NBA

"Ich bin in einer anderen Welt aufgewacht"

Von Florian Regelmann
Jack Taylor wurde durch sein 138-Punkte-Spiel über Nacht zur Internet-Sensation
© spox

In der letzten Woche sprach die komplette Basketball-Welt über Jack Taylor. Der 22-jährige Guard erzielte beim 179:104-Sieg des Grinnell College über Faith Baptist Bible unfassbare 138 Punkte und stellte damit einen neuen NCAA-Rekord auf. Im SPOX-Interview spricht Taylor über seinen Abend als Superman und ein vogelwildes Basketball-System.

Cookie-Einstellungen

SPOX: Jack, Gratulation zu Ihrer unfassbaren 138-Punkte-Performance, die auch in Deutschland für Schlagzeilen gesorgt hat. Sie waren für einen Abend Superman. Wie hat sich Ihr Leben verändert?

Jack Taylor: Ich bin in einer anderen Welt aufgewacht. Ich hatte keine Ahnung, wie groß die Geschichte werden würde. Ich wusste, dass ich den Rekord gebrochen habe, aber dass es überall auf der Welt in den Zeitungen stand und dass NBA-Superstars über mich gesprochen haben, war ziemlich cool und einfach Wahnsinn. Als ich am nächsten Morgen aufgewacht bin, konnte ich erst gar nicht glauben, dass ich so viele Punkte erzielt habe. Ich habe es dann erst so richtig realisiert und gemerkt, was ich da geschafft habe, als ich mich landesweit im Fernsehen sah. Es war ein ganz spezieller Abend für mich und eine Once-in-a-Lifetime-Erfahrung. Ich denke nicht, dass eine Chance besteht, dass ich noch mal so viele Punkte mache. (lacht)

SPOX: Kobe Bryant hat über Sie gesprochen, LeBron James will eine DVD von Ihrem Spiel haben und nannte Sie "Sir Jack", Ihre Leistung wurde mit dem 100-Punkte-Spiel von Wilt Chamberlain oder Kobes 81-Punkte-Nacht verglichen. Hat sich jemand bei Ihnen persönlich gemeldet?

Taylor: Kevin Durant hat mich via Twitter direkt kontaktiert. Das hat mich sehr gefreut. Als ich aufgewachsen bin, habe ich zu den NBA-Stars aufgeschaut - und jetzt melden sie sich bei mir. Was kann es Cooleres geben?! Kobe war sogar immer mein Lieblingsspieler. Ich bewundere vor allem seine wahnsinnige Leidenschaft für den Basketball, die ist ähnlich wie bei Michael Jordan früher. Kobe ist meine Nummer eins.

SPOX: Lassen Sie uns über Ihr 138-Punkte-Spiel sprechen. Hatten Sie irgendeine Idee, dass es ein besonderer Abend werden könnte?

Taylor: Nein. Ich hatte in den Spielen davor riesige Probleme mit meinem Wurf. Was ich wusste, war, dass ich in dem Spiel mehr Würfe bekommen würde, um aus meiner kleinen Shooting-Krise rauszukommen. Als ich dann zur Halbzeit 58 Punkte auf dem Konto hatte, war klar, wohin die Reise gehen könnte. Meine Teamkollegen haben mir jedes Mal den Ball gegeben und wollten alles dafür tun, dass ich den Rekord breche. Als ich in der zweiten Halbzeit sieben oder acht Dreier nacheinander traf und fühlte, als ob ich gar nichts mehr verwerfen könnte, wusste ich, dass hier etwas Besonderes im Gang ist. Ich war komplett in the zone. Ich hatte auch keine Ahnung, bei wie vielen Punkten ich gerade stand. Ich bin da nicht mehr mitgekommen und habe mich nur auf den nächsten Angriff konzentriert. Ich habe bis jetzt nicht mal in einem Video-Spiel 100 Punkte geschafft, irgendwie ist das Ganze schon seltsam.

SPOX: Sie haben unglaubliche 108 Würfe genommen, davon unglaubliche 71 Dreier. Im Schnitt haben Sie alle 20 Sekunden einen Schuss abgefeuert. Wie ging es Ihnen physisch nach dem Spiel?

