich alle Spiele verliert.

Andererseits darf man einen Aspekt nicht außer Acht lassen. So wie die jüngste Vergangenheit Spuren im Selbstbewusstsein der Dodgers hinterlassen hat, so hat sie die Konkurrenz gleichzeitig massiv Selbstbewusstsein tanken lassen. Die Diamondbacks haben ihre letzten sechs Spiele gegen L.A. gewonnen, Colorado gelang erst am Wochenende ein Auswärts-Sweep. Beide Teams würden Stand jetzt das Wildcard-Game unter sich ausmachen, der Gewinner in der Divison Series auf die Dodgers treffen.

Und die sind schlagbar. Zumindest derzeit.

Dieser Artikel wurde ohne vorherige Ansicht durch die Major League Baseball veröffentlicht.

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