MLB

Baseball-Spektakel im Herzen Londons

Gewann das Homerun Derby im Hyde Park: Ex-Dodgers-Talent Federico Celli
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Nachwuchs und Julsan Kamara

Wir lümmeln ein bisschen vor uns hin und warten auf den nächsten ehemaligen Star. Angesichts der laufenden Saison sind leider nur ehemalige Spieler vor Ort, dafür aber auch große Namen wie Carlos Pena oder Cliff Floyd. "Hey, sind Sie auf der Suche nach einer Story?", raunt mir eine Frau über die Absperrung zu. "Immer", antworte ich - und fühle mich wie im Film.

Nun ja, ein Pulitzer wird es nicht. Sie stellt uns das englische Nachwuchs-Team vor, dass demnächst in Polen um die Teilnahme an der Little League World Series spielen wird. Wir drehen ein Mini-Interview, na ja, für die Kids sicher sehr nett. Auf DAZN wäre das dann zu sehen, erklären wir - ob sie im UK das auch sehen werden, ist eine andere Frage. "Wir sollten uns lieber auf die Erwachsenen konzentrieren", meint Robin. Ich kann ihm nicht widersprechen.

Immerhin ein Interview ergattern wir noch: Julsan Kamara, ehemaliges Supertalent aus Regensburg, der 2013 im Alter von 17 Jahren einen Minor-League-Vertrag bei den Philadelphia Phillies unterschrieben hatte. Zu einer großen Karriere reichte es dann doch nicht, dafür darf er beim Homerun Derby zeigen, was er drauf hat. Extrem sympathischer Typ, wir führen das Interview auf Deutsch. "Na klaaar" kenne er SPOX - doch der Satz "Deine Artikel finde ich ganz besonders gut, Stefan" folgt leider nicht. Kann ja noch werden.

Das war's dann mit den Interviews, Zeit für Floyd und Pena, den beiden Kapitänen des Homerun Derbys, bleibt leider nicht mehr. Ein bisschen enttäuschend ist es schon, dass der Zeitplan der beiden größten Stars so durcheinander gekommen ist, aber immerhin sind wir nicht ganz leer ausgegangen. Und ein Highlight wartet ja noch: der Virtual Reality Batting Cage.

VR Batting Cage: "Wii Sports" auf Steroiden

Ein Hoch auf Medien-Akkreditierungen: Als wir am Käfig ankommen, werde ich an der Schlange vorbeigeschleust und muss nur ein paar Minuten warten. Zuvor wird noch ein nettes Foto mit echtem Baseball-Schläger gemacht, das als Souvenir per Mail geschickt werden soll: Ich setze mein Game Face auf. "Oooh, he means business!" lacht meine Einweiserin, die mich "Honeybun" nennt, im typisch freundlich-gelangweilten Ton, den man nach ein paar hundert Teilnehmern eben irgendwann drauf hat.

Dann bekomme ich die VR-Brille auf und einen verkabelten Plastikschläger in die Hand. Ich bin eigentlich Rechtshänder, entscheide mich aber für die "beidhändige Rückhand" - für irgendwas müssen die Jahre im Tennisverein doch gut sein. Wie man das Spiel möglichst dominieren könne, frage ich. Timing sei das Allerwichtigste, bloß nicht zu früh schwingen.

Also los. Ausblenden, wie albern meine Körperhaltung von außen aussehen muss. Homeruns schlagen, bloß nicht blamieren. Zack - der erste landet direkt im Publikum! Dann aber zeigt sich: Das mit dem Timing ist leichter gesagt als getan. Das Spiel ist dermaßen entschleunigt, dass ich mich, durch MLB-Highlight-Clips und MLB The Show 17 auf eine gewisse Geschwindigkeit gepolt, oft einfach nicht mehr zurückhalten kann. Ein Foul Ball nach dem anderen, ich bin einfach zu früh dran. Immerhin: Einmal gebe ich den Babe Ruth und zeige mit meinem Schläger einen Homerun an - und der kommt dann auch! Monster-Homerun, über 500 Fuß!

