NFL

Guacamole, Ike und Unterwäsche

Von Oliver Wittenburg
Auf den Augenschmaus des Lingerie Bowl müssen die männlichen Fans diesmal verzichten
© Getty

Was muss man unbedingt wissen, wenn man optimal auf den Super Bowl zwischen den Arizona Cardinals und den Pittsburg Steelers vorbereitet sein will. Alles zu den Quarterbacks Kurt Warner und Ben Roethlisberger natürlich. Aber auch über Guacamole, Unterwäsche und Nippelentzug muss man gut informiert sein. Das A - Z zum Super Bowl XLIII.

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Anfänge: Am 15. Januar 1967 gab's die erste Auflage des SB. Tatort war das Memorial Coliseum in Los Angeles. Die Green Bay Packers zogen damals den Kansas City Chiefs mit 35:10 das Fell über die Ohren.

Big Ben Roethlisberger: Pittsburghs Quarterback ist drauf und dran, in die Klasse eines Tom Brady aufzusteigen. Ein Sieg über die Cardinals (0.15 Uhr im LIVE-TICKER) und Big Ben wäre der zweite QB nach dem Superstar der New England Patriots, der noch vor seinem 27. Geburtstag zum zweiten Mal die Vince-Lombardi-Trophäe holt. Mehr zu Roethlisberger gibt's hier.

Comeback: Kurt Warner war ein relativer Niemand, als er 1999/2000 die St. Louis Rams zum Titel scheuchte. Er verschwand anschließend wieder nach und nach in der Versenkung und landete schließlich bei den Cardinals in der Wüste Arizonas, also quasi im Niemandsland. Mehr zur filmreifen Karriere von Kurt Warner gibt's hier.

Durststrecke: 61 Jahre ist es her, dass die Cardinals NFL-Champion wurden. Damals gab's noch keinen Super Bowl. Es ist übrigens die zweitlängste Titeldurststrecke im US-Sport. Noch länger warten nur die Chicago Cubs. Sie gewannen 1908 die World Series im Baseball und seither keinen weiteren Titel. TV-Kommentator-Legende Jack Brickhouse: "Jedes Team kann mal ein schlechtes Jahrhundert haben."

Ewiger Verlierer: Dan Marino darf hier nicht fehlen. Inzwischen hat die Quarterback-Legende der Miami Dolphins zwar seine Irrsinnsrekorde für Karriere-Touchdowns und Karriere-Yards (420/61.361) an den nimmermüden Brett Favre (442/61.655) verloren, doch bleibt er einer der größten Spielmacher aller Zeiten. Sein Manko: Marino gewann nie den Super Bowl. In der Saison 1984/1985 stand er wenigstens einmal im großen Endspiel, wo es aber gegen Joe Montana und die San Francisco 49ers einen fürchterlichen 16:38-Einlauf gab.

Fab Three: Die Dallas Cowboys, die San Francisco 49ers und die Pittsburgh Steelers haben den Super Bowl je fünf Mal gewonnen. Wer richtig mitgedacht hat, weiß jetzt, dass sich die Steelers Sonntagnacht zum alleinigen Rekordsieger machen können.

Guacamole: Der Avocado-Dip wird in den USA begleitend zum Super Bowl - mit Verlaub - gefressen wie sonst was. Fast 4000 Tonnen wandern schätzungsweise in die Mägen der Football-Fans. Doch man inhaliert das grüne Zeug ja nicht allein. Chips werden dazu gereicht. Etwas 7000 Tonnen.

Hudson, Jennifer: Die 27-jährige Schauspielerin und Sängerin, die 2007 für ihre Rolle in "Dreamgirls" den Oscar und Golden Globe abräumte, wird die US-Hymne singen. Hudson wird damit ihr Comeback nach einem fürchterlichen Schicksalsschlag geben. Am 24. Oktober des vergangenen Jahres wurden ihre Mutter, ihr Bruder und ihr siebenjähriger Neffe erschossen.

Ike Taylor: Der Mann, der das zweifelhafte Vergnügen haben wird, sich um Star-Receiver Larry Fitzgerald zu kümmern. Taylor ist der einzige Cornerback der Steelers, der die Größe und Schnelligkeit hat, um Fitzgerald zu verteidigen. Taylor könnte der Depp des Spiels werden, wenn er von Fitzgerald nass gemacht wird, er könnte aber auch zum Helden werden, wenn er einen entscheidenden Pass abfängt.