Taylor: Oh Mann, ich habe meine Beine kaum noch gespürt. Selbst ein paar Tage danach habe ich das Spiel immer noch in meinen Beinen gemerkt. Ich war schon ziemlich müde und fertig.

SPOX: Was oft vergessen wurde: David Larson lieferte für das gegnerische Team auch eine verrückte Leistung ab. 70 Punkte, 34/44 aus dem Feld. Es war wahrscheinlich die beste Leistung eines Spielers, dessen Team mit 75 Punkten verloren hat...

Taylor: Ja, es tat mir auch irgendwie leid für ihn. Er hat so ein tolles Spiel gemacht, aber es wurde von mir überschattet. (lacht)

SPOX: Ein Grund dafür, dass so ein Spiel überhaupt möglich ist, liegt im verrückten System ihres Trainers David Arseneault. Es gibt eine genaue Formel. Wie sieht die aus?

Taylor: Die Formel besagt, dass wir pro Spiel mindestens 94 Field Goals nehmen müssen und 47 davon sollen Dreier sein. Es ist ein einzigartiges System. Es basiert darauf, viele schnelle Dreier zu schießen, um mehr Possessions zu bekommen. Es ist total anders als traditioneller Basketball.

SPOX: Ihre Mannschaft besteht einzig und allein aus Guards, aus echten Scharfschützen. Wie ist es, in solch einem Team zu spielen?

Taylor: Es macht brutal viel Spaß. Wie ich schon gesagt habe: Es ist so anders und einzigartig. Und wenn du ein Shooter bist, wie ich es einer bin, fühlt es sich fast wie ein Traum an, in solch einem System zu spielen.

SPOX: Es gibt auch diese schnellen Wechsel, bei denen wie im Eishockey komplette Blöcke ausgetauscht werden. Es sieht ein bisschen wie organisiertes Chaos aus. Wie muss man sich als Spieler darauf einstellen?

Taylor: Es ist richtig hart, sich an die wahnsinnige Geschwindigkeit anzupassen. Das Spiel ist so viel schneller, du wirst auch leicht müde. Bei uns kommen immer um die 15 Spieler zum Einsatz. Jeder hat das Gefühl, dass er etwas zum Mannschaftserfolg beiträgt. Der Enthusiasmus innerhalb des Teams ist bei uns daher auch größer als bei vielen anderen. Auch deshalb macht es so viel Spaß, ein Teil dieses Systems zu sein. Mein 138-Punkte-Spiel war ein Erfolg der Mannschaft. Selbst wenn ich ein paar Mal nicht getroffen habe, wurde ich ermutigt, weiter zu werfen.

SPOX: Was sind ansonsten die Regeln des Systems? Der erste Schuss ist wahrscheinlich immer der beste, oder?

Taylor: Genau. Wenn wir den Angriff starten, wird als erstes immer sofort der Dreier gesucht. Wenn diese Option nicht da ist, wird sofort zum Korb gezogen. Und wenn es da keine Möglichkeit gibt zum Finish, dann haben wir an der Dreierlinie Schützen stehen, die den Ball annehmen und sofort abdrücken sollen.

SPOX: Es gibt natürlich auch gewisse Stimmen, die sagen, dass Grinnell einfach nur in die Schlagzeilen wollte. Das hat ja auch gut geklappt. 138 Punkte bleiben allerdings 138 Punkte und eine Sensation, wie man es auch drehen mag. In Ihren letzten beiden Spielen kamen Sie jetzt nur auf 28 und 18 Punkte. Ihr Schnitt ist auf 45 Punkte gefallen. Was ist los?

Taylor: Ganz einfach, wir sind wieder zu unserem normalen System zurückgegangen. Und ich habe nicht jedes Mal draufgeballert. (lacht)

SPOX: Sie befinden sich aktuell in Ihrer Sophomore-Saison. Wie sehen Ihre Ziele für die Zukunft aus?

Taylor: Ich will auf jeden Fall professionell Basketball spielen, das ist mein großes Ziel. Realistischer als die NBA ist denke ich, dass ich es schaffe, irgendwann mal im Ausland mit Basketball Geld zu verdienen.

SPOX: Wer weiß, vielleicht ja in Deutschland.

Taylor: Ja, mal schauen. Das wäre cool.