Sepp Blatters feuchter Traum

Von SPOX
Charlize Theron (34) gewann 2004 den Oscar als beste Hauptdarstellerin im Film "Monster"
© Getty

Das war das Fußball-Jahr 2009: Vom Wolfsburger Wunder und Felix Magath Superstar. Von Außerirdischen aus Katalonien und Galaktischen aus Madrid. Von alten Trainern, die noch lange nicht zum alten Eisen zählen. Von Blatters feuchtem Traum, den Verfehlungen eines Diego Maradona und eines Thierry Henry. Dazu: Das Vermächtnis des Jürgen Klinsmann. Das A bis Z zum Fußball-Jahr, ohne Anspruch auf Vollständigkeit und ohne Gewähr.

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A wie astronomisch: Wenn Florentino Perez kommt, dann rummst's. Das war 2000 so, als er Zinedine Zidane für über 70 Millionen Euro von Juventus Turin holte und aus den Königlichen die Galaktischen machte. Und das war natürlich auch diesen Sommer so - allerdings in einer noch ganz anderen Größenordnung. 94 Millionen und damit neuer Weltrekord für Cristiano Ronaldo, 65 Millionen für Kaka und noch mal 70 Millionen für Karim Benzema und Xabi Alonso. Den Beweis, die Galaktischen II zu sein, blieb das neue Starensemble bisher fast immer schuldig. Die größten Lacher erntete man im Pokal, als man sich beim Drittligisten Alcorcon zum Affen machte. 0:4! Schlimmer noch: Für das Rückspiel kündigte man ein Schützenfest im Santiago Bernabeu an und blamierte sich beim 1:0 erneut bis auf die Knochen.

B wie Bomber der Nation: Edin Dzeko und Grafite schrieben Geschichte, weil sie den VfL Wolfsburg zum Titel schossen. Aber nicht nur deshalb: Nie zuvor hatten zwei Spieler einer Mannschaft über 20 Saisontore erzielt. Die beiden VfL-Stürmer übertrafen die Marke jedoch dicke: Grafite traf 28, Dzeko 26 Mal. Mit kombinierten 54 Toren trug sich das bosnisch-brasilianische Traumpärchen zudem noch als gefährlichstes Sturmduo aller Zeiten in die Liga-Annalen ein. Zuvor hatten Gerd Müller/Uli Hoeneß in den 70er Jahren zweimal 53 Tore geschafft.

C wie Comeback: Jupp Heynckes war zwischen seinem Rücktritt in Gladbach und seinem Engagement beim FC Bayern zwei Jahre und drei Monate von der Bildfläche verschwunden gewesen. Seine Rückkehr hätte kaum erfolgreicher verlaufen können. Er coachte die Bayern direkt in die Champions League. Und weil er schon mal da war, übernahm er im Sommer in Leverkusen, das er dann prompt zur Herbstmeisterschaft führte. Seit seinem Bundesliga-Comeback ist der 63-Jährige in 22 Spielen ungeschlagen (13 Siege). Lediglich im Pokal verlor er mit Bayer in der zweiten Runde beim 1. FC Kaiserslautern. Blog von Voegi: Don Jupp is back

D wie Dauerbrenner: Otto Rehhagel lässt nicht locker, auch nicht in seinem 37. Trainer- und 72. Lebensjahr. Es war sein 100. Spiel als Nationaltrainer Griechenlands und nicht wenige glaubten, dass es sein letztes sein würde. Es ging ums Ticket zur WM nach Südafrika und die Griechen hatten im Playoff-Hinspiel zuhause nur 0:0 gegen die Ukraine gespielt und waren damit Außenseiter beim Rückspiel in Donezk am 18. November. Doch König Otto fand das richtige Rezept, und seine Mannschaft siegte mit dem denkbar rehhakles'schsten Ergebnis - 1:0.

E wie Europameister: Mit dem Titel für die U 19 unter Horst Hrubesch war er 2008 losgegangen, der Siegeszug der deutschen U-Mannschaften, und er setzte sich 2009 nahtlos fort. Im Mai wurde die U 17 des DFB als Gastgeber Europameister mit einem 2:1 im Endspiel über die Niederlande. Im Juni folgte dann die U 21 beim Turnier in Schweden. Ein Augenschmaus: Das 4:0 im Endspiel gegen die hoch gehandelten Engländer. Vater des Erfolgs war wieder der stoische Hrubesch, soufliert von Sportdirektor Matthias Sammer. EM-Helden wie Özil und Boateng machten anschließend gleich den Schritt in Löws A-Team. Und noch eine DFB-Auswahl wurde Europameister, aber dazu mehr unter G.

F wie Fellatio: Wir schreiben den 1. April, und Argentinien kassiert sechs Stück in La Paz gegen Gastgeber Bolivien. Sechs Gegentore zum ersten Mal nach über 50 Jahren. Nationaltrainer Diego Maradona spricht demütig von "Dolchstößen" mitten in sein Herz. Gut sechs Monate später schlägt Argentinien Uruguay mit 1:0 und löst das Ticket für die WM in Südafrika. Nationaltrainer Diego Maradona spricht hochmütig, seine Kritiker sollten ihm doch bitteschön "den Schwanz lutschen". Dafür wird er bestraft und darf nicht bei der WM-Auslosung in Kapstadt mitmachen. Bei der WM wird Diego aber dabei sein. Nicht wenige Argentinier finden diese Gewissheit nur mäßig verheißungsvoll.