Jerry Rice: Neben geschätzten weiteren 341 Rekorden hält die inzwischen 46-jährige Wide-Receiver-Legende auch den Rekord für die meisten TD in der SB-Geschichte. Acht Stück waren es in vier Endspielen, von denen Rice drei gewann. Selbstverständlich mit seinen San Francisco 49ers, für die er von 1985 bis 2000 spielte.

Krise: Selbst die großartige NFL hat mit der Finanzkrise zu kämpfen. Der Super Bowl hat in diesem Jahr den Beinamen "Recession Bowl". Die Liga strich Stellen, und ein Preseason-Match im Vorfeld der kommenden Saison in China wurde abgesagt. Und was eigentlich undenkbar ist: Die NFL kriegt nicht alle potenziellen Programmplätze mit Werbung gefüllt, weil viele Firmen Kosten einsparen. WHAZZUP?!

Lost in Translation: Der SB wird in 220 Ländern und in 33 Sprachen ausgestrahlt, z.B. in Galizisch, Farsi, Katalanisch oder Mandarin. Böse Zungen behaupten, der SB in Farsi wäre doppelt so schön wie der auf Deutsch.

Märchen: Unheimlich viele Legenden ranken sich um den SB. So wird hartnäckig behauptet, dass eine Milliarde Menschen vor dem Fernseher sitzen. Bei SB XL 2006 (Pittsburgh - Seattle) sollen es aber nur gute 150 Millionen gewesen sein. Die Wahrheit liegt wahrscheinlich irgendwo dazwischen. Dann gibt's die Geschichte vom Druckabfall in den Wasserleitungen in der Halbzeitpause, weil alle Amis gleichzeitig aufs Klo rennen. Angeblich Mumpitz. Gähnende Leere in Disneyland am SB-Sonntag? Keine Spur. Auch ein Ammenmärchen.

Nippelentzug: Seit Janet Jacksons furchtbarer Entgleisung (huhuuu) im Jahre 2004, als sie mit Hilfe von Justin Timberlake eine Brust freilegte, gibt's in der Halbzeit alte Männer statt Weibern. Die Halbzeitkünstler in chronologischer Reihenfolge seit Nipplegate (ihr respektives Alter zum Zeitpunkt des Auftritts): Paul McCartney (62), The Rolling Stones (62, 62, 58, 64), Prince (48), Tom Petty (57), Bruce Springsteen (59). Die Hymne (siehe H wie Hudson, Jennifer) dürfen auch nach wie vor junge attraktive Damen singen (z.B. Alicia Keys), aber die würden natürlich den Teufel tun, bei "Ho-ho-me of the Braaaaave" blank zu ziehen.

Obama, Barack: Ja darf denn der Präsident parteiisch sein? Beim Super Bowl? Offenbar schon. Barack Obama jedenfalls ist für Pittsburgh. "Präsident Obama hat mir gesagt, dass er für uns jubeln wird", kündigte Steelers-Besitzer Dan Rooney an. Rooney hatte Obama bei dessen Wahlkampf vehement unterstützt. Cardinals-Besitzer Bill Bidwill war eher auf der Seite von John McCain. Kein Wunder, der unterlegene Präsidentschaftskandidat kommt aus Arizona.

Prämien: 78.000 Dollar bekommt jeder Spieler des Siegers, 40.000 pro Nase gehen an die Verlierer. Macht über sechs Millionen insgesamt.

Quarterback: Wohl dem, der ein A bis Z zum American Football zu schreiben hat, denn es gibt kein Q-Problem. Hier also kurz was zu einigen QB-Rekorden. Joe Montana hat bei vier SB-Auftritten die meisten Touchdown-Pässe (11) geworfen und die meisten Yards (1142) gemacht. Für den längsten TD-Pass (85 Yards) sorgte Carolinas Jake Delhomme gegen New England 2004. Kurt Warner (siehe C wie Comeback) hält den Rekord für die meisten Yards in einem Spiel. 414 waren's am 30. Januar 2000, als Warner mit St. Louis die Tennessee Titans besiegte.

Reklame: Immer eine der interessantesten Fragen vor dem SB: Was kostet eine Millisekunde Werbezeit im TV? Das kann sich jeder selbst ausrechnen, wenn man davon ausgeht, dass eine halbe Minute etwa drei Millionen Dollar kostet.

