NBA

"Thabo, du wurdest getradet!"

Von Interview: Philipp Dornhegge
Thabo Sefolosha kam nach seinem Trade auf 8,5 Punkte und 5,2 Rebounds in 31,1 Minuten
© Getty

Thabo Sefolosha blüht seit seinem Wechsel von Chicago nach Oklahoma City regelrecht auf. In seinem vierten NBA-Jahr will der 25-Jährige endgültig den Druchbruch schaffen.

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Thabo Sefolosha ist der erste und einzige Schweizer, der den Sprung in die NBA geschafft hat. Als Sohn eines afrikanischen Musikers und einer Künstlerin aus der Schweiz wuchs er im beschaulichen Vevey direkt am Genfer See auf.

Nach Profistationen in Frankreich und Italien folgte Sefolosha dem Ruf der NBA. Gemeinsam mit seinem Bruder Kgomotso, der für Thabo seine Karriere beendete, wagte er den Sprung in die USA, wo es in drei Jahren bei den Chicago Bulls allerdings nicht so richtig rund lief. Erst nach dem Trade zu den Oklahoma City Thunder im Februar blühte der 25-Jährige auf.

SPOX traf Sefolosha am Genfer See, wo er zum dritten Mal zu seinem jährlichen Basketballcamp (Camp Thabo) eingeladen hatte. 140 Kinder und Jugendliche zwischen acht und 17 Jahren kamen nach Blonay, um ihr Idol zu treffen.

Dort sprach Sefolosha über sein neues Team, das spezielle Verhältnis zu seinem Bruder und seine afrikanischen Wurzeln. Und er erzählt, wie er seinen eigenen Trade verpennte.

SPOX: Wie war Ihr Sommer bisher? Hatten Sie Zeit, etwas zu relaxen?

Thabo Sefolosha: Nein, eigentlich nicht. Ich trainiere ja auch im Sommer, außerdem will meine Familie natürlich auch etwas von mir haben. Das macht Spaß, aber zum Entspannen kommt man da nur selten.

SPOX: Woran haben sie im Training gearbeitet?

Sefolosha: In erster Linie an meinem Wurf. Dazu habe ich an der Körperstabilität gearbeitet, das hilft sowohl beim Werfen als auch beim Zug zum Korb. Auch mein Ballhandling habe ich verbessert.

SPOX: Seit Ihrem Trade haben Sie schon große Fortschritte gemacht. Was glauben Sie, wie viel Luft nach oben Sie noch haben?

Sefolosha: Ich bin so selbstbewusst und behaupte, dass in mir noch großes Potenzial schlummert. Wie Sie sagten, habe ich mich in nur zwei Monaten stark verbessert, daran will ich anknüpfen und im nächsten Jahr noch stärker sein.

SPOX: Im Draft haben die Oklahoma City Thunder nun mit James Harden einen Shooting Guard gedraftet. Wird darunter nicht auch ihre Spielzeit leiden?

Sefolosha: Ein bisschen vielleicht, aber mit Russell Westbrook, Harden und mir ist der Backcourt sehr ausgeglichen besetzt. Ich bin absolut einverstanden mit der Wahl, die der Verein getroffen hat. Ich freue mich schon, den Burschen kennenzulernen.

SPOX: Hält Sie das Team auf dem Laufenden, was für Veränderungen sie am Kader vornehmen wollen?

Sefolosha: Nicht regelmäßig, aber wenn irgendwas in trockenen Tüchern ist, dann rufen sie immer sofort an und geben Bescheid. Nach dem Draft war das auch der Fall.

SPOX: Wie läuft es denn in der NBA im Allgemeinen? Diskutieren die Teams Drafts und Trades zumindest mit ihrem Franchise Player?

Sefolosha: Manche Teams tun das. Kobe Bryant wird sicher immer gefragt, was er über diesen Trade oder jene Free-Agent-Verpflichtung denkt. Bei uns ist das aber anders. Unsere Stars sind selber noch sehr jung und müssen sich erstmal beweisen, bevor Sie sich in Personalentscheidungen einmischen dürfen.

SPOX: Wie haben Sie denn eigentlich erfahren, dass die Bulls Sie nach Oklahoma getradet haben?

Sefolosha: Ich kam gerade vom Training und war auf dem Sofa eingeschlafen, als mein Bruder nach Hause kam und schrie: "Du wurdest getradet!" Ich sagte nur: "Davon weiß ich noch nichts." Als ich auf mein Telefon schaute, musste ich feststellen, dass ich ein paar Anrufe verpasst hatte.

SPOX: Wie haben Sie reagiert, als Sie realisiert hatten, dass es wohl stimmt?

Sefolosha: Ich war gar nicht unglücklich darüber. In Chicago befand ich mich in einer Situation, in der es irgendwie nicht mehr vorwärts für mich ging. Der neue Coach Vinny Del Negro hatte nicht das Vertrauen in mich, wir haben nicht gut gespielt und ich habe mich einfach nicht mehr wohlgefühlt.

SPOX: Aber was die Stadt angeht, haben Sie sich doch wohl verschlechtert?

Sefolosha: (lacht) Das ist schon okay. Oklahoma City ist nicht so schlimm, wie viele Leute glauben. Viel kleiner und ruhiger als Chicago natürlich, aber mir gefällt's.

SPOX: Sie haben doch sicher auch die erste Playoff-Runde zwischen den Bulls und den Celtics verfolgt?

Sefolosha: Na klar.

