MLB

Wie kann man nur so unfassbar schlecht sein?

Von Florian Regelmann / Philipp Dornhegge / Jan-Hendrik Böhmer
Giants hin oder her: Pittsburgh-Fan Regelmann beschäftigt vor allem Ex-Pirate Jose Bautista
© Getty

Die SPOX-Redaktion blickt auf die MLB-Saison zurück - und fragt sich: Wie kann man nur so unfassbar schlecht sein? Gleich zwei Lieblingsteams unserer Redakteure hat es 2010 erwischt. Florian Regelmann hadert mit der desaströsen Klubführung der Pittsburgh Pirates, während Jan-Hendrik Böhmer als Cubs-Fan auch nach mehr als 100 Jahren noch auf Versprechungen reinfällt. Außerdem fragt sich Philipp Dornhegge: Warum gibt es im Baseball eigentlich kein Salary Cap für mehr Spannung?

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 Florian Regelmann: Was bei mir von der MLB-Saison 2010 hängen bleiben wird? Ich freue mich sehr für die Giants, keine Frage. Aber noch mehr bleiben die Pittsburgh Pirates für mich die Geschichte der Saison. Im negativsten aller möglichen Sinne. 105 Niederlagen - und zum 18. Mal in Folge die Saison mit einer negativen Bilanz beendet. 18! Wie kann eine Franchise über einen so langen Zeitraum nur so unfassbar schlecht sein?

Die Antwort liegt hauptsächlich in der katastrophalen Klubführung begründet, die mehr am Profit als an sportlichem Erfolg interessiert ist. Eine Schande. Nach der Saison wurde jetzt schon wieder der erfolglose Manager gefeuert. Einen neuen Mann gibt es noch nicht. Ketzerisch könnte man sagen: Wahrscheinlich finden sie keinen, der es machen will.

Dabei wartet das so sportverrückte Pittsburgh nur darauf, wieder ein Baseball-Team zu bekommen, das dem Renommee der von Steelers und Penguins erfolgsverwöhnten Stadt gerecht wird. Mit Andrew McCutchen, Neil Walker, Pedro Alvarez und Jose Tabata haben die Buccos immerhin vier vielversprechende Young Guns in ihren Reihen, um die man ein Team aufbauen könnte. Wenn das Management denn dazu in der Lage ist.

Wie schlecht es für die Pirates in den letzten Jahren gelaufen ist, zeigt der Fall Jose Bautista. Als der Junge vor ein paar Jahren aus Pittsburgh weggeschickt wurde, weinte ihm kein einziger Fan eine Träne nach. Und jetzt hat dieser Bautista in dieser Saison aus dem Nichts unglaubliche 54 Homeruns geschlagen.

Und in Pittsburgh fragt man sich: Bautista? 54 Bombs? Warum?

Philipp Dornhegge: Ich muss gestehen, dass ich es seit Jahren unverständlich finde, warum es in der NBA, der NFL und der NHL ein Salary Cap gibt, in der MLB aber nicht. Das Thema der Chancengleichheit ausgerechnet jetzt, nachdem die Giants den Titel gewonnen und die Yankees in der ALCS an den Rangers gescheitert sind, mag seltsam anmuten.

Aber irgendwie ist es doch ein Thema, das permanent beschäftigen sollte. Denn die Yankees waren auch in diesem Jahr eigentlich der Favorit, und das nicht etwa, weil sie ihr Team mit so wahnsinnig viel Weitsicht und über Jahre hinweg geplant und zusammengebastelt haben bzw. beim Draft das beste Näschen hatten. Nein, die Yankees bezahlen einfach am besten.

Und da den Gehältern der Spieler nach oben keine Grenzen gesetzt sind, kann der Rekordmeister immer weiter kaufen, kaufen, kaufen. Cliff Lee wird wohl der nächste Star sein, den sich die Bronx Bomber unter den Nagel reißen. Keine Frage, für New Yorks Fans ist das super, auch die Fernsehanstalten freuen sich, wenn sie quasi die ganze Saison über ein All-Star-Team begleiten können.

Als neutraler Zuschauer oder als Fan eines kleineren Teams langweilt man sich dagegen. Oder fühlt sich gar betrogen. Denn während die Yankees-Besitzer Hal und Hank Steinbrenner wie zuvor ihr Vater George Steinbrenner nicht einmal davor zurück schrecken, die ab einer jährlich festgelegten Gehalts-Grenze fällige Luxury Tax zu zahlen, werden die Spieler in anderen Städten mit Peanuts abgespeist.

Kollege Regelmann hat sich ja schon über die Pirates aufgeregt, ich habe noch ein weiteres Beispiel: 2009 hatten die Florida Marlins eine Payroll von 36.834.000 Dollar. Das sind 20 Millionen Dollar weniger, als ein 15-köpfiges NBA-Team bekommt, und nicht einmal ein Fünftel von dem, was Steinbrenner seinen Yankees 2009 gezahlt hat (201 Millionen Dollar).

Ein Salary Cap sollte beides beinhalten: Eine Gehaltsobergrenze - und eine Gehaltsuntergrenze. Auch die gibt es in der MLB nicht, und so schmeißen die einen Besitzer das Geld zum Fenster raus, um Titel zu erkaufen, die anderen sitzen auf ihren Moneten und quälen die Fans ihrer Teams mit zweitklassigem Sport.

Nun bedeutet mehr Geld nicht unbedingt gleich mehr Titel. Aber erwiesenermaßen stehen Teams, je mehr Geld sie ausgeben, umso häufiger in der Postseason. Drafts sollen ja eigentlich die Kräfteverhältnisse zwischen den Teams ausgleichen. So lange es kein Salary Cap gibt, ist dieses System allerdings für die Katz.

Jan-Hendrik Böhmer: Was mir von dieser Saison im Gedächtnis haften geblieben ist? Nix. Absolut nix. Für mich als Cubs-Fan war das Ding schließlich schon früh gelaufen. Deshalb kann ich den Kollegen Regelmann absolut verstehen, wenn er an seinem Pittsburgher Franchise verzweifelt. Die waren schließlich noch schlechter als meine Boys in Blue.

Trotzdem. Pittburgh kann wenigstens in Erinnerungen an 1979 schwelgen. Da holten die Pirates nämlich den Titel. An den letzten World-Series-Erfolg der Cubbies können sich hingegen nur wenige erinnern - der stammt nämlich aus dem Jahr 1907.

1907! Das ist: verdammt lange her. Und diesmal hatten die Cubbies nicht mal den Hauch einer Chance. Redeten vor der Saison eigentlich alle davon, dass 2010 DAS Jahr der Cubs werden könnte, sind die Jungs von der North Side einmal mehr die "Lovable Losers".

Lovable? Mal ganz ehrlich: in der NL Central hinter die Houston Astros zurückzufallen finde ich alles andere als lovable. 18-1 gegen die Brewers zu verlieren? Überhaupt nicht lovable.

Doch 2011 wird ja alles besser. Sagen jedenfalls alle. Und ich glaube es. Unter dem neuen Manager Mike Quade ging es ja schon bergauf. Außerdem nutzte der die verkorkste Saison, um einige Minor-League-Talente zu testen. Also: Die Cubs holen die World Series.

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