Springsteen, Bruce Frederick Joseph: US-amerikanischer Rockmusiker. Auch als "The Boss" bekannt. Hat sich vor dem SB zu seiner ersten PK seit 1987 herabgelassen. Wird die 12-minütige Halftime-Show bestreiten und machte keinen Hehl daraus, warum: Neues Album und Geldgier. Es sollte sich auszahlen. Die Verkaufszahlen von Tom Pettys "Greatest Hits"-Album stiegen letztes Jahr nach dem SB um 196 Prozent. Von Football hat Springsteen übrigens keine Ahnung.

Tatsachen: Noch mal was zu SB-Legenden (siehe M wie Märchen): Fakt ist tatsächlich, dass am Montag nach dem SB viele Leute blau machen. Fakt ist auch, dass die Nachfrage nach Mitteln gegen Sodbrennen (siehe G wie Guacamole) nach dem SB rapide steigt. Fakt ist auch, dass nach dem SB dramatisch mehr Verkehrsunfälle auf Amerikas Straßen passieren. 40 Prozent mehr als sonst.

Unterwäsche: So sie von Damen getragen wird, nennt man sie im Englischen Lingerie. 2004 bis 2008 gab es in der Halbzeit des SB ein Football-Match zwischen Damen, die lediglich mit L. angetan waren. Daraus wird diesmal nichts. Der Lingerie Bowl wurde abgeblasen. Kleiner Trost: Im Herbst startet eine eigene Liga mit zehn Teams.

Vorsicht: Liebe Football-Fans, bitte achten sie darauf, dass sie während des SB ihre Jubelschreie technisch korrekt anbringen. Falsches Schreien führt zu einem Anschwellen der Stimmbänder und damit zur Heiserkeit. Jackie Gartner-Schmidt, Stimmtrainerin an der UPMC-Klinik in Pittsburgh, hat ein paar gute Tipps parat. Es müsse sich wie Musik anhören, dann ist es richtig. Einfach "whoa" machen und die Tonleiter rauf und runter: "Wah OHHHH oh OHHHH." Noch ein Rat: Wähle die Zeiten, zu denen du jubelst, aus. Schreie nicht immer, sondern konzentriere dich auf einige Male, wenn du richtig loslegst, und ruhe dich zwischendrin aus.

Wetten, und zwar verrückte: Haare verwetten ist ja fast schon normal. Seinen Nachnamen aufs Spiel zu setzen, ist dagegen mal was Neues. So geschehen vor dem letzten Super Bowl zwischen Patriots und Giants. Damals wettete ein Patriots-Fan aus Kalifornien mit seiner Verlobten, dass New England locker gewinnt. Sie, Giants-Fan, hielt dagegen. Einsatz: Wenn er verliert, muss er bei der Hochzeit ihren Nachnamen annehmen. Ob er's gemacht hat oder nicht, ist nicht überliefert, genauso wenig die Antwort auf die Frage, ob jemand schon mal seinen Arsch beim SB verwettet hat.

X-Faktor: Der könnte im diesjährigen Finale vielleicht Pittsburghs Troy Polamalu werden. Dass man vor dem SB von der vielleicht besten Defense aller Zeiten spricht, hängt unzertrennlich mit dem Superstar-Safety zusammen. Mehr zu dem Mann mit der Weltklasse-Matte gibt's hier.

Yards: Wieder so ein Problembuchstabe, den einem das Englische einfach macht. Zehn Yards muss das angreifende Team innerhalb von vier Versuchen überwinden, um in Ballbesitz zu bleiben, 914,4 Zentimeter also. Übrigens: Im SB des Jahres 2000 fehlte den Tennessee Titans gegen die St. Louis Rams genau ein Yard, also 91,44 Zentimeter zu einem Touchdown, der die Verlängerung bedeutet hätte. QB der siegreichen Rams damals? Sie erinnern sich, Kurt Warner.

Zuschauer: Zu den bisherigen 42 SBs kamen insgesamt 3.276.834 Zuschauer. Nummer 14 in der Rose Bowl zu Pasadena war der bestbesuchte mit fast 104.000 Fans. Das Raymond James Stadium in Tampa hat 71.000 Plätze.

Das Märchen der Arizona Cardinals: Vom Loser zum Champion?