Übermensch ohne Motivation

Sebastian Vettel hat ein enttäuschendes Jahr hinter sich
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Die Formel-1-Saison 2014 war für Sebastian Vettel ein herber Rückschlag. Das ehemalige Wunderkind litt unter dem neuen Reglement und der Mercedes-Dominanz, sein gewohntes Siegerlächeln wurde zu einer Maske. Motivationsprobleme, ein unpassender Fahrstil, der Abschied von langjährigen Wegbegleitern - der Vierfachweltmeister brauchte eine neue Herausforderung und hat sie in seinem Kindheitstraum Ferrari gefunden.

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Lächeln, immer wieder Lächeln. Sebastian Vettel hatte zur Mitte der Saison 2014 sein ganz eigenes Verfahren gefunden, um mit der unerfreulichen Entwicklung umzugehen. Er, der vierfache Weltmeister, der Star der letzten Jahre in der Formel 1, war plötzlich zur Randfigur verkommen.

Das Interesse der Öffentlichkeit war ihm weiter sicher. Doch während sich Lewis Hamilton und Nico Rosberg im Mercedes einen erbitterten Kampf um Siege lieferten, hatte Vettel Probleme. Immer wieder machte ihm die Renault-Antriebseinheit einen Strich durch die Rechnung.

"Man muss die Kirche im Dorf lassen. Er hatte eine Unzahl von technischen Problemen. Er hatte nur ein Rennen, in dem alles richtig lief. Das war Malaysia und da kam er vor Ricciardo ins Ziel", verteidigte Motorsportchef Helmut Marko seinen Ziehsohn.

Der Wandel des Vettel-Lächelns

Doch das Strahlen des Wunderkinds, das die Rekorde seines Vorbilds Michael Schumacher jagte, hatte sich gewandelt. Mit Humor den unliebsamen Fragen ausweichen, die eigene Demotivation nicht nach außen kehren - mehr hatte Vettel zur Saisonmitte 2014 nicht zu tun.

Vorausgegangen waren enttäuschende Monate. Nach neun Siegen zum Saisonabschluss des Vorjahres folgten drei technisch bedingte Ausfälle in den ersten acht Rennen. Statt um die Weltmeisterschaft zu kämpfen, sah der 27-Jährige mit an, wie sein neuer Teamkollege Daniel Ricciardo ihn vermeintlich überflügelte.

Doch ganz so einfach hakte Vettel die dürftigen Resultate nicht ab. "Es gibt jede Menge Dinge, die wir in der ersten Saisonhälfte hätten besser machen können", erklärte er nach der Sommerpause in Belgien: "Auch ich habe mich mit einigen Sachen schwer getan - zum Beispiel mit den neuen Bremsen."

Probleme mit neuer Technik und Motivation

Doch was ihn wirklich bremste, war etwas anderes als die neue Brake-by-Wire-Technologie, die für die erhöhte Energierückgewinnung beim Verzögern nötig ist. Wer vier Jahre in Folge den Titel holt und plötzlich bei den Wintertests nur mit Mühe drei Runden am Stück absolviert, kann sich nur schwer für die neue Herausforderungen motivieren.

Während Renault mit einem Notprogramm vor dem Saisonauftakt daran arbeitete, die Autos von Red Bull, Lotus, Toro Rosso und Caterham durch eine verbesserte Drehmomentkurve überhaupt fahrbar zu machen, trauerte Vettel in bester deutscher Manier den alten Zeiten nach.

"Shit" sei das neue Motorenreglement, lautete sein Fazit, nachdem er in Melbourne mit Problemen beim Verbrennungsmotor ausgeschieden war: "Während des Rennens stand ich am Kommandostand. Da war es ruhiger als in einer Bar! Ich denke, dass das nicht gut ist für die Fans. Die F1 muss spektakulär sein und da gehört der Sound zu den wichtigsten Dingen."

Vettel als Auslöser für sinkende TV-Quoten?

Noch wichtiger aber sind Zweikämpfe auf der Strecke. Rosberg und Hamilton lenkten immer wieder von der Sounddiskusssion ab. Spätestens in Bahrain sprach kurzzeitig keiner mehr über den Lärmpegel. Außer Vettel, er nörgelte weiter und trug damit als Aushängeschild der Formel 1 vielleicht ein gutes Stück zum Absinken der TV-Quoten und leeren Rängen beim Grand Prix in seiner Heimat bei.

"Wir laufen Gefahr, den Kern des Motorsports zu verlieren", warnte der Heppenheimer vor dem Europa-Auftakt in Barcelona im "Focus". Da hatte er in der Gesamtwertung bereits 46 Punkte Rückstand auf Landmann Nico Rosberg, der mit 79 Zählern die WM anführte.

Der Antrieb von Partner Renault hatte fast 100 PS weniger, das Auto bot bei den ersten Tests zugunsten der optimalen Aerodynamik gar zu wenig Platz. Updates sollten die mannigfaltigen Probleme lösen. Der RB10 wurde verbessert, beim Red-Bull-Heimspiel in Österreich sollte auch der Motor endlich mit Mercedes mithalten können. Doch die Pläne gingen nicht auf.

Die Lücke wurde nur marginal kleiner und der Weltmeister tat sich weiter schwer mit der neuen Technik. Er wollte zu viel. Er überfuhr das Auto, weil er bei jedem Antasten ans Limit fuhr wie in seinen Weltmeisterjahren. Dieser Fahrstil funktioniert seit der Saison 2014 aber nicht mehr. Die neuen Hybridsysteme belohnen stärkeres und vor allem früheres Bremsen.

Markos Rat: Vergiss die Vergangenheit

Wer mit viel Abtrieb schneller durch die Kurven fährt, braucht für eine Runde nicht zwangsläufig weniger Zeit, weil ihm der Strom zur Beschleunigung fehlt. Doch gerade das schnelle Durchfahren der Kurven war Vettels Erfolgsgeheimnis. Keiner konnte so spät einlenken und so früh wieder Vollgas geben.

"Nimm einfach das Maximum und vergiss, dass es da mal größere Herausforderungen gegeben hat", war Markos einleuchtender und schwer umzusetzender Rat. Vettel probierte es, passte sich an und deutete in der zweiten Saisonhälfte sporadisch wieder seine Klasse an.

Doch gegen die Mercedes konnte er nie bestehen. In den Kurven waren die Autos zwar meist gleich schnell, doch der Zeitverlust auf den Geraden war nicht auszugleichen. Zu mehr als vier Besuchen auf dem Podium reichte es für den erfolgsverwöhnten Deutschen nicht. Ein Sieg sprang in der gesamten Saison nicht heraus - zum ersten Mal in seiner Karriere.

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