G wie Grings: Frauen-Fußball ist, wenn ganz Europa dem Ball hinterherrennt und am Ende Deutschland den Titel holt. Dass es nicht so einfach ist und hinter einer viele Jahre andauernden Erfolgsserie in erster Linie harte und effiziente Arbeit stecken, ist klar. Im September holten sich die deutschen Fußball-Frauen ihren fünften Europameistertitel in Folge. Den siebten insgesamt. Im Finale wurden die Engländerinnen mit dem Rekordergebnis von 6:2 niedergestreckt, und Inka Grings holte sich die Auszeichnung als beste Torschützin mit sechs Treffern ab.

H wie Hommage: Auch 2009 hängten zahlreiche liebgewonnene Stars der Zunft ihre Stiefel für immer an den Nagel. Manche freiwillig, manche nicht. Bernd Schneider hätte gerne noch weitergemacht, doch nach einem komplizierten Bandscheibenvorfall und über einem Jahr Pause scheiterte sein Comeback im Mai. Ob Schnix noch mit 40 gespielt hätte, darf bezweifelt werden, aber eine Saison hätte er sicher noch drangehängt. Ganz aus freien Stücken entschied sich dagegen Paolo Maldini nach 24 Profi-Jahren, seine Karriere zu beenden. SPOX widmete ihm ein Porträt unter dem Titel: Das saubere Gesicht des Calcio.

I wie Interviews: Zwei Interviews (jeweils in der "SZ") sorgten 2009 für besonderes Aufsehen. Da war Bruno Labbadia, der sich einen Tag vor dem Pokalfinale gegen Bremen über das zerrüttete Verhältnis zu seinem Arbeitgeber Leverkusen mokierte. Und dann Philipp Lahm, der entgegen der Regeln beim FC Bayern ein nicht vom Klub autorisiertes Interview zur Veröffentlichung brachte, in dem er fundamentale Kritik an Teamkollegen und Management äußerte. Labbadia provozierte seinen Rausschmiss in Leverkusen und war damit frei für einen Wechsel zum HSV. Lahm bekam von Uli Hoeneß ein "Das wird er noch bedauern" zu hören, musste sich entschuldigen und ordentlich blechen.

J wie Jürgen Klinsmann: Zwei Tage nach einer 0:1-Heimpleite gegen Schalke wurde Jürgen Klinsmann am 27. April beim FC Bayern beurlaubt und durch Jupp Heynckes ersetzt. Reichlich spät hatten sich die Bayern dann doch eingestanden, dass das Projekt mit dem Übungsleiter der etwas anderen Art ein einziges Missverständnis gewesen war. Lange war es ruhig zwischen dem Rekordmeister und dem enttäuschten Ex-Nationalspieler, doch kurz vor Jahresende erklärte Klinsmann, dass konsequenter Weise auch Hoeneß im Frühjahr seinen Hut hätte nehmen müssen. Die Äußerung stieß nicht gerade auf Wohlwollen, hatte man sich bei der Trennung doch beiderseitig zu Verschwiegenheit verpflichtet. Klinsmann ist inzwischen wieder in Kalifornien und wartet auf sein nächstes Projekt. Flirtversuche mit dem kriselnden FC Liverpool scheiterten zuletzt im Anfangsstadium.

K wie Kanonenfutter: Insgesamt hinterließ Klinsmann wenig Bleibendes bei den Bayern. Aber immerhin stellten er und seine Spieler einen Champions-League-Rekord auf. 12:1 hieß es in Addition von Hin- und Rückspiel im Achtelfinale gegen Sporting Lissabon. Wieviel das Schützenfest allerdings wert war, zeigte sich eine Runde später, als der FC Barcelona den Bayern vier Stück in einer Halbzeit einschenkte.

L wie Lehmann: Der VfB Stuttgart blickt auf ein wüstes Jahr zurück. Super Rückrunde (39 Punkte!) mit super Traineranfänger Markus Babbel gespielt und die Champions League erreicht. Dann Mario Gomez für die super Summe von 30 Millionen Euro an die Bayern verkauft. Es folgte eine zähe und von viel Kritik am Management begleitete Suche nach neuen Kräften, die schließlich mit dem vermeintlichen super Coup mit Alex Hleb und Pawel Pogrebnjak ein Happyend fand. Dann die sportliche Krise und die schleichende Abnabelung von Babbel. Schließlich die Entlassung des Trainers und der zarte Aufschwung unter dem neuen Coach Christian Gross. Garniert wurde das Ganze durch zahlreiche Eskapaden eines Torhüters, der aller sportlichen Qualitäten zum Trotz immer wunderlicher wird. Der ganze Wahnsinn im Blog von Bailey

M wie mickrig: 40 Punkte heißt gewöhnlich die Zielvorgabe all derer, die mithin zum Kreise der Abstiegsgefährdeten gerechnet werden. Dass zumeist auch etwas weniger reicht, lehrt die Erfahrung. So jämmerliche Klassenerhalter wie in der Bundesliga-Saison 08/09 hatte es aber noch nie gegeben. Frankfurt (33), Bochum (32) und Gladbach (31) landeten auf den Plätzen 13, 14 und 15 und blieben damit trotz geringen Ertrags erstklassig.

Von N wie 'Niedertracht' bis Z wie 'zum Schluss'