Heilige, Krümelmonster und die NSA

Von Sebastian Hahn
Michael O'Neill wurde mit Irland Gruppenerster
© getty
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John Bew ist definitiv kein Erfolgsfan. Seit fast 30 Jahren folgt er der nordirischen Nationalmannschaft überall hin, hat kein einziges Spiel verpasst. Selbst eisige Schneestürme und ein gebrochenes Bein konnten ihn nicht aufhalten. Wirklich viel hatte er in den letzten 30 Jahren aber nicht zu feiern, das einzige große Turnier in seiner Zeit als Fan der "Green and White Army" war die Weltmeisterschaft 1986.

Abgesehen von den Titelkämpfen in Mexiko und Spanien 1982 fehlen große Turniere allerdings bisher völlig in der Geschichte der Nordiren. Die Europameisterschaft im kommenden Jahr ist die erste der Verbandsgeschichte, nach Island ist Nordirland das kleinste Land, dass sich je für die kontinentalen Titelkämpfe qualifizieren konnte. "Das Beste an der Qualifikation ist, dass wir es mit Stil gepackt haben. Wir haben schönen Fußball gespielt", sagte Bew nach dem entscheidenden 3:1-Erfolg über Griechenland am Donnerstag.

Eine goldene Ära?

Die Freude im Windsor Park zu Belfast war so groß wie seit den goldenen Zeiten in den 80er Jahren nicht mehr. Damals schaffte es aber selbst das Team um Pat Jennings und Sammy McIlroy nicht, sich für eine EM zu qualifizieren. Gerry Armstrong, heute Sky-Kommentator und seit seinem Siegtreffer bei der WM 1982 in Spanien gegen die Gastgeber ein Volksheld, sieht definitiv Parallelen zur goldenen Generation: "Sie sind wie wir damals eine eingeschworene Truppe, jeder opfert sich für den anderen, um als Team erfolgreich zu sein. Sowas braucht Zeit, aber vielleicht ist das der Beginn der nächsten goldenen Ära für uns."

Das Fundament dafür legt seit 2011 Michael O'Neill. Der 46-Jährige kommt aus Potadown, einem 20.000-Seelen-Ort mitten im Herzen von Nordirland und hielt acht Jahre lang selbst die Knochen für die Nationalmannschaft hin. Jetzt wird er von Lob überschüttet.

Ein Heiliger an der Seitenlinie

Der ehemalige nordirische Gesundheitsminister und jetzige Parlamentsabgeordnete Jim Wells verkündete direkt nach der Qualifikation via "Twitter": "Wie wäre es, wenn wir O'Neill zum Ritter schlagen? Er ist ein unfassbar guter Trainer! Ich hoffe, wir können ihn lange an uns binden." Auf Nachfrage wiederholte er diese Aussage dann auch am folgenden Tag im womöglich deutlich nüchternen Zustand: "Ich meine das Ernst! Wenn wir die Gruppe auch noch gewinnen können, sollte er ein Heiliger werden." Zumindest Wells' Heiligenschein schnappte sich "St. Michael" am Sonntag, als die Nordiren in Helsinki mit einem 1:1 gegen Finnland tatsächlich den Gruppensieg eintüteten.

Großen Anteil am Erfolg der "Green and White Army" hatte ein Kanarienvogel - zumindest im übertragenen Sinne. Denn Stürmer Kyle Lafferty, der bei den Canaries von Norwich City unter Vertrag steht, legte mit sieben der 16 nordirischen Treffer den Grundstein für den Gruppensieg - und dass obwohl er in der Premier League oft nur die Bank drücken darf. Weitere Stützen sind Ex-Manchester-United-Verteidiger Jonny Evans und Mittelfeldregisseur Steven Davis vom FC Southampton.

Einen Traum haben die Nordiren dann aber doch noch - ein Duell mit dem "großen" Nachbarn Irland im kommenden Sommer in Frankreich. Dafür müsste sich dieser aber erstmal über die Playoffs qualifizieren...

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