Sepp Blatters feuchter Traum

Von SPOX
Charlize Theron (34) gewann 2004 den Oscar als beste Hauptdarstellerin im Film "Monster"
© Getty
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N wie Niedertracht: Thierry Henry galt immer als Vorzeige-Profi. Galt, denn seit dem 18. November ist sein Ruf stark beschädigt, weil er Frankreich mit Hilfe seiner linken Hand zur WM brachte. Das gab er hinterher unumwunden zu. Nur da war es zu spät für die armen Iren. Jetzt steht Henry zu Recht auf der Liste der bösen Buben des Jahres ganz weit oben. Strafe muss schließlich sein. Für die ewige Verdammnis sollte sein Vergehen aber nicht ausreichen. Der erigierten Zeigefinger waren jetzt nun wirklich genug. Den schönsten Kommentar zum Handbetrug gab ohnehin Charlize Theron. Bei den Proben zur WM-Auslosung in Kapstadt erlaubte sich die Oscar-Preisträgerin einen bissigen Kommentar, als sie die Frankreich-Kugel aus dem Lostopf fischte, aber laut und deutlich "Irland" sagte. Durchaus komisch ist es, sich vorzustellen, wie Sepp Blatter in der Nacht zum 4. Dezember aus dem Schlaf fuhr, schwer atmend und schweißgebadet, weil ihm eine bildschöne Blondine im Traum erschienen war...

O wie Övrebö: Wenn der Klub nicht so wahnsinnig viel Kohle verbrennen würde, könnte man fast Mitleid haben mit dem FC Chelsea. 2008 grätscht John Terry einen Elfmeter im Champions-League-Endspiel an den Pfosten, 2009 kommt ein norwegischer Schiedsrichter daher und verweigert Chelsea im Halbfinalrückspiel gegen Barcelona je nach Lesart zwischen vier und 17 Elfmetern. Der Aufschrei war gewaltig. Die dümmeren unter den Blues-Fans sprachen hinterher Morddrohungen gegen Tom Henning Övrebö aus. Die entgleisten unter den Chelsea-Spielern wie Didier Drogba und Michael Ballack gebärdeten sich noch auf dem Rasen wie die Tollwütigen. Inzwischen ist Gras über die Sache gewachsen. Övrebö pfeift wieder CL-Spiele, und die Chelsea-Fans überlegen angestrengt, was diesmal schiefgehen könnte.

P wie Poldi: Für einen mittleren Skandal sorgte Lukas Podolski, als er auf einen Anpfiff durch Michael Ballack beim WM-Quali-Spiel in Wales mit einer Ohrfeige (die mehr ein Wischerchen war) für seinen Capitano reagierte. Konsequenzen gab's keine, weil sich die Kombattanten hinterher unter Männern aussprachen. Negative Auswirkungen auf die ganze Quali-Kampagne blieben ebenso aus, Deutschland qualifizierte sich schließlich souverän für Südafrika, wo es dann im Juni gegen Australien, Serbien und Ghana geht. Dennoch war das Ballyhoo um die Poldi-Watschn gewaltig. Warum auch immer...

SPOX-Tabellenrechner: Hier alle WM-Spiele tippen

Q wie Qualen: Im Februar und März war man insgesamt fünf Mal Tabellenführer und am Ende ein respektabler Vierter. Ende 2009 steht die Hertha nach der zweitschlechtesten Hinrunde der Bundesliga-Geschichte vor einem Scherbenhaufen, sprich: dem Abstieg. 1 Sieg, 3 Remis und 13 Niederlagen unterbot bislang nur das legendäre Tasmania Berlin, das es 1965 schaffte, nur einen Sieg und ein Unentschieden aus den ersten 17 Spielen zu holen und am Ende sang- und klanglos abstieg. Erstaunliche Parallele: Beide Berliner Minimalisten feierten ihren für lange Zeit einzigen Saisonsieg am ersten Spieltag.

R wie Relegation: Nicht wenige hatten sich auf das Comeback der Playoffs um einen Platz in der Bundesliga gefreut. Ein delikates Dessert hatte man sich davon versprochen. Doch leider fehlte dem Event das Essentielle, Spannung nämlich. Zweitligist Nürnberg schickte Cottbus ohne Sinn fürs Dramatische ins Unterhaus (3:0, 2:0). Eine Etage tiefer setzte sich Drittligist Paderborn gegen Osnabrück mit zweimal 1:0 durch und stieg in die 2. Liga auf.

S wie Superstar: Mann des Jahres ist Felix Magath. Daran kann es überhaupt keinen Zweifel geben. Er hat sich in Wolfsburg die Allmacht gegeben, eine Mannschaft erst gekauft und dann so getrimmt, dass sie auf dem Höhepunkt ihres Schaffens (Februar bis Mai) den Rest der Liga nach Belieben zu Klump spielte. Dann zog er nach Schalke weiter, wo er sich keine Mannschaft kaufen konnte, aber binnen kürzester Zeit mit eiserner Hand für Ruhe auf und abseits des Platzes sorgte. Gepaart mit seinem untrüglichen Sinn fürs fußballerisch Wesentliche und einem fast schon beängstigend guten Händchen für junge Nachwuchstalente ist Magath schon wieder (fast) spitze.

T wie Tuchel: Für die breite Öffentlichkeit kam er aus dem Nichts, als Mainz 05 wie aus dem Nichts seinen Aufstiegstrainer Jörn Andersen noch vor dem ersten Saisonspiel feuerte. Dass Thomas Tuchel keineswegs der neue Jürgen Klopp und schon gar kein Anfänger oder Greenhorn ist, kann man unter anderem hier nachlesen.

U wie Uli: "Das ist keine Frage des Alters, sondern eine Sache der Leistung, des Engagements, der Ideen. Ich kann doch ein solches Angebot nicht ablehnen, weil ich 27 bin. Mit 35 könnte es vielleicht zu spät sein." So sprach der junge Uli Hoeneß im März 1979 bei seinem Amtsantritt als Manager des FC Bayern. Mehr als drei Dekaden füllte er dann seine eigenen nassforschen Reden mit Leben, machte aus dem Fußball-Club Bayern München einen global player und mauserte sich zum besten Entertainer der Branche. Am 27. November räumte er offiziell seinen Posten in vorderster Front und wurde zum Präsidenten gewählt. Kurz vor Weihnachten wurde er erstmals Opa.

V wie Versenkung: Weil es vorhin hieß, Klinsmann habe nicht viel hinterlassen. Stimmt gar nicht. Klinsmann hat ja auch Hans-Jörg Butt wiederentdeckt, den früheren HSV-Torjäger. Damit zeichnet Klinsmann dafür verantwortlich, dass Louis van Gaal jetzt einen ziemlich guten Keeper hat und das vormalige Torhüterproblem der Bayern keines mehr ist. Gegen Juventus Turin schoss dann Butt auch mal wieder ein Tor, beim sagenhaften 4:1 der Bayern in der Champions-League-Gruppenphase. Es war Butts drittes Tor in der Königsklasse. Für den HSV und Leverkusen hatte er auch je einmal getroffen - auch damals übrigens immer gegen Juve.

W wie Weisheit: Das Jahr war schon fast zu Ende, da gebar die Bundesliga noch eine atemberaubend hübsche Sentenz. Armin Veh gab sie zum Besten. "Warum sagt man, dass man nichts sagen will? Weil man nichts sagen will. Deshalb sagt man das." Anlass und Thema sind schnurzpiepegal. Solche Rhetorik muss man einfach auf sich wirken lassen. Weitere weise Worte folgen hier.

X wie Xtraterrestrisch: Der FC Barcelona hat 2009 alles gewonnen, was man gewinnen kann. Insgesamt acht Titel, nicht sechs, wie immer alle meinen. Die Meisterschaft in der Primera Division, die Champions League, die Copa del Rey, den spanischen und den europäischen Supercup. Lionel Messi gewann zudem noch den Titel des Fußballers Europas und die Weltfußballerwahl. Heimlicher Superstar aber ist der junge Barca-Wirbelwind Pedro Rodriguez. Der 22-Jährige erzielte Tore in allen sechs Wettbewerben.

Y wie Yahia: Angst um sein Leben hatte der Bochumer Verteidiger Anthar Yahia im Oktober in Kairo, wie er im SPOX-Interview zugab. Ägyptische Fans hatten den Bus der algerischen Nationalmannschaft mit Steinen bombardiert und zwei Spieler verletzt. Trotzdem musste Algerien antreten und verlor mit 0:2. Dadurch wurde ein Entscheidungsspiel ums letzte WM-Ticket in der Afrika-Quali notwendig. Das gewannen dann im Sudan die Algerier mit 1:0. Torschütze: Yahia.

Z wie zum Schluss: Hier sei an alle erinnert, die 2009 aus dem Leben schieden, auch wenn wir nur einige wenige nennen können: an 22 nigerianische Spieler, die bei Busunglücken im Winter verunglückten, an den französischen Profi Clement Pinault, der 23-jährig wenige Tage nach einem Herzinfarkt verstarb, an den brasilianischen Fan Clayton Ferreira (27), der bei Ausschreitungen in Sao Paulo im Juni zu Tode geprügelt wurde, an Dani Jarque (26), den Kapitän von Espanyol Barcelona, der im Trainingslager im August an einem Herzleiden starb, an Sir Bobby Robson, an Rolf Rüssmann, Achim Stocker und Robert Enke.

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