Auf los geht's los

SID
Clemens Tönnies steht zunehmend in der Kritik
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Der Manager - machtlos

Als Horst Heldt den Managerposten von seinem Vorgänger Felix Magath übernahm, hatten viele Schalker ein gutes Gefühl. "Hotte" vermittelte allen den Eindruck, als wolle er die tiefen Gräben, die der Trainagerdiktator Magath zwischen Verein und Fans aufgerissen hatte, wieder zuschütten. Die Verpflichtung von Ralf Rangnick als Wunschtrainer, intensiver Austausch mit Fanorganisationen wie Fanclubverband und Ultras, ein gestärkter Fokus auf die Nachwuchsarbeit - alles Dinge, die man Heldt zugestehen kann und die auf seiner Habenseite einen gewichtigen Anteil einnehmen.

Doch an den Strukturen hat das Ganze wohlgemerkt nichts geändert. Heldt arbeitet mit seinen Vorstandskollegen Peters und Jobst in den gleichen Mustern, die auch schon zu Magaths Zeiten vorhanden waren - auch, wenn viele im Verein und um den Verein herum sehr dankbar dafür sind, dass Magaths Zeit vorbei ist.

Heldt ist "Vorstand Sport und Kommunikation", und als solcher hat er nicht nur di Matteo und den Lizenzspielerkader sowie den gesamten Nachwuchsbereich, sondern auch die vollständige Unternehmenskommunikation unter sich. Eine irrsinnige Arbeitsmenge, die ihm wohl nur deshalb machbar erscheint, weil seine direkten Arbeitskollegen wie Nachwuchskoordinator Oliver Ruhnert, Sportdirektor Gerry Zuber oder Medienchef Thomas Spiegel ihm hervorragend zuarbeiten.

Der omnipräsente Tönnies

Doch gerade das, was Heldt als Vorstandsvorsitzendem laut Satzung eigentlich machen sollte, nämlich die Repräsentation des S04 nach außen, wird ihm immer wieder vom omnipräsenten Aufsichtsratsvorsitzendem und selbsternannten "Schalke-Boss" Clemens Tönnies entrissen.

Ob Gazprom-Sponsoring, Spieler- oder Trainerverpflichtungen - der Wurstmacher hat nicht nur zu allem eine Meinung, sondern blökt sie auch ungefragt in jedes Mikrofon und jeden Schreibblock, der nicht bei drei auf den Bäumen ist. Heldts Duldungsstarre in Bezug auf die "Enteierung" durch den mächtigen Aufsichtsratsboss ist kaum damit zu erklären, dass er sich um seinen Job sorgt, denn eines dürfte von Anfang an klar gewesen sein: Heldts Verbleib auf Schalke ist von den Ergebnissen abhängig, die der Lizenzspielerkader erzielt.

Die selbst auferlegte Prämisse von der Verpflichtung charakterlich einwandfreier Spieler erscheint angesichts der jüngsten Ereignisse rund um Boateng, Sidney Sam und Marco Höger sowie weiterer selbstunkritischer Spezialisten wie Dennis Aogo oder Eric-Maxim Choupo-Moting eher tragisch denn amüsant - Heldt hat sich in dieser Hinsicht selbst ad absurdum geführt. Und von der Transferbilanz beziehungsweise der Klassifizierung von guten und schlechten Transfers wollen wir angesichts von Namen wie Ibrahim Afellay oder Chinedu Obasi einmal absehen.

Quo vadis, Horst Heldt? Selbst nach der Qualifikation für die Europa League steht nicht fest, wohin der Weg des gebürtigen Königswinterers führt. Angesichts der Allmacht, die Tönnies qua fehlender Konkurrenz innerhalb des Vereins zu haben scheint, ließ sich Heldt allzu oft als williger, kritikloser Handlanger von Tönnies in der Öffentlichkeit portraitieren. Es wird auch davon abhängen, ob es dem sympathischen Mann gelingt, sich zu emanzipieren. Gegen die Hilflosigkeit gegenüber dem Aufsichtsrat, gegen die Kritik ob seiner Verpflichtungen und gegen die derzeit über ihn hereinrollende Welle der Erbostheit ob der Leistungen der Spieler.

