Der Seuchenvogel

Von Simon Valachovic
Woher kam die Krise des VfB?
© getty

Viel Fragezeichen standen in den letzten Monaten über dem Neckarstadion. Woher kommt die Krise des VfB Stuttgart, warum spielt man ständig gegen den Abstieg, wo bleibt die Konstanz und wieso kommen die vorhandenen PS einfach nicht auf die Straße? Die Antwort ist letztlich einfacher als gedacht: Es ist allein die Schuld von Page-2-Autor Simon Valachovic.

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Wenn man an den VfB Stuttgart denkt, kommt man in erster Linie immer auf den Gedanken, was den Verein in den letzten Jahren durchgehend geprägt hat: Abstiegskampf und zahlreiche Krisen. Immer wieder konnte man sich in letzter Sekunde noch retten, den Abstieg verhindern.

Unvergessen bleibt der letzte Spieltag der vergangenen Saison. Daniel Ginczek entschied 15 Minuten vor Schluss die Partie in Paderborn, letztlich hielt man die Klasse. Der VfB bekam durch drei Siege zum Saisonende gerade noch die Kurve.

Siegesserien durch meine Abwesenheit

Viel wurde darüber spekuliert, warum man plötzlich doch wieder die rettende Siegesserie starten konnte. Für mich gibt es da mit heutiger Betrachtung nur einen Grund: Weil ich bei den letzten beiden Heimspielen nicht mehr im Stadion war. Ja, ihr hört richtig. Seit dem 12. April 2015 verfolgt mich ein Fluch.

Der 3:2-Sieg gegen Werder Bremen waren neben einem Heimsieg in dieser Saison gegen Darmstadt die einzigen drei Punkte, die ich im Neckarstadion erleben durfte. Gegen Bremen musste ich ehrlicherweise sogar das Stadion früher verlassen, erlebte also den Siegtreffer lediglich auf dem Heimweg. Ich ging und der VfB gewann. Es sollte sich von diesem Tag an eine krasse Negativserie entwickeln.

Wahrlich grausig

Bei den letzten neun Heimspielen des VfB Stuttgart mit mir im Stadion gab es lediglich zwei Siege - wahrlich grausig. Betrachtet man die Spiele ohne meine Wenigkeit, wird es wirklich mehr als nur erschreckend. Sieben Spiele war ich, mal wegen Klausuren, mal aus anderen Gründen, nicht im Stadion. In diesen Spielen gab es sechs Heimsiege und ein Unentschieden. Also nicht eine einzige Niederlage. Zum Ende der letzten Saison gab es die wohl wichtigsten Heimsiege der letzten Jahre gegen Mainz und Hamburg - ohne mich.

Mit Neu-Trainer Jürgen Kramny startete der VfB nun ein erfrischende und schon fast überraschende Siegesserie. Gegen Wolfsburg, Hamburg und Hertha BSC wurde zu Hause gewonnen - ohne mich. Typisch war dann natürlich, dass genau ich derjenige war, der diese Serie kürzlich beendet hat, was somit auch der persönliche Tiefpunkt meiner Negativserie war.

Persönliche Heimstatistik seit April 2015

Gegner

Spieltag und Spielzeit

Ergebnis

Anwesenheit

Werder Bremen

28. Spieltag 14/15

3:2

Ja

SC Freiburg

30. Spieltag 14/15

2:2

Nein

1. FSV Mainz 05

32. Spieltag 14/15

2:0

Nein

Hamburger SV

33. Spieltag 14/15

2:1

Nein

1. FC Köln

1. Spieltag 15/16

1:3

Ja

Eintracht Frankfurt

3. Spieltag 15/16

1:4

Ja

FC Schalke 04

5. Spieltag 15/16

0:1

Ja

Borussia M'gladbach

7. Spieltag 15/16

1:3

Ja

FC Ingolstadt

9. Spieltag 15/16

1:0

Nein

SV Darmstadt 98

11. Spieltag 15/16

2:0

Ja

FC Augsburg

13. Spieltag 15/16

0:4

Ja

Werder Bremen

15. Spieltag 15/16

1:1

Ja

VfL Wolfsburg

17. Spieltag 15/16

3:1

Nein

Hamburger SV

19. Spieltag 15/16

2:1

Nein

Hertha BSC

21. Spieltag 15/16

2:0

Nein

Hannover 96

23. Spieltag 15/16

1:2

Ja

1899 Hoffenheim

25. Spieltag 15/16

5:1

Ja

Seit Ende November war ich also nicht mehr im Stadion gewesen. Gegen Hannover, den Tabellenletzten, war für mich schließlich der perfekte Zeitpunkt gekommen, um endlich wieder einen Sieg im Stadion zu erleben - um meine persönliche Horrorserie endlich aufzupolieren. Der Tag schien perfekt. Super Wetter, strahlende Sonne und ein Heimspiel gegen den krassen Außenseiter aus Niedersachsen. Doch Pustekuchen! Wieder gab es eine unglückliche Niederlage.

