NBA

Rettet der Streichler die Bulls?

Von Florian Regelmann
Jeff Hornacek, Chicago, Bulls, Utah
© Getty

München - Es gab eine Zeit, da war der Trainerjob bei den Chicago Bulls ein Traumjob. Gar nicht allzu lange her war das. Eigentlich vor einem Jahr noch.

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Die Bulls hatten in der ersten Runde den damals amtierenden Champion aus Miami aus den Playoffs befördert.

Gegen Detroit unterlag man zwar in sechs Spielen, aber es schien nur eine Frage der Zeit, bis man in die Finals kommen würde.

D'Antoni wäre perfekt gewesen 

So talentiert war die Mannschaft. So talentiert ist sie noch heute. Auch wenn man in der Regular Season nur 33 Spiele gewann und damit selbst im Osten mit den Playoffs nichts am Hut hatte.

Ben Gordon, Luol Deng, Kirk Hinrich, Tyrus Thomas und Joakim Noah - da müsste sich doch sofort ein Top-Coach finden lassen, der bei den Bulls ein Riesenpotenzial sieht.

Wie wäre es mit Mike D'Antoni, dachte sich Bulls-Boss Jerry Reinsdorf. D'Antonis Zeit in Phoenix war zu Ende. Mit Suns-General-Manager Steve Kerr war keine gemeinsame Basis zu finden.

Die Bulls mit ihrem brachliegenden Talent wären für das Offensiv-Genie D'Antoni ein perfektes Team gewesen. Mit Spielern, die perfekt in seine Offensiv-Philosophie gepasst hätten.

Lieber nach New York

Statt dessen brüskierte er Reinsdorf und unterschrieb bei den New York Knicks. Obwohl er Reinsdorf gesagt haben soll, dass er nie nach New York gehen würde.

Er tat es doch. Er zog die Knicks vor. Eine Franchise, die tiefer nicht mehr sinken kann. Ein Team, das so gar nicht für seinen geliebten Hochgeschwindigkeits-Basketball geeignet ist.

Der Faktor Geld spielte sicherlich eine Rolle, aber D'Antoni war sich wohl auch nicht ganz im Klaren, ob die Aufgabe bei den Bulls so reizvoll ist, wie sie auf den ersten Blick anmuten lässt.

Fragen über Fragen 

Sind Gordon und Deng wirklich Typen, mit denen man einen Meisterschaftsring gewinnt?

Findet Hinrich nach seiner Katastrophen-Saison wieder zu seiner Form?

Ist Thomas total überschätzt?

Sind die Bulls nicht eine Anhäufung von talentierten Bengeln, die erstmal in ein Erziehungscamp müssten, bevor man versucht, basketballtechnisch mit ihnen zu arbeiten?

Problemfall Noah

Den letzten Beweis für die mangelnde Professionalität lieferte jetzt wieder Noah. Während der Saison war der Sohn des ehemaligen Tennisstars Yannick Noah schon mehrmals negativ aufgefallen.

Unter anderem wurde er wegen einer üblen Schimpftirade gegen einen Assistenztrainer der Bulls intern zwei Spiele lang gesperrt. Zuerst vom Coach für eine Partie, dann wurde die Sperre auf Wunsch von seinen eigenen Mitspielern verlängert.

Nun droht Noah sogar eine einjährige Haftstrafe. Der Forward wurde wegen Alkoholkonsums in der Öffentlichkeit verhaftet.

Haftstrafe droht

Noah wurde in der Nacht zum Sonntag von der Polizei in einer Seitenstraße mit einem Becher Cognac erwischt. Trinken von Alkohol in der Öffentlichkeit, auch wenn es von der weltweit führenden Cognac-Brennerei stammt, ist in Florida verboten.

Auf dem Polizeirevier wurden zu allem Übel auch noch unter seinen Zigaretten Cannabis gefunden wurde. Im Juni muss er sich vor Gericht verantworten.

Horny ist heiß auf Bulls-Job

In Sachen Coaching-Suche ist derweil ein Überraschungskandidat aufgetaucht: Jeff Hornacek. Horny. Der Streichler. Unvergessen, wie er sich vor jedem Freiwurf über die Wange fuhr, um seine Kinder zu grüßen. Es hat ohne Zweifel geholfen: Hornacek war ein Shooter vor dem Herrn.

Ob er auch ein Trainer vor dem Herrn sein kann, müsste er noch zeigen. Der 45-Jährige dürfte allen Bulls-Fans auf jeden Fall bestens bekannt sein. Mit den Utah Jazz erreichte Hornacek 1997 und 1998 zweimal die Finals, zweimal reicht es gegen Jordan und Co. nicht für den Titel.

Hornacek versuchte Bulls-General-Manager John Paxson in einem fünfstündigen Job-Interview davon zu überzeugen, dass er der richtige Mann ist, um sein Heimatteam wieder an die Spitze zu führen.

"Ich habe immer gewusst, dass ich eines Tages Trainer sein will. Jetzt ist es an der Zeit. Ich denke, dass mich meine ehemaligen Coaches auch immer als ein Coach auf dem Spielfeld gesehen haben", so Hornacek, der auch in Phoenix im Gespräch ist und in den vergangenen Jahren in Utah als Spezialtrainer arbeitete. Dort kümmerte er sich hauptsächlich um Andrei Kirilenko.

Welches Supertalent?

In jedem Bewerbungsgespräch gibt es kritische Punkte. Ganz schwierige Fragen. Im Falle der Bulls heißt diese Frage: "Derrick Rose oder Michael Beasley? Jeff, wen würden Sie denn gerne haben und warum?"

Die Bulls hatten das unglaubliche Glück trotz einer geringen 1,7 Prozent-Chance die Draft-Lotterie zu gewinnen. Nun haben sie am 26. Juni den ersten Pick.

Einen Fehler dürfen sie sich nicht erlauben. 2006 draftete man LaMarcus Aldridge, gab ihn dann aber für Thomas nach Portland ab. Aldridge ist mittlerweile ein Star. Thomas ist weit davon entfernt.     

Diesmal fällt die Entscheidung zwischen einem herausragenden Power-Forward-Talent (Beasley) oder einem Point Guard, der das Zeug hat, der nächste Chris Paul oder Deron Williams zu werden. Wie Hornacek die Frage beantwortet und ob er eine echte Chance auf den Job hat, weiß nur Paxson.

Fakt ist: Wer es am Ende machen wird, der Trainerjob beim sechsmaligen NBA-Champion ist eine Monster-Aufgabe, kein Traumjob.

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