SPOX: Haben Sie, während Ray Allen ihr altes Team von Downtown auseinander nahm, nicht auch ab und zu gedacht: "Da hätte ich helfen können."

Sefolosha: Das habe ich auch schon im Jahr davor gedacht, und im Jahr davor, und im Jahr davor. Aber so ist es nun mal gelaufen, und ich bin nicht der Typ, der diesen Dingen lange nachtrauert.

SPOX: Sie sagen, bei den Thunder fühlen Sie sich nun pudelwohl. Hatten Sie denn überhaupt genug Zeit, ihre Teamkollegen schon richtig kennen zu lernen?

Sefolosha: Zwei Monate hören sich nach einem kurzen Zeitraum an, aber als Teamkollegen ist man soviel zusammen - wir kennen uns schon ganz gut.

SPOX: Sind Sie auch abseits des Platzes mit den Jungs unterwegs?

Sefolosha: Ja, wir haben eine coole Truppe, alles junge Spieler, die sich gut verstehen. Das passt perfekt.

SPOX: Ist Ihr Bruder da auch manchmal dabei?

Sefolosha: Nein, Kgomotso ist nach meinem Trade in Chicago geblieben. Er hat sich dort um meine Wohnung gekümmert, und er geht dort schließlich aufs College.

SPOX: Bevor wir uns hier zusammengesetzt haben, hatte ich die Gelegenheit, ein bisschen mit Ihrem Bruder zu plaudern. Er hat mir verraten, dass er nächstes Jahr wohl in die Schweiz zurückkehren wird, um selbst wieder zu spielen. Was denken Sie darüber?

Sefolosha: Das ist natürlich seine Entscheidung. Er hat definitiv das Talent, um in der Schweiz oder in einer anderen Liga zu spielen. Ich möchte, dass er das tut, was ihn glücklich macht.

SPOX: Werden Sie ihn denn nicht vermissen?

Sefolosha: Schon ein bisschen, wir haben immer viel Spaß zusammen. Aber durch meinen Trade waren wir die letzten Monate ohnehin getrennt, da konnten wir uns daran schon gewöhnen.

SPOX: Der Vorteil könnte sein, dass Sie beide bald wieder zusammen für die Schweizer Nationalmannschaft spielen!

Sefolosha: Wenn er sich dafür entscheidet, dann wäre das toll. Dieses Jahr wird es wohl nichts mehr werden, aber vielleicht in der Zukunft.

SPOX: Die Schweiz ist wahrlich keine große Basketballnation und kann sicher jede Hilfe gebrauchen. Glauben Sie, dass Sie es eines Tages zu einem großen Turnier schaffen?

Sefolosha: (lacht) Hoffentlich, daran arbeiten wir. Sie erwarten doch wohl nicht, dass ich nein sage!

SPOX: Ihr Bruder hat mir übrigens auch verraten, dass Sie früher keine Chance gegen ihn hatten. Ist das wahr?

Sefolosha: (lacht) Ja, ich habe immer verloren. Erst, als ich 16 oder 17 Jahre alt war, habe ich angefangen, regelmäßig gegen ihn zu gewinnen. Ab dem Zeitpunkt hatte er keine Lust mehr, gegen mich zu spielen...

SPOX: Sie waren also ein Spätstarter?

Sefolosha: Das kann man so sagen, ich habe erst mit zehn Jahren angefangen, überhaupt Basketball zu spielen.

SPOX: Also kurz nachdem sich ihre Eltern getrennt hatten. Für Kinder ist das oft eine schwere Situation. Wurde Basketball damals zu einer Art Zuflucht für Sie?

Sefolosha: Nein, deshalb habe ich nicht gespielt. Ich war schon als Kind immer unterwegs, mit dem Fahrrad, mit Freunden. Basketball war einfach ein weiteres Hobby für mich.

SPOX: Haben Sie sich in der Phase verstärkt an ihren Bruder gehalten?

Sefolosha: Kgomotso ist ein Jahr älter als ich, da ist es - glaube ich - ganz normal, dass man immer das macht, was der große Bruder macht. Wir waren eigentlich immer zusammen, unser Verhältnis ist schon sehr eng.

SPOX: Ihr Vater ist Südafrikaner, daher haben Sie Ihren Namen. Auch Ihre erste Tochter Lesidi hat einen südafrikanischen Namen. Setzen Sie sich viel mit ihren Wurzeln auseinander?

Sefolosha: Definitiv, für mich ist das eine Selbstverständlichkeit. Südafrika ist ein Teil von mir. Ich bin sehr stolz darauf.

SPOX: Ihr Name bedeutet übersetzt "Der, der anderen Freude macht". Ist das eine treffende Beschreibung Ihres Charakters?

Sefolosha: (lacht) Ganz klar! Na ja, vielleicht sollten Sie meine Eltern fragen. Ich hoffe und glaube aber, dass sie zustimmen würden.

SPOX: Dazu passt ihr Bemühen, Gutes zu tun. Neben diesem Basketballcamp in Ihrer Heimat sind Sie auch in den Staaten sehr aktiv, machen Krankenhausbesuche, verteilen Essen an Bedürftige und mehr. Woher kommt diese soziale Ader?

Sefolosha: Schauen Sie sich doch nur mal hier im Camp um. Nicht jeder hat das Glück, das ich hatte. Mir ist bewusst, dass es Menschen gibt, die mir am Fernseher zuschauen und sich wünschen, mich kennenzulernen. Wenn ich diesen Leuten für eine Woche, einen Tag oder nur einen Moment das Lachen zurückgeben kann, dann tue ich das sehr gerne.

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