Nach zwei Minuten ist der Spaß vorbei, und Spaß hat es auf jeden Fall gemacht. Der Käfig hat ganz sicher Zukunft, auch wenn er als Trainingsgerät für Profis sicherlich noch nicht herhalten kann. Eher ein Virtual Reality "Wii Sports" auf Steroiden. Nach reiflicher Überlegung gebe ich mir für meine Leistung eine "Drei Plus". Video folgt.

Homerun Derby im Hyde Park

Dann steht noch die Hauptattraktion des Abends an: Das Homerun Derby. Insgesamt zehn Teilnehmer gibt es, die in die Teams "Boston" und "Los Angeles" aufgeteilt sind. Neben den früheren MLB-Stars sind auch Cricket-Größen und sogar zwei Softball-Spielerinnen dabei. Rund 300 Fuß gilt es für einen Homerun zu überwinden, dazu gibt es ein paar Zielscheiben, die ebenfalls Punkte bringen. Zwei Minuten pro Batter, danach gibt es ein Halbfinale und ein Finale, das dann über drei Minuten geht.

Robin und ich trennen uns: Während er das Abendlicht ausnutzen will und nach den schönsten Bildern sucht, schaue ich mir das Spektakel an und knipse ein paar Bilder. Mehrere tausend Fans sind da und wollen sich das Spektakel nicht entgehen lassen. Leider kommt man aufgrund der Natur des Sports nicht sehr nahe an die Spieler auf der Bühne heran, dafür wären die knüppelhart geschlagenen Bälle auch einfach zu gefährlich.

Trotzdem ist es auch aus der Entfernung zu sehen, wie die Bälle vom Schläger weg explodieren. Für die Softball-Damen gilt natürlich die gleiche Entfernung, aber auch sie schaffen jeweils mindestens einen Long Ball. Ja ja, ich und meine virtuellen 500 Fuß. Eine unangenehme Wahrheit drängt sich auf: Wahrscheinlich wären in Real Life schon 100 Fuß mein Maximum.

Auf der Jagd nach dem Homerun

Irgendwann aber setzt mein Ehrgeiz ein und ich arbeite mich von Absperrung zu Absperrung nach vorn - wie geil wäre das eigentlich, einen Homerun zu fangen? Die letzten Duelle erlebe ich im Right Center Field, nur einen oder zwei Meter hinter der vordersten Bande. Eigentlich die perfekte Position.

Oder auch nicht - in Sachen Homerun Derbys bin ich doch noch ein Anfänger. Schließlich sind im Finale nur noch die besten Baseballer vertreten, und die schlagen die Bälle meistens nicht an die Bande, sondern eher 20 Meter über mich hinweg ... und als ein Line Drive ein paar Meter zu meiner Linken einschlägt, verstehe ich, warum so viele Fans einen Handschuh mitgebracht haben: Die blanken Finger könnten bei diesen Raketen schon leiden.

Das Finale nimmt seinen Lauf, und als immer wieder Bälle hinter mir landen, fällt es mir plötzlich wie Schuppen von den Augen: Ein guter Outfielder würde diesen Bällen nicht nur dümmlich hinterherschauen, sondern sie in den meisten Fällen auch fangen. Innerlich lache ich ungläubig auf - Weltklasse-Athleten sind eben doch irgendwie keine normalen Menschen.

Einen Ball fange ich dann trotzdem. Fast. Genau auf mich zu kommt der Ball des späteren Siegers Federico Celli, er landet vielleicht zwei Meter hinter mir. Mehrere Pints segnen im Tumult das Zeitliche, dann hat ihn eine Frau in der Hand, vielleicht 20 Jahre alt, völlig aus dem Häuschen: "Ein Ball für mich zum Geburtstag", ruft sie. Ein bisschen neidisch bin ich schon.

Vielleicht ja beim nächsten Mal. Denn die MLB wird ganz sicher zurückkehren. Mein Fazit, als ich mich auf den Rückweg ins Hotel mache: Battlegrounds war ein voller Erfolg.

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