Durch gefährliche Freistöße von Hiroshi Kiyotake konnte Christian Schulz zwei Mal einnetzen. Ein Doppelpack durch einen Spieler, der sonst in einer gesamten Saison keine zwei Tore schießt. Auch so eine Krankheit, wenn ich im Stadion bin: entweder treffen Ex-VfB-Spieler oder sonst chronisch ungefährliche Spieler. Gegen Hertha BSC waren zwischenzeitlich mit Schieber und Ibisevic zwei frühere Brustringträger auf dem Feld gestanden. Mit mir im Stadion hätte mindestens einer von beiden getroffen.

Seuchenvogel 2.0

Nun war es leider so, dass vielen anderen VfB-Fans aus meinem persönlichen Umkreis diese niederschmetternde Statistik nicht verborgen blieb. Seuchenvogel wurde ich, angelehnt an eine berühmte Szene von Jürgen Klopp und einem Sportreporter, genannt. Klopp hatte zeitenweise immer eine Niederlage einstecken müssen, wenn ebendieser Mann vom SWR ein Spiel seiner Borussia aus Dortmund begleitete. Klopp gab ihm in diesem Moment einfach kein Interview.

Ich hingegen wurde angefleht, doch bitte nur noch gegen Dortmund und Bayern zu kommen, da wäre auch ohne meine Anwesenheit wenig zu holen. Des Weiteren wurden schon Theorien entwickelt, wie man mich am besten zukünftig vom Stadion fernhalten könnte. An einen Baum binden war eine Möglichkeit, mich im Auto auf dem Wasenparkplatz einzusperren die andere.

Allen Widerständen zum Trotz

Doch wer nicht wagt, der nicht gewinnt. Trotz all dieses Gegenwindes ließ ich mir es nicht nehmen, auch gegen Hoffenheim wieder ins Stadion zu gehen. Anders als gegen Hannover hatte ich ehrlich nicht mit einem Sieg gerechnet. Julian Nagelsmann, neuer Trainer bei Hoffenheim, hatte seinem Team schließlich wieder neues Selbstvertrauen eingehaucht und vor allem in Dortmund trotz Niederlage eine starke Leistung gezeigt.

Ich machte mich also auf den Weg zum Stadion und überlegte mir schon neue Ausreden, um nicht doch irgendwann an einen Baum gebunden zu werden. Im Stadion angekommen, durfte ich mir gleich wieder Sprüche anhören. Von meiner letzten Chance war die Rede.

Das Comeback des Seuchenvogels

Kurz nach Spielbeginn wurde dann jedoch schnell klar, dass ich einen guten Tag erwischt hatte. Schnelle Führung, viele Chancen und ein Nagelsmann, dessen taktische Kniffe nach hinten losgingen. Der zwischenzeitliche Anschlusstreffer von Andrej Kramaric hatte mich nochmal heftig ins Schwitzen gebracht. Vielleicht wäre das Spiel auch noch gekippt, wenn Jonathan Schmid den Ball frei vor Tyton besser getroffen hätte. Ich will gar nicht wissen, wie es mir dann ergangen wäre. Dennoch war es ein weitestgehend souveräner VfB, der vor allem in der zweiten Hälfte endlich mal seine zahlreichen Chancen zu nutzen wusste. 5:1 hieß es am Ende. Und das mit mir, Wahnsinn!

Den letzten Heimsieg mit mehr als fünf eigenen Toren gab es übrigens auch gegen Hoffenheim. Im September 2013 gewann Stuttgart unter Thomas Schneider mit 6:2, ganz nebenbei mit mir im Stadion. Vom Seuchenvogel also zum Zuschauer für grandiose Heimsiege? Wohl eher nicht, meine Heimspielstatistik seit April 2015 sieht auch mit dem Sieg gegen Hoffenheim mehr als dürftig aus.

Methoden zur bewussten Statistikaufpolierung

Nun stehe ich vor einer wichtigen Frage. Gehe ich bewusst gegen Dortmund und Bayern nicht ins Stadion, um es nicht mehr ganz so schlimm aussehen zu lassen und versuche es nur gegen Mannschaften wie Leverkusen und Mainz? Zumindest gegen Leverkusen werde ich versuchen, endlich mal eine persönliche Mini-Serie aufzubauen. Zweifel sind hier aber zumindest berechtigt. Zwei Heimsiege in Folge mit mir im Stadion - daran kann ich mich ehrlich gesagt nicht mehr erinnern.

Besonders schön wäre es, wenn vor den letzten Spieltagen der Klassenerhalt schon sicher wäre. Wenn Spiele des VfB zum Ende hin unbedeutend werden und es nur noch darum geht, ob man in der oberen oder unteren Tabellenhälfte landet. Laut meinen Berechnungen bräuchte es dafür zeitnah noch zwei Siege. Dann hätte man 37 Punkte, was gut reichen sollte. Dann wird es primär auch egal sein, ob ich im Stadion sein werde, oder nicht.

Wenn es jedoch nochmal eng werden sollte, unter anderem durch eine Heimniederlage gegen Leverkusen, werde ich mich wohl doch für einen Heimsieg gegen Mainz opfern und nicht ins Stadion gehen. Das hat schließlich zum Ende der letzten Saison auch wunderbar geklappt - auch wenn es da noch unbewusst geschah.

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