NBA

Die Intelligenz-Bestie

Von Haruka Gruber
Rick Carlisle
© Getty

München - In Dallas kursiert eine Anekdote. Vor vier Jahren soll Rick Carlisle bei den Indiana Pacers um einen Extratag Urlaub gebeten haben, weil seine schwangere Ehefrau im Krankenhaus lag und die Entbindung kurz bevorstand.

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Verblüfft und überrascht, so wird es erzählt, hätte die Mannschaft darauf reagiert, als ihr Coach die Trainingseinheit verpasst hatte. Keiner der Spieler wusste überhaupt, dass Carlisle ein Kind erwartet.

Das ist nur eine der Geschichten, die derzeit in Dallas weitergegeben werden, um den Topfavoriten auf den Trainer-Posten der Mavericks besser greifen, besser verstehen zu können.

Zwar ist Carlisles Basketball-Kompetenz unbestritten, doch sei er eben auch ein eher verschwiegener, schroffer Typ. "An seinen Social Skills kann man noch feilen", charakterisiert ihn etwa der "Fort Worth Star-Telegram".

Dennoch: Bei aller Schroffheit spricht derzeit vieles dafür, dass Carlisle in Bälde als neuer Coach der Mavs vorgestellt wird. Die fünf brennendsten Fragen zur Trainersituation:

1. Was ist der aktuelle Stand?

Zuletzt zog sich Carlisle zurück, wollte weder bestätigen noch dementieren, ob er - wie berichtet - kurz davor steht, als Nachfolger des entlassenen Avery Johnson zu unterschreiben.

Nicht einmal für seinen aktuellen Arbeitgeber "ESPN", für den er als TV-Experte tätig ist, war er zu erreichen. Sein einziges Statement: "Ich hatte großartige Treffen mit Besitzer Mark Cuban und General Manager Donnie Nelson. Die Mavs sind eine beeindruckende Franchise."

Etwas informativer die Aussagen von Nelson: "Unsere Gespräche waren äußerst produktiv und wir sind von Rick sehr beeindruckt, nicht nur als Coach, sondern auch als Mensch. Er verfügt über eine außerordentliche Basketball-Intelligenz."

Weiteres Indiz: Die Mavs-Verantwortlichen haben seit der Johnson-Demission offenbar erst zwei Sondierungsgespräche geführt. Beide waren mit Carlisle.

2. Was spricht für Carlisle?

Defensivguru und Disziplinfanatiker. Formte bei seinem Debüt als Cheftrainer aus den Detroit Pistons das vielleicht beste Verteidigungsteam der neueren NBA-Geschichte. In seiner Rookie-Saison 2001/02 gewann Detroit gleich 18 Regular-Season-Spiele mehr als im Vorjahr, Ben Wallace heimste seinen ersten von vier "Defensive Player of the Year"-Awards ein, Carlisle selbst wurde zum besten Trainer gewählt.

Auch bei seiner zweiten und bislang letzten Station bei den Indiana Pacers lieferte er meist überzeugende Ergebnisse ab. In seiner Antritts-Spielzeit 2003/04 stellte er mit den Pacers dank einer bärenstarken Defense einen Klubrekord in der Regular Season (61 Siege - 21 Niederlagen) auf und erreichte das Conference-Finale, darauf folgten noch zwei Playoff-Teilnahmen in Folge.

Zur Illustration die Platzierungen der von ihm trainierten Teams in der Kategorie "Zugelassene Punkte": 6., 1., 3., 5., 5., 12.

3. Was spricht gegen Carlisle?

Defensivguru und Disziplinfanatiker. Könnte vom Trainertyp zu sehr Johnson ähneln, insbesondere weil Carlisle wie Johnson als offensiv nicht besonders kreativ gilt. 

Zur Illustration die Platzierungen der von ihm trainierten Teams in der Kategorie "Erzielte Punkte": 18., 26., 20., 20., 25., 23., 24.

Und: Carlisle trennte sich bislang immer im Unfrieden von seinen Teams. In Detroit wurde er trotz zweier erfolgreicher Spielzeiten nach Differenzen mit den Klub-Eigentümern und einem Teil der Mannschaft gefeuert.

Bei den Pacers war in seiner vierten Saison, nach dem berüchtigten Brawl mit den Ausrastern von Ron Artest sowie Stephen Jackson und dem Verpassen der Playoffs Schluss.

4. Was hält Dirk Nowitzki von Carlisle?

Nach einem Bericht von "ESPN" haben sich Nowitzki und Carlisle bereits zu einem ersten Gespräch getroffen. Ergebnis: nicht bekannt.

Der Deutsche hat auf jeden Fall ein genaues Anforderungsprofil: "Wir brauchen einen Trainer, der in der Offensive die Mannschaft laufen lässt. Gleichzeitig muss er aber auch wissen, wie man verteidigt." Die zweite Prämisse erfüllt Carlisle zweifelsfrei - aber die erste?

Andererseits sollte Carlisle nicht unterschätzt werden. Bei den Pacers leistete er Ende der 90er Jahre als Offensive Coordinator unter Larry Bird hervorragende Arbeit. Generell gilt er als ein Typus Trainer, der - anders als Johnson - starre Set-Plays ablehnt  und im Angriff seinen Stars durchaus Freiräume zugesteht.

5. Gibt es Alternativen zu Carlisle?

Kaum. Jeff Van Gundy winkte frühzeitig ab, ebenso wie General Manager Nelson. Zwar sei er - wie lokale Medien berichten - Nowitzkis Favorit, doch Nelson selbst will lieber im Front Office bleiben: "Ich bin auf der Liste, aber ich habe mich auf die allerletzter Stelle setzten lassen. Ich hoffe, dass nicht alle Stricke reißen."

Wen gibt's sonst? Flip Saunders könnte ein Thema werden, wenn seine Pistons früh ausscheiden sollten. Mike D'Antoni hingegen werden keine Chancen eingeräumt. 1. Weil er trotz des Erstrunden-Knockouts nach wie vor bei den Phoenix Suns unter Vertrag steht. 2. Weil er mit seiner extrem-offensiven Spielphilosophie so gar nicht das ist, wonach die Mavs suchen.

Nowitzki: "Wir wollen nicht in die Zeiten zurückfallen, als wir Spaß hatten und wie wild gepunktet haben - aber dann doch verloren haben. Das ist nicht die Lösung."

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