Der Aufsichtsrat - ahnungslos

Nein, auch wenn es nach außen hin oftmals so erscheinen mag - der Aufsichtsrat des FC Schalke 04 e.V. besteht nicht nur aus Fleischmagnat Tönnies. Da sitzen auch studierte Juristen, Wirtschaftswissenschaftler, Unternehmensberater und sonstige Menschen, denen man durchaus eine eigene Meinung zutrauen darf, neben zusätzlich kooptierten Leuten von Sponsoren oder Unternehmen. Nur gibt es eben neben Clemens Tönnies keine zweite Person, die so "einnehmend" agiert und sich dementsprechend so breit in den Medien darstellt.

Gerade wenn die Kritik auf den Verein einprasselt, wie es in den letzten Wochen und Monaten der Fall war, wird die Kritik am Aufsichtsrat besonders laut, denn die Mitglieder des eingetragenen Vereins FC Schalke 04 haben nur hier die Möglichkeit, steuernd einzugreifen, weil sie die Mehrheit der Aufsichtsratsmitglieder auf den Jahreshauptversammlungen wählen.

Das wirtschaftliche oder juristische Know-how, das hier im Aufsichtsrat vorhanden scheint, tritt aber in den Hintergrund, wenn man dem Aufsichtsrat anheim stellt, die sportliche Leitung zu beurteilen und gegebenenfalls sogar abzulösen - wie sollen Fleischfabrikanten, Juristen, Ärzte oder Journalisten beurteilen, ob Horst Heldt oder Roberto di Matteo ihren Job ordentlich machen?

Insofern fälle ich das Urteil "ahnungslos" über den Aufsichtsrat auch unter der Prämisse, dass ich nur schwer beurteilen kann, ob es hier eine günstigere Konstellation gibt, die dem Verein mehr Erfolg verspricht. Es gibt mit Sicherheit aber eine demokratischere Konstellation als die derzeitige mit dem scheinbar omnipräsenten Clemens Tönnies. Und Demokratie, das wissen wir spätestens seit Winston Churchill, ist die schlechteste aller Regierungsformen, abgesehen von allen anderen, die von Zeit zu Zeit ausprobiert worden sind.

Zu viel Präsenz in den Medien

Dass Tönnies ungebremst im "Star Talk", dem "Doppelpass" auf Sport1 oder vor allem der so genannten Zeitung seines Lieblingsgolfkumpels Alfred Draxler, der BILD, entscheidende Weichenstellungen des Vereins verkünden darf, sollte - jedenfalls meiner Meinung nach - aufhören. Ein Schelm, wer Böses dabei denkt, dass die Entlassung von Roberto di Matteo als erstes auf dem Twitteraccount von Draxler veröffentlicht wurde.

Aufsichtsräte werden häufig mit Menschen besetzt, die ihre Fähigkeiten nicht im sportlichen, sondern im wirtschaftlichen, rechtlichen oder organisatorischen Bereich haben. Das ist bei anderen Vereinen auch nicht anders. Dort sitzen aber zumindest häufig Personen an den Hebeln, die sich nicht jede Woche in den Medien, bei Journalisten, Politikern oder anderen anbiedern müssen. Änderungen hier sind aber ein langwieriger, komplizierter Prozess und helfen dem FC Schalke für die nächste Saison wahrscheinlich herzlich wenig.

Und wie geht's jetzt weiter?

Abzuwarten bleibt, ob die Entlassung von di Matteo die einzige personelle Maßnahme bleibt, die die Verantwortlichen des S04 betrifft. Der unberechenbare Clemens Tönnies ist durchaus in der Lage, den glücklosen Manager zu ersetzen, und nicht erst seit gestern machen illustre Alternativen am Berger Feld die Runde, die von BVB-Urgestein und T-Shirt-Verkäufer Christoph Metzelder über Hobby-Literat und Dauernörgler Jens Lehmann bis hin zu Ingolstadts Strippenzieher Thomas Linke diverse Namen beinhalten, bei denen einem Angst und Bange werden kann.

Doch selbst wenn Heldt weiter auf Schalke die Entscheidungen treffen sollte - der nächste sprichwörtliche "Schuss" muss sitzen. Einen weiteren Griff ins Klo, wie er Heldt mit di Matteos Verpflichtung passiert ist, kann sich der ehemalige Mittelfeldstratege nicht leisten. Vereinsinterne Lösungen wie mit Jugendkultcoach Norbert Elgert, einen unverbrauchten Trainer wie Sascha Lewandowski oder noch einmal einen Trainer "mit Namen"? Wie der richtige Trainer-Weg für Schalke aussieht, weiß wohl nicht einmal der